Zwischen Scheinlösungen und kapitalistischen Grenzen: Bundesparteitag des BSW
Beim jüngsten Bundesparteitag in Bonn setzte das Bündnis Sahra Wagenknecht auf Friedensrhetorik und bekräftigte ihre rassistische Haltung zur Migration.
Am 12. Januar fand der Bundesparteitag des Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) in Bonn statt. Mit einem Wahlprogramm, das teils populistische, teils nationalistische Positionen umfasst, präsentiert sich die Partei als eine Alternative zu den etablierten politischen Kräften. Wagenknecht, ehemalige Spitzenpolitikerin der Linkspartei, hat sich zunehmend von der traditionellen Linken distanziert und versucht, sich als Stimme der Unzufriedenen und des Mittelstands zu positionieren. Doch die Ansätze der BSW bieten keine Lösungen für die grundlegenden sozialen und politischen Probleme der Arbeiter:innenklasse.
Nichts als billige Reformen für die Wirtschaft
Das BSW verfolgt eine wirtschaftspolitische Ausrichtung, die stark auf die Förderung von kleinen und mittleren Unternehmen und eine „soziale Marktwirtschaft“ setzt. Forderungen wie die Senkung der Energiepreise und die Wiederaufnahme des Gasbezugs aus Russland stehen in ihrem Wahlprogramm an prominenter Stelle. Auch die Abschaffung des CO2-Preises und die Rücknahme von Umweltgesetzen wie dem Verbrenner-Verbot und dem Heizungsgesetz werden als Kernpunkte hervorgehoben. Diese Maßnahmen erscheinen populistisch und adressieren akute Themen wie die Energiekrise, greifen jedoch in ihrer Ausrichtung zu kurz. Eine echte Lösung würde eine umfassende Veränderung der Energieversorgung erfordern, etwa durch die Verstaatlichung der Energiekonzerne und die Finanzierung des Umstiegs auf erneuerbare Energien durch massive Steuern auf Profite und Vermögen. Doch Wagenknecht bleibt in den bestehenden Rahmenbedingungen gefangen und fordert lediglich kosmetische Reformen, die die sozialen Ungleichgewichte stabilisieren könnten, ohne die Machtverhältnisse wirklich herauszufordern.
Das Wahlprogramm des BSW enthält zwar einige Forderungen zur sozialen Gerechtigkeit, die vor allem auf die Entlastung von Geringverdiener:innen abzielen. Eine Bürgerversicherung, die eine umfassende Krankenversicherung für alle Bürger:innen garantiert, sowie die Einführung einer Vollversicherung für Pflegekosten gehören zu den sozialen Kernforderungen. Weitere sozialpolitische Ziele beinhalten einen Mindestlohn von 15 Euro und eine Mindestrente nach 40 Versicherungsjahren. Zugleich macht das BSW in ihrem Wahlprogramm den Anschein, Geflüchtete wären an der Unterfinanzierung des Bürgergelds Schuld. Auch für die Beibehaltung der Sanktionen tritt das BSW ein. Ihr Finanzierungsvorschlag ist eine völlig begrenzte Vermögenssteuer, die laut BSW-Programm erst ab 25 Millionen Euro greifen soll. Das stellt keine fundamentale Umverteilung dar, sondern bleibt eine minimalistische Maßnahme, die den Reichen weiterhin viele Freiräume lässt.
Keine Antwort auf die Klimakrise
Das BSW bietet, wie schon erwähnt, keine tragfähige Antwort auf die Klimakrise. Während die Partei auf die Abschaffung des CO2-Preises setzt und Subventionen für erneuerbare Energien streichen will, fehlen in ihrem Wahlprogramm konkrete Schritte hin zu einer sozial gerechten, klimafreundlichen Wirtschaft. Ihre Antwort auf die Klimakrise beschränkt sich auf eine rein technische Lösung durch die Förderung innovativer Schlüsseltechnologien, anstatt die notwendigen tiefgreifenden Veränderungen in der Wirtschaftsstruktur zu fordern. Eine ernsthafte sozialistische Klimapolitik würde die Verstaatlichung und demokratische Kontrolle über die Energieversorgung und -produktion anstreben und nicht die Aufrechterhaltung des Marktes und die Profitinteressen der großen Konzerne. Das BSW jedoch bleibt in diesem Bereich weit hinter den notwendigen Maßnahmen zurück und scheitert, die Dimension der Klimakrise als Teil des globalen kapitalistischen Systems zu begreifen.
