Zwischen Verwirrung und Verzweiflung
// UKRAINE: Die deutsche Linke auf der verzweifelten Suche nach einer „fortschrittlichen“ Seite im ukrainischen BürgerInnenkrieg. //
Der BürgerInnenkrieg in der Ukraine ruft die größten geopolitischen Spannungen seit dem Ende des kalten Krieges hervor. Die USA, die zentralen Mächte der EU und Russland ringen alle in einem komplizierten Geflecht um ihren Einfluss in der Region. Es ist kein Wunder, dass innerhalb der internationalen Linken größte Verwirrung herrscht. Dennoch überrascht es ein wenig, wie enthusiastisch manche Gruppen auf der Suche nach einer „fortschrittlichen“ Seite in diesem BürgerInnenkrieg zwischen reaktionären Banden sind.
Die Maidan-Bewegung, deren Ziel ein Assoziierungsabkommen mit der EU war, brachte ein neoliberales OligarchInnen-Regime an die Macht, das sich teilweise auf FaschistInnen stützt. Nun dämmert es wohl den letzten Linken, dass es sich nicht um eine fortschrittliche Bewegung handelte. Die umgekehrte Begeisterung für den „antifaschistischen Widerstand“ der SeparatistInnen im Osten des Landes ist nicht vollends verschwunden, aber doch kleiner geworden. Denn die vom Kreml kontrollierten „Volksrepubliken“ machen sich nicht einmal die Mühe, ihren klerikal-nationalistischen Charakter zu verbergen.
Wir haben keine der beiden Seiten politisch unterstützt, da für uns der Schlüssel nicht in der Unterstützung einer irgendwie gearteten „fortschrittlicher“ Kraft liegt, sondern im Kampf für die politische Unabhängigkeit des Proletariats, das von beiden unterdrückt und ausgebeutet wird. Auch jetzt liegt für das Wesen des Konfliktes nicht in der Unterstützung der einen oder anderen militärischen Front, sondern in der Vorbereitung der Revolution, das heißt des Siegs des Proletariats über die Bourgeoisie im gesamten ukrainischen Gebiet.
Vom Pro-Maidan-Fieber…
Beim Vereinigten Sekretariat der Vierten Internationale (VS, zu dem in Deutschland der RSB und die isl gehören) löste schon die bloße Ansammlung von großen Menschenmassen ein aktivistisches Fieber aus. Die vielen Menschen bei den Protesten gegen die Regierung des Präsidenten Viktor Janukowitsch auf dem zentralen Unabhängigkeitsplatz (Maidan) haben wohl an „Occupy“ erinnert – wenn man die Forderungen und die Zusammensetzung der Proteste völlig außer acht ließ. Das VS wollte den Ereignissen nicht hinterherhecheln und erklärte prompt seine Unterstützung für die Maidan-Bewegung, auch wenn es zugab, dass „die tonangebenden organisierten politischen Kräfte bislang zur Rechten oder extremen Rechten gehören“[1].
Diese „Rechten“ oder „extremen Rechten“ übernahmen ziemlich schnell wortwörtlich das Kommando auf dem Platz und artikulierten ihre ultranationalistischen Ziele offen, indem sie Linke und GewerkschafterInnen vom Maidan prügelten und jegliche linke Symbolik verboten. Eine Bewegung mit reaktionären Zielen und einer reaktionären Führung wollte die VS-Führung als irgendwie „offen“ betrachten, als ob sie sich plötzlich in eine linke Richtung entwickeln könnte, wenn sich Linke nur – trotz der faschistischen Gewalt – einmischen würden. Nach dieser merkwürdigen Logik hätten Linke in Deutschland auch zu den Pegida-Demos gehen müssen!
