Zweiklassenlohnsystem an der FU Berlin
Während Beschäftigte der FU Berlin wegen zu niedrigen Eingruppierungen, zu langen Schichten und nicht gezahlten tariflichen Zuschlägen protestieren, zahlt die FU 600.000 Euro an Beschäftigte in strategisch wichtigen Positionen aus.
“Ich verlasse die FU […]. Gerne wollte ich länger bleiben, um vieles zu verändern. Aber ehrlich gesagt, halten das meine Nerven nicht aus.”, so zitiert der Personalrat der FU eine Kollegin aus dem Tierklinikbereich. An der “Exzellenz”-Uni in Dahlem besuchten gestern 50 Beschäftigte die Sitzung des Kuratoriums. Sie fordern angemessene Arbeitsbedingungen, insbesondere für die Beschäftigten des Fachbereichs Veterinärmedizin und der Technischen Abteilung.
Der Fachbereich Veterinärmedizin steht vor großen Herausforderungen: Laut dem vorgestellten Konzeptpapier des Fachbereichsvorsitzenden braucht es mehr Beschäftigte und verschiedene Umstrukturierungsmaßnahmen. Eine davon wäre, wenn es nach dem Fachbereichsvorsitzenden geht: eine Dienstvereinbarung für die Arbeitszeitflexibilisierung, reduzierte Ruhezeiten und längere Schichten. Zurecht brach eine wütende Empörung im Sitzungssaal aus, als dies vorgestellt wurde. Schon jetzt sind die Arbeitsbedingungen im Fachbereich Veterinärmedizin untragbar. Die Beschäftigten wandten sich mit einem offenen Brief an den FU-Präsidenten Ziegler. Darin schreiben sie:
Wir wollen in diesem offenen Brief unsere Empörung darüber zum Ausdruck bringen, in welchem Umfang in den vergangenen Jahren Verstöße gegen den rechtskräftigen Tarifvertrag (TV-L) stattgefunden haben und dabei völlig ungeahndet geblieben sind.
Konkret zeigen sie auf, dass ihre Überstunden nicht so vergütet werden, wie es der Tarifvertrag vorschreibt und dass Schichtzulagen nicht gezahlt werden:
Der Tarifvertrag sieht wegen der erheblichen Belastung durch die Wechselschicht eine Vergütung der Pausen vor. Weil der Tierärztin trotz Wechselschicht die Pause nicht vergütet wurde, entsteht ihr im Monat ein Rückstand von ca. 467,40 Euro, in einem Jahr 5608,08 Euro. Allein durch die Wechselschichtzulage und die nicht vergüteten Pausen ist ihr in einem Jahr ein Rückstand von ca. 6868,80 Euro entstanden. Der zusätzliche Urlaubsanspruch von 6 Tagen pro Jahr bei Wechselschichtarbeit und nicht vergütete Überstundenzuschläge kommen noch dazu.
Der Personalrat forderte während der Kuratoriumssitzung, dass es keineswegs eine Dienstvereinbarung brauche, die weiter die Arbeitsbedingungen verschlechtert. Sondern eine, die gute Arbeitsbedingungen zusichert. Neben der Nicht-Einhaltung des Tarifvertrags gehe es auch um Fragen der Arbeitssicherheit, da Arbeitsunfälle gerade an der Veterinärmedizin besonders häufig sind.
Die Doppelmoral der FU-Leitung, die alles auf ein schönes Jubiläumsjahr setzen will, lässt sich an Dreistigkeit kaum überbieten. So sagte der Vertreter des Gesamtpersonalrats, dass in einer Mitteilung der Dienststelle an der Personalrat Dahlem bekannt geworden sei, dass die FU zwischen 2016 und 2022 600.000 Euro an 81 Personen in “strategischen Positionen” durch Entgeltumwandlung von Gleitzeitkonten “zur Auszahlung gebracht” hat. Für ihn ist das eine Ungerechtigkeit, dass die Beschäftigten der niedrigen Lohngruppen ihre tarifkonforme Vergütung einklagen müssen und an anderen Stellen solche zusätzlichen Auszahlungen stattfinden. Er spricht von einem Zweiklassenentlohnungsmodell an der Dahlemer Universität.
Angeblich geht es dem Präsidenten Ziegler nicht darum, Berliner Billig-Tierärzt:innen auszubilden. Doch wieder einmal hat die Universitätsleitung gezeigt, dass die Interessen der Beschäftigten, die das Rückgrat dieser Universität bilden, an letzter Stelle stehen.
Als Studierende müssen wir uns mit den Beschäftigten solidarisieren und ihre Kämpfe unterstützen. Wenn im Herbst die Tarifrunde der Länder ansteht, müssen studentische und nicht-studentische Beschäftigte gemeinsam streiken, unterstützt von allen Studierenden, für eine Uni, die sich wirklich frei nennen kann.