(Unge-)Rechte Haltung zum Thema Migration
Die Migrationspolitik des BSW bleibt ein zentraler, aber auch umstrittener Punkt. Wagenknecht fordert ein Ende der „irregulären Migration“ und eine drastische Einschränkung des Asylrechts. So sollen Personen aus „sicheren Drittstaaten“ vom Asylverfahren ausgeschlossen werden und Asylverfahren sollen künftig außerhalb der EU stattfinden. Anders gesagt: Die Grenzen sollen noch stärker befestigt und militarisiert werden als bisher. Damit setzt das BSW weiterhin tausende Menschenleben aufs Spiel, die jedes Jahr an den EU-Außengrenzen sterben. Wagenknecht bekräftigt die rassistischen Mythen, dass die Migrant:innen für die Haushaltsprobleme der Kommunen verantwortlich seien, und setzt die Spaltung in „gute” und „schlechte” Migrant:innen weiter fort. Eine solche Haltung schwächt die internationale Solidarität, die in der aktuellen globalen Krise von zentraler Bedeutung ist, und lenkt von den eigentlichen Ursachen der Migration ab – den imperialistischen Kriegen und der globalen Ungleichheit.
In der Außenpolitik fordert das BSW einen sofortigen Waffenstillstand im Ukrainekrieg und die Ablehnung von Sanktionen gegen Russland. Diese Forderung beruht allerdings nicht auf einer grundsätzlichen Ablehnung der Aufrüstungsspirale des deutschen Militarismus. Vielmehr argumentiert das BSW, dass eine enge Beziehung zu Russland und eine größere Unabhängigkeit von westlichen Machtzentren langfristig besser für den Wirtschaftsstandort Deutschland seien. Wagenknecht sieht in der Zusammenarbeit mit Russland eine Möglichkeit, die eigene Wirtschaft zu stärken und sich von den geopolitischen Spannungen des Westens zu emanzipieren. Zudem fordert sie eine deutliche Verbesserung der Bundeswehr-Ausstattung und stellt klar, dass die Sicherheit Deutschlands auch eine starke, gut ausgerüstete Armee erfordere. Ihr Fokus liegt dabei auf der pragmatischen Perspektive einer „realistischen“ Außenpolitik, die Deutschland einen stabilen Platz in der internationalen Ordnung sichern soll. Demgegenüber betonen wir klar, dass weder die NATO noch die Unterordnung unter Putin einen Ausweg aus der Spirale der Kriegstreiberei bieten können. Kein Cent für den deutschen Militarismus! Nur eine von beiden Blöcken unabhängige Haltung kann einen progressiven Ausweg für die Arbeiter:innen und die Jugend in der Ukraine und in Russland bieten.
Auf strategischer Ebene offenbart sich das größte Problem der BSW. Ihre Politik ist in keiner Weise darauf ausgerichtet, die Arbeiter:innenklasse oder die Bevölkerung selbst zu mobilisieren und zur Selbstorganisation anzuregen. Mobilisierungen oder Streiks, mit denen die Waffenlieferungen gestoppt, die zukünftige Ausplünderung der Ukraine durch westliche Konzerne verhindert oder die Streichung aller Auslandsschulden erkämpft werden könnten, sind dem BSW völlig fremd. Im Gegenteil, das BSW verfolgt die Perspektive, eine kompetentere Partei in die Regierung zu wählen, die die bestehenden Verhältnisse besser verwalten kann. Sie streben keine umfassende gesellschaftliche Veränderung an, sondern eine Verbesserung des Status quo durch das Einbringen ihrer Forderungen in die politische Mitte. Das BSW möchte eine Regierung mit ihren Ideen und einer vermeintlich „realistischen“ Außenpolitik stellen, ohne jedoch die Menschen in den Kampf für diese Veränderung zu rufen oder sie in einem größeren politischen Prozess zu organisieren.