Auch die Gruppe Marx21, die in der Linkspartei arbeitet, entwickelte ihre Positionen in Zusammenarbeit mit der „Sozialistischen Bewegung Russlands“, die zum VS gehört. Ilya Budraitskis wurde auf der Marx21-Seite interviewt [2] und sprach auf dem MarxIsMuss-Kongress. Er bot ein schräges Bild von der Maidan-Bewegung: Agitation gäbe es „fast nur von rechten und rechtsextremen Gruppen“, die „mit Helmen und Knüppeln“ einen „unglaublich entschlossenen“ Eindruck machen. Gleichzeitig bestritt er den rechten Charakter der Bewegung, weil sie aus „verschiedenen unterdrückten Klassen: Arbeiter, Arbeitslose, arme Selbstständige, Studierende“ bestünde – nur, wo glaubt Budraitskis, dass die Massenbasis des Faschismus herkommt? Etwa nur aus der Bourgeoisie und GroßgrundbesitzerInnen? Alles in einem erkannte Budraitskis eine Bewegung „für eine bessere Gesellschaft“ – warum eine angeblich fortschrittliche Bewegung von FaschistInnen angeführt wurde, erläuterte er nicht. Er gab zu, dass linke Gruppen auf dem Maidan verprügelt wurden, verlangte aber „gerade deshalb“ eine linke Unterstützung für die Bewegung.
Ein Jahr später hat Marx21 ihre Position revidiert und stellt fest: „Linke sollten die imperialistischen Interessen der involvierten Staatenblöcke aufdecken, statt sich mit der einen oder anderen Seite gemein zu machen.“[3] Dieser Sinneswandel ist sehr zu begrüßen, aber lesende ArbeiterInnen werden fragen: Warum hat Marx21 denn im entscheidenden Moment die Unterstützung des Maidan gefordert? Solche Fehler passieren, wenn man eine Bewegung nach ihren banalen Losungen (in diesem Fall: „Demokratie“) und nicht nach den Verhältnissen zwischen den Klassen sowie den Interessen des Imperialismus definiert.
…zum „antifaschistischen Widerstand“
Die genau umgekehrte Position kam bei anderen linken Gruppen auf, als die Gründung von „Volksrepubliken“ in der Ostukraine proklamiert wurde. Die neue Regierung von Petro Poroschenko wurde als „faschistisch“ definiert, womit seine GegnerInnen automatisch zu „AntifaschistInnen“ wurden, die es zu unterstützen galt. Diese Position ist am ehesten bei stalinistischen und Putin-freundlichen Strömungen zu finden, hat aber auch manche trotzkistischen Gruppen beeinflusst. Es sollte aufhorchen lassen, dass deutsche Medien die Maidan-Bewegung feierten – aber nicht weniger sollte es stutzig machen, dass die Analyse einer „faschistischen Junta“ in Kiew von russischen Staatsmedien geteilt wird.
Denn diese sogenannten „Volksrepubliken“ geben sich nicht einmal die Mühe, ihren klerikal-nationalistischen Charakter zu verschleiern. Dabei sind Kommandeure vom Schlage eines Dennis Puschilin oder Alexej Mosgovoj gar stolz auf ihre tiefe „Religiosität“ und tragen ihren Sexismus und ihre Homophobie offen zur Schau. Es ist schon schändlich genug, dass selbst bezeichnete „KommunistInnen“ in der Ostukraine sich diesem Kommando unterordnen und durch dieses eigenartige Bündnis einen fortschrittlichen Ausweg aus der Situation erwarten. Aus historischen Gründen gibt sich der russische Nationalismus, auch die faschistische Rechte, eine „antifaschistische“ Färbung. Aber auch wenn diese Gruppen das Hakenkreuz ablehnen, stehen sie für einen autoritären kapitalistischen Staat, der die ArbeiterInnenbewegung völlig zerschlägt.
