Zum Kampf der Ideologien jenseits der bürgerlichen Restauration

20.10.2024, Lesezeit 90 Min.
Übersetzung:
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El Lissitzky legt den kapitalistischen Wolkenkratzer um: Entwurf für den Wolkenbügel, 1925

Für die Neuaufstellung des sozialistischen Projekts im 21. Jahrhundert sind zwei Aspekte von grundlegender Bedeutung: Rätedemokratie und sozialistische Planung.

Nach dem Fall der Berliner Mauer erschien intensive politische Konfrontation als Zeichen eines endgültig überwundenen „Zeitalters der Extreme“. Die extreme Mitte, wie Tariq Ali sie nannte, übernahm die neoliberalen Demokratien. Der Neoliberalismus wurde – in verschiedenen Nuancen – von einem breiten Spektrum politischer Parteien errichtet, die fast ausschließlich zu lebendigen Toten degradiert waren. Dazu zählten viele, die zuvor sozialreformistisch oder (in peripheren Ländern) bürgerlich-nationalistisch gewesen waren. Chantal Mouffe plädierte damals, inspiriert von Carl Schmitt, dafür, den Begriff des Antagonismus neu zu bewerten, um diese kränkelnden Demokratien wiederzubeleben. Sie argumentierte, dass das Verschwinden des vormaligen Freund-Feind-Gegensatzes zwischen Totalitarismus und Demokratie zu einer tiefgreifenden Destabilisierung der westlichen Gesellschaften führen könnte. Dies war jedoch eine verkürzte Anerkennung der antagonistischen Dimension des Politischen, die sich im Rahmen der bürgerlichen Demokratie in Agonismus verwandelt hatte. Politische Feinde wurden in dieser Vorstellung zu Gegnern, die jenen gemeinsamen Rahmen teilten.

Das Panorama der letzten Jahre scheint sich zunehmend gegen diese Art der Zähmung des Politischen zu wehren. Auf der einen Seite erlebten wir den Aufstieg der so genannten Neuen Rechten auf globaler Ebene. Hand in Hand mit diesem Phänomen ist die Verwendung und der Missbrauch des Begriffs Faschismus in der politischen Alltagssprache zurückgekehrt. Einige Autor:innen, wie Enzo Traverso, bezeichnen ihn als „Postfaschismus“, andere, wie Maurizio Lazzarato, als „neuen Faschismus“. Andererseits haben seit dem Arabischen Frühling 2011 in den verschiedensten Ländern eine Vielzahl von breiten Mobilisierungsprozessen mit unterschiedlichem Grad an Gewalt stattgefunden. Revolten sind zu einem unausweichlichen Teil der globalen Situation geworden. Gleichzeitig hat sich das Phänomen des Krieges seit dem Krieg in der Ukraine im Vergleich zu den vorangegangenen Jahrzehnten verändert und zu einem neuen Niveau der Konfrontation zwischen den Weltmächten geführt. Israels offener Völkermord im Gazastreifen ist sein jüngstes Kapitel und hat das Potenzial, den Nahen Osten zu destabilisieren. Im Gegenzug hat sich eine breite weltweite Bewegung der Solidarität mit dem palästinensischen Volk gebildet. Die Intensität der politischen Konfrontation scheint unaufhaltsam zurückzukehren.

Heute treten die tiefgründigen Tendenzen der imperialistischen Epoche der Kriege, Krisen und Revolutionen, wie Lenin sie nannte, wieder in den Vordergrund.1 Gleichzeitig scheint es, wie Fredric Jameson einmal sagte, immer noch „einfacher zu sein, sich das Ende der Welt vorzustellen als das Ende des Kapitalismus“. Das hat zu einem großen Teil mit der Krise zu tun, in der sich das revolutionär-sozialistische Projekt befindet. Von den wichtigsten Ursachen dafür können wir hier drei hervorheben. Erstens die Diskreditierung durch den Stalinismus und die parasitären bürokratischen Diktaturen der ehemaligen Arbeiter:innenstaaten, die schließlich mit Haut und Haaren zur kapitalistischen Restauration übergingen. Zweitens die Rolle, die die Sozialdemokratie und die verschiedenen bürgerlich-nationalistischen Bewegungen, die im Namen des Sozialismus auftraten, spielten. In vielen Fällen beugten sie sich direkt der neoliberalen Politik. Es gab auch Phänomene wie den Chavismus, der sich selbst als „Sozialismus des 21. Jahrhunderts“ bezeichnete, während es sich in Wirklichkeit um eine bürgerlich-etatistische Strömung handelte, die in ihrer Blütezeit Reibungen mit dem Imperialismus hatte und heute eine aggressive neoliberale Politik verfolgt. Drittens ist zu erwähnen, dass die vier Jahrzehnte der Vorherrschaft des Neoliberalismus nicht spurlos an der Subjektivität der großen Mehrheiten vorbeigegangen sind.