Im Wahlkampf setzt das BSW auf eine Inszenierung als Friedenspartei, wobei es sich klar von der AfD abgrenzt. Doch diese Abgrenzung bleibt weitgehend taktisch und oberflächlich. Während die AfD mit ihrem rassistischen, nationalistischen und reaktionären Populismus auf Stimmenfang geht, positioniert sich das BSW als vermeintlich „sozialere“ Alternative – macht am Ende aber ebenfalls die Migrant:innen für die soziale Misere verantwortlich und redet damit der AfD nach dem Mund. Demgegenüber müssen wir ganz klar für offene Grenzen und volle Bleibe-, Arbeits- und Staatsbürger:innenrechte für alle Menschen, die hier leben, eintreten, ebenso für die Finanzierung von Infrastruktur und öffentlichem Dienst durch massive Steuern auf Vermögen und Gewinne, statt durch Kürzungen und repressive Asylgesetze.
Parteiinternes Ringen und Probleme der Führung
Der harte Kurs, der eine drastische Einschränkung der Migration und die Abschaffung des Asylrechts für Personen aus sicheren Drittstaaten vorsieht, wurde auf dem BSW-Parteitag also erneut bekräftigt. Allerdings gab es auch hier kritische Stimmen. Einige Mitglieder warfen der Führung vor, mit dieser Linie zu weit zu gehen und die Partei in eine zu populistische Richtung zu führen. Ein weiterer wichtiger Punkt des Parteitags war die Bestätigung von Sahra Wagenknecht als Kanzlerkandidatin für die kommende Bundestagswahl. Gleichzeitig gab es hinter den Kulissen Spannungen bezüglich der stark personalisierten Führung der Partei, die von einigen Kritiker:innen als problematisch angesehen wird. Katja Wolf, eine prominente Vertreterin des BSW, betonte in ihrer Rede, dass die Partei keine „autokratische Struktur“ anstrebe und sich weiterhin entwickle, um in der politischen Landschaft eine breitere Perspektive einzunehmen.
Die internen Spannungen im BSW, etwa die Gründung eines eigenen Landesverbands durch einige Mitglieder ohne Billigung der Bundesführung, werfen jedoch Fragen zur Demokratie innerhalb der Partei auf. Trotz dieser internen Konflikte und sinkender Umfragewerte – aktuell 5 Prozent im ARD-DeutschlandTrend und 4 Prozent im ZDF-Politbarometer – bleibt das BSW optimistisch und setzt auf eine schrittweise Erweiterung seiner Basis, um die kommenden Wahlen erfolgreich zu gestalten.
Das Bündnis von Sahra Wagenknecht verfolgt eine politische Agenda, die zwar Elemente von sozialer Gerechtigkeit und Friedenspolitik betont, jedoch in vielen Bereichen die strukturellen Ursachen der sozialen Ungleichheit und ökologischen Zerstörung nicht angreift. Die Migrations- und Außenpolitik stellen dabei besonders problematische Punkte dar, da sie sowohl auf innenpolitische Spaltung setzen als auch von den wahren Ursachen globaler Konflikte ablenken. Die Partei bleibt trotz ihrer populistischen Ansätze und der scheinbaren Bereitstellung von Antworten auf aktuelle gesellschaftliche Probleme in einem System gefangen, das die grundlegenden Ungleichgewichte weiter zementiert. Ihre strategische Ausrichtung bleibt auf die Hoffnung beschränkt, eine kompetentere Partei in die Regierung zu wählen, ohne die Menschen zu mobilisieren oder zur Selbstorganisierung anzuregen – ganz zu schweigen davon, eine grundlegende Alternative zu Krieg, Krise und Klimakatastrophe anzubieten.