Die Gruppe Arbeitermacht (GAM) und ihre Jugendorganisation REVOLUTION verurteilten zwar die Ideologien der Führung der „Volksrepubliken“, stellen jedoch den „antifaschistischen Widerstand“ in den Mittelpunkt. „Antifaschismus“ aber ist für MarxistInnen kein Ersatz für eine Analyse der Kräfte, die sich gegen den Faschismus stellen. Den bürgerlichen „Antifaschismus“ der Bundesrepublik unterstützen wir nicht im Geringsten – hier sind wir uns mit der GAM einig. Doch der „antifaschistische Widerstand“ in der Ostukraine, der russische Militärs, GeheimdienstlerInnen, BürokratInnen und SöldnerInnen sowie einheimische KapitalistInnen umfasst, sollte irgendwie einen fortschrittlichen Charakter haben. Richard Brenner, führendes Mitglied der Liga für die Fünfte Internationale (L5I, internationale Strömung der GAM), ließ sich zuerst zur Teilnahme an einer von Rechtsextremen organisierten Konferenz und dort noch zur Unterstützung von „Neurussland“ hinreißen, wie wir bereits kritisiert haben[4].
Die linksstalinistische und prorussische Gruppe „Borotba“ spielte eine wichtige Rolle dabei, Unterstützung der europäischen Linken für die Volksrepubliken zu organisieren. Trotz gewisser Kritikpunkte steht Borotba hinter der Führung der Volksrepubliken und ruft die russische Regierung zur offenen militärischen Intervention in der Ostukraine auf. Die GAM, genauso wie manche andere trotzkistische Gruppen, unterstützt Borotba – mit zahlreichen Interviews, Veranstaltungen, Besuchen, Aufklebern und Spenden. Die GAM scheint Borotbas Analyse geteilt zu haben, dass in der Ostukraine so etwas wie eine anfängliche soziale Revolution vonstatten ging, die auf die Vergesellschaftung der Produktionsmittel zielte. Hierzu ließ sie sich von der sowjetischen Nostalgie der russischen NationalistInnen mitreißen, die ihre Scheinparlamente gern „Sowjets“ nennen. Doch diese Volksrepubliken entstanden und entwickelten sich unter direkter Führung des kapitalistischen russischen Staates. Auch ein Programm von „Verstaatlichung“ beschränkt sich auf die Notwendigkeiten der Kriegsführung und des Aufbaus einer pro-russischen Enklave wie Transnistrien – wo Verstaatlichungen die angeschlagene kapitalistische Marktwirtschaft am Laufen halten.
In den Volksrepubliken wurde nach fortschrittlichen Kräften gesucht. So schrieb Martin Suchanek von der GAM im Oktober 2014: „Die Wahlen in Donezk und Lugansk, die wahrscheinlich im November stattfinden, werden auch ein erster Test des Kräfteverhältnisses sein.“[5] Diese Wahlen haben tatsächlich im November stattgefunden. In Donezk und Lugansk gab es jeweils genau einen pro-russischen Kandidaten. Die „KommunistInnen“ wurden gar nicht zur Wahl zugelassen – was sie die UnterstützerInnen aber nicht zum Anlass nahmen, ihre Unterstützung für die Volksrepubliken zu überdenken. Doch schließlich ist zu beobachten, wie die GenossInnen der GAM ihre enthusiastische Unterstützung für Borotba allmählich zurückfahren – ohne jedoch Schlussfolgerungen daraus zu ziehen. Im März 2015 äußerten Franz Ickstatt und KD Tait den Wunsch, der sich verschärfende militärische Konflikt möge „der europa-weiten ‚Maidan-Linken‘ endlich die Augen öffnen“[6]. Diesen Wunsch teilen wir. Doch wir hoffen auch, dass die neusten Entwicklungen den naiven „Antifa-Linken“ ebenfalls die Augen öffnen.
Stattdessen erfahren wir von Franz Ickstatt im Februar 2015: „unabhängige Organisationen der Klasse [sind] nötig, Sowjetfahnen allein nützen nichts“[7]. In diesem Zusammenhang kritisiert die GAM erstmalig auch Borotba, weil diese auf „eine ausreichende politische Kritik an [den NationalistInnen im Osten] verzichtet“. Ist Borotba erst Anfang dieses Jahres so geworden – oder warum bekam die Gruppe vorher die politische Unterstützung der GAM?