Die Neuaufstellung des sozialistischen Projekts im 21. Jahrhundert hat viele verschiedene Aspekte. Es gibt eine taktische Dimension, die sich darauf bezieht, wie bestimmte Kämpfe geführt werden. Es gibt eine strategische Dimension, die beschreibt, wie die Ergebnisse dieser Kämpfe – Siege oder Niederlagen – für sozialistische Ziele genutzt werden können. Diese Ziele sind in dem revolutionär-sozialistischen Programm zusammengefasst. Sie erschöpfen sich jedoch nicht notwendigerweise in diesem Programm. Selbst das Übergangsprogramm, das von Trotzki ausgearbeitet und von der Vierten Internationale angenommen wurde, war ein Programm, das nur bis zum Beginn der sozialistischen Revolution reichte.2 Es gibt auch eine ideologische Dimension, die die Wiedererschaffung einer sozialistischen Vorstellungswelt impliziert – einer Gesellschaft, die den Horizont der kapitalistischen Barbarei überwindet. Gegenwärtig impliziert dies sowohl eine Untersuchung der Vergangenheit als auch ein Verständnis der Gegenwart und eine Projektion in die Zukunft. In diesen Zeilen wollen wir einige Anmerkungen zur letztgenannten Dimension machen und uns dabei auf zwei Themen konzentrieren, die wir für grundlegend halten: die Rätedemokratie und die sozialistische Planung. Bevor wir darauf eingehen, wollen wir zunächst synthetisch die Koordinaten bestimmen, wie wir hierher gekommen sind und welche die Bedingungen sind – andere als im 20. Jahrhundert –, unter denen der Kampf um die Wiederherstellung des sozialistischen Projekts heute stattfindet.

Zusammenprall der Hegemonien und Zusammenprall der Ideologien

In seiner Interpretation der Gefängnishefte von Gramsci hat Nicola Badaloni die Besonderheit des Kampfes der Hegemonien gegenüber dem allgemeineren Kampf der Ideologien betont. Ersterer drückt eine Gegenüberstellung von Ideologien eines bestimmten Typs aus. Dabei handelt es sich um Ideologien, in denen sich Verhaltensweisen und Weltanschauungen verdichten, die den verschiedenen Produktionsweisen und ihren jeweiligen Realitäten eigen sind. So nimmt ein Zusammenprall von Hegemonien dann Gestalt an, wenn bestehende soziale Beziehungen mit neuen, historisch sichtbar gewordenen Beziehungen verschmelzen. Mit dieser Unterscheidung wollte Badaloni die Besonderheit des Kampfes der Ideologien, der im 20. Jahrhundert mit dem Triumph der Russischen Revolution entstand, als Kampf der Hegemonien hervorheben. Diese Revolution widerlegte den universalistischen Anspruch der Bourgeoisie, die ihre Partikularinteressen als die Interessen der „gesamten Menschheit“ postulierte. Sie legte offen, wie Marx gesagt hatte, dass im Kapitalismus „[d]ie Nutzanwendung des Menschenrechtes der Freiheit […] das Menschenrecht des Privateigentums“ ist. Ein Universalismus, der auch durch die Ausplünderung und Unterdrückung der übrigen Völker der Welt genährt wurde und der unter dem Banner der „Zivilisation“ zum Ersten Weltkrieg geführt hatte. Der bürgerliche Individualismus, der in der elementarsten Darstellung von Marx die ideologische Erscheinung einer unbewussten kollektiven Basis (Kapital) war, ging dazu über, sich an der Regulierungsfähigkeit eines bewusst angenommenen und daher institutionalisierungsfähigen Kollektivismus zu messen.3