Denn die geopolitischen Konsequenzen dieser Politik sind haarsträubend. Die GAM bezeichnet, anders als wir, Russland als eine imperialistische Macht[8]. Gleichzeitig will sie mit SoldatInnen der russischen Armee in einer „militärischen Front“ zusammenstehen, und zwar gegen den Faschismus. Für MarxistInnen ist es eine Frage grundlegender Prinzipien, konsequent gegen den Imperialismus zu kämpfen. Eine solche „Einheitsfront“ (Volksfront) mit einer imperialistischen Macht kann nur Verrat an den Interessen der Unterdrückten bedeuten – auch und gerade im Namen der „Demokratie“ oder des „Antifaschismus“. Wollen wir da noch erwähnen, dass die isl und die GAM – beide in der NAO organisiert sind – im Krieg in der Ostukraine gemäß ihrer Logik aufeinander schießen müssten?
Trotzki hat dazu eine passende Analogie entwickelt: „In Brasilien regiert nun ein semi- faschistisches Regime, das jeder Revolutionär nur mit Hass betrachten kann. Lasst uns annehmen, England würde morgen in einen militärischen Konflikt mit Brasilien treten. Ich frage Euch, auf welcher Seite des Konflikts würde die Arbeiterklasse stehen? Ich werde für mich persönlich antworten – in diesem Falle bin ich auf der Seite des ‚faschistischen’ Brasilien gegen das ‚demokratische’ Großbritannien. Warum? Weil es in diesem Konflikt nicht um die Frage von Demokratie oder Faschismus geht.“[9] Es würde den Rahmen dieses Artikels sprengen, die Möglichkeiten und Grenzen einer imperialistischen Entwicklung Russlands zu besprechen. Aber die Charakterisierung Russlands als imperialistische Macht und der Aufruf zu einer „Einheitsfront“ mit dessen Armee sind zwei Positionen, die sich für revolutionäre MarxistInnen gegenseitig ausschließen sollten.
Die Lehren aus Spanien
Die Verwirrungen in der internationalen Linken bezüglich des ukrainischen BürgerInnenkriegs sind zu großen Teilen auf weit verbreitete Missverständnisse über den spanischen BürgerInnenkrieg von 1936-39 zurückzuführen. Wieso endete der damalige „Krieg gegen den Faschismus“ im Spanischen Staat in einer Niederlage? Welche Lehren können daraus gezogen werden? Manche führen es darauf zurück, dass die damaligen AntifaschistInnen die Hilfe von „demokratischen“ Staaten wie England und Frankreich gebraucht hätten. Doch diese imperialistischen Staaten hatten kein Interesse daran, den Faschismus zu bremsen – sondern versuchten lediglich ihre eigenen wirtschaftlichen und politischen Interessen durchzusetzen.
Der spanische BürgerInnenkrieg war nur der Höhepunkt eines langen revolutionären Prozesses, der bereits 1931 zur Abdankung des spanischen Königs geführt hatte. Es war der Aufschwung der Proteste der ArbeiterInnen und Bauern/Bäuerinnen, der General Franco in Zusammenarbeit mit den FaschistInnen zum Putsch veranlasste. Dagegen haben sich die Unterdrückten mit revolutionären Mitteln verteidigt: Sie schlugen den Putsch zurück und kollektivierten große Teile der Industrie und des Großgrundbesitzes.
Doch die Regierung der spanischen Republik, die sich antifaschistisch gab, war in erster Linie eine bürgerliche. Die SozialdemokratInnen und StalinistInnen in dieser Regierung wollten das Privateigentum schützen. Deswegen haben sie, auch wenn sie von FaschistInnen bedroht wurden, einen Krieg gegen revolutionäre ArbeiterInnen auf ihrer eigenen Seite geführt. Hinter den Linien wurden tausende AnarchistInnen, SozialistInnen und TrotzkistInnen ermordet. Erst als die Kraft der ArbeiterInnenbewegung von der Republik zerstört wurde, konnten Francos Truppen durchmarschieren.
Deswegen haben die revolutionären MarxistInnen, die in der Vierten Internationale organisiert waren, keinerlei Unterstützung für die bürgerliche Republik gegeben. Sie haben zwar in der ersten Reihe gegen Francos Schergen gekämpft, behielten aber dabei ihre völlige politische Unabhängigkeit von der bürgerlichen Republik und bereiteten den Kampf für eine ArbeiterInnenregierung vor. Deswegen findet man bei Leo Trotzki keine Loblieder auf einen klassenübergreifenden „antifaschistischen Widerstand“ und keine Unterstützung für die zentristischen Kräfte, die sich trotz mancher Kritikpunkte an die Volksfront anbiederten. Im Gegenteil kritisierte die Vierte Internationale die zentristische POUM am schärfsten für ihren Opportunismus, der letztlich die Niederlage der ArbeiterInnenklasse besiegelte.
Wie Trotzki feststellte: „Was uns interessiert ist nicht der militärische Sieg an sich, sondern der Sieg der Revolution, d.h. der Sieg einer Klasse über die andere.“
Im Grunde verteidigen wir KommunistInnen die bürgerliche Demokratie nur insofern, als sie bessere Kampfbedingungen für die Selbstbefreiung des Proletariats bietet. Trotzki schrieb dazu, dass die ArbeiterInnen im Rahmen der bürgerlichen Demokratie „eigene Festungen, eigene Grundlagen, eigene Zentren der proletarischen Demokratie geschaffen“ haben: „Gewerkschaften, Parteien, Bildungsklubs, Sportorganisationen, Genossenschaften usw.“[10] Diese proletarischen Bastionen – und nicht die „Demokratie“ an sich, die nur eine Form der Herrschaft der Bourgeoisie darstellt – gilt es gegen den Faschismus zu verteidigen. Aber wer glaubt ernsthaft, dass die ArbeiterInnen der Ostukraine ihre Befreiung leichter gegen die russische Armee als gegen die ukrainische erkämpfen können?
Das ist nur das erste Problem mit der Analogie, die die GAM zwischen den ukrainischen und spanischen BürgerInnenkriegen macht. Für sie ist der ukrainische BürgerInnenkrieg „vergleichbar dem spanischen“[11], als hätte es die spanische Revolution nie gegeben. Sie wollen Trotzkis Position „beinahe 1:1 für den ukrainischen Bürgerkrieg übernehmen“[12], aber versuchen gar nicht zu erklären, warum Trotzki jede imperialistische Einmischung im Spanischen Staat abwies, oder warum heute der kapitalistische Russische Staat einen angeblich sozialrevolutionären Prozess unterstützen würde. In ihrer zweifelhaften Analogie gehen die GenossInnen so weit zu behaupten, dass die „Sowjetunion, Frankreich und Großbritannien“ die spanische Republik mit Waffenlieferungen unterstützt hätten[13]. Das ist jedoch in mehrerer Hinsicht falsch. Frankreich und Großbritannien haben bis zum Ende des Krieges Waffenlieferungen an die republikanische Regierung abgelehnt und sogar Waffenspenden der ArbeiterInnenorganisationen ihrer Länder blockiert. Die Sowjetunion verkaufte zwar Waffen, aber diese wurden bald primär eingesetzt, um die revolutionären ArbeiterInnenorganisationen und Milizen zu zerschlagen. Die imperialistischen und stalinistischen Regierungen hatten ein vorwiegendes Interesse daran, den revolutionären Prozess aufzuhalten. Das war ihnen wichtiger als der Sieg gegen den Faschismus.
Wir bedauern, dass die GAM heute schlussfolgert, eine „Verteidigung der Volksfrontregierung gegen Franco“ sei in Spanien notwendig gewesen. Damals haben die RevolutionärInnen in einer Front mit den SoldatInnen der Republik gegen die faschistischen Truppen gestanden – aber im Rahmen dessen dafür argumentiert, die bürgerliche Republik durch eine Räterepublik zu ersetzen. Als die ArbeiterInnen Barcelonas im Mai 1937 gegen diese repressive bürgerliche Regierung einen Aufstand begannen, standen die TrotzkistInnen mit ihnen auf den Barrikaden – eine „Verteidigung der Volksfront“ war das sicher nicht, eben nur eine Verteidigung der Bastionen der ArbeiterInnen, um den Sturz der Volksfront zum frühstmöglichen Zeitpunkt vorzubereiten. Die wirkliche Lehre Trotzkis aus dem spanischen BürgerInnenkrieg ist also tatsächlich „1:1“ auf den ukrainischen zu übernehmen: Nur die politische Unabhängigkeit der ArbeiterInnenklasse gegen jeden bürgerlichen Pseudo-Antifaschismus kann den Sieg gegen den Faschismus bringen.
Unabhängigkeit des Proletariats statt kleineres Übel
Die Unabhängigkeit des Proletariats ist für uns keine leere Formel, sondern die Voraussetzung für eine fortschrittliche Lösung des reaktionären BürgerInnenkrieges. Nur der politische Kampf der ArbeiterInnen gegen beide Banden – ob „demokratisch“ oder „antifaschistisch“ – kann einen gemeinsamen Kampf der ArbeiterInnen des ganzen Landes gegen den brutalen Krieg und gegen die genauso brutalen Kürzungen ermöglichen. Das Ziel ist die Enteignung der Bourgeoisie, die Vergesellschaftung der Banken und Unternehmen und die sozialistische Revolution – nicht nur in der Ukraine, sondern auch darüber hinaus. Doch das Proletariat kann dieses Programm nur in völliger Unabhängigkeit von den kapitalistischen Mächten im Westen und im Osten durchsetzen.
Die Hoffnung, dass irgendein Klassenbündnis mit irgendeinem Programm die historische Rolle des Proletariats erfüllen könnte, wird sich immer enttäuschen. Die naiven Hoffnungen, die jeweils in „Maidan“ und „Anti-Maidan“ gesteckt wurden, werden nun von Marx21 und GAM kommentarlos begraben – genauso wie sie vorher ihre Unterstützung für „libysche““ oder „syrische Revolutionen“ unter Führung des US-Imperialismus genauso stillschweigend aufgaben. All diese Prozesse haben wieder einmal eindrucksvoll gezeigt, dass es auf dem Weg zur Organisation und Mobilisierung des Proletariats keine „Abkürzungen“ geben kann.
Fußnoten
1. http://nao-prozess.de/erklaerung-zur-ukranine/
2. http://marx21.de/19-02-14-ukraine/
3. http://marx21.de/ukraine-zwischen-nato-und-russland/
4. https://www.klassegegenklasse.org/debatte-muss-man-das-kleinere-ubel-unterstutzen/
5. http://www.arbeitermacht.de/ni/ni193/ukraine.htm
6. http://www.arbeitermacht.de/ni/ni197/ukraine.htm
7. http://www.arbeitermacht.de/ni/ni196/ukraine.htm
8. http://www.arbeitermacht.de/rm/rm46/russland.htm
9. Leon Trotsky: Anti-Imperialist Struggle is the Key to Liberation. In: Writings of Leon Trotsky 1938-1939. New York 1974. S. 34. Deutsch: Eric Wegner. CWI und IMT.
10. https://www.marxists.org/deutsch/archiv/trotzki/1932/wasnun/kap02.htm
11. http://www.arbeitermacht.de/ni/ni197/ukraine.htm
12. http://www.arbeitermacht.de/rm/rm46/ukraine.htm
13. http://www.arbeitermacht.de/ni/ni197/ukraine.htm