Die Zwischenkriegszeit war von Revolutionen geprägt, deren Niederlage die Isolation der russischen Revolution zementierte. Die stalinistische Bürokratisierung der UdSSR und von ihr ausgehend der Kommunistischen Internationale setzten den Kreislauf von Isolation und Niederlage fort. Doch der Kapitalismus war noch lange nicht stabilisiert, und der bürgerliche Individualismus wurde weiterhin auf breiter Front in Frage gestellt. Gramsci und Trotzki analysierten die Notwendigkeit einer groß angelegten Umgestaltung des Kapitals, um seiner Krise zu begegnen. Sie sahen im Faschismus und im Amerikanismus zwei Antworten auf diese Frage. Die Alternative wurde schließlich zu Gunsten der letzteren entschieden. Dies war, wie Trotzki vorausgesehen hatte, nur durch einen neuen Weltkrieg möglich. Gramsci hatte darauf hingewiesen, dass es für die USA aufgrund der Besonderheiten ihrer historischen Entwicklung vergleichsweise leichter war, Produktion und Arbeit zu rationalisieren. Dies führte zu einer besonderen Kombination von Zwang und Überzeugung, bei der hohe Löhne auf der Grundlage eines hohen Produktivitätswachstums und der Massenkonsum die Schlüsselfaktoren waren. Im Amerikanismus „[entsprang] die Hegemonie […] in der Fabrik“, und es bedurfte weniger professioneller Vermittler:innen aus Politik und Ideologie, um sie auszuüben.

Fast spiegelbildlich bemerkte Trotzki in Bezug auf die proletarische Hegemonie in der UdSSR: „Die Arbeiterklasse kann ihre führende Rolle in letzter Linie nicht durch den Staatsapparat, nicht durch die Armee, sondern durch die Industrie, die das Proletariat selbst reproduziert, behalten und befestigen.“4 Doch unter der Führung des Stalinismus wurde der gegenteilige Weg eingeschlagen. Wie er in Verratene Revolution analysierte, wurde dem Proletariat mit der Auflösung der Sowjets und der Etablierung einer neuen bürokratischen Kaste eine Diktatur aufgezwungen. Die Frage der Hegemonie über die Bäuer:innenschaft wurde in den späten 1920er Jahren durch die Zwangsgewalt des Staates „gelöst“. Die Bürokratie untergrub in ein und demselben Streich sowohl die wirtschaftliche Planung als auch das Bewusstsein vom Kollektiven und damit die notwendige Entwicklung eines neuen Individualismus im Rahmen des Kollektivs und der Wiederbelebung der Zivilgesellschaft. Trotzki verband diese Wiederbelebung eng mit der Wiederbelebung der Sowjets als Organe der Selbstbestimmung der Massen.

Nach dem Zweiten Weltkrieg vertieften sich die Gegensätze. In Europa wurden bedeutende Klassenkampfprozesse in Frankreich, Italien und Griechenland umgelenkt oder besiegt. Diejenigen neuen Revolutionen, die triumphierten (China, Indochina usw.), fanden in rückständigen Ländern der kapitalistischen Peripherie statt, wo neue Bürokratien von Anfang an die Kontrolle über den Staat an sich rissen. Sie wurden nach dem Vorbild der stalinistischen UdSSR aufgebaut und setzten in den eigenen Grenzen neue gesellschaftliche Verhältnisse durch, drängten aber nicht auf eine Ausweitung der internationalen Revolution. All dies trug nach und nach zur Gleichsetzung zwischen Kollektivismus und bürokratischem Totalitarismus bei. Der Kampf der Hegemonien ging weiter, aber in einer zunehmend degradierten Form. Die kapitalistische Welt, die gerade ein globales Massaker angerichtet hatte, das von den Bomben auf Hiroshima und Nagasaki gekrönt wurde, antwortete auf die Herausforderung der Revolution mit der Entwicklung des „Wohlfahrtsstaates“. Auf der Grundlage der durch den Krieg verursachten Zerstörungen erlebte sie einen drei Jahrzehnte währenden Wirtschaftsboom, auf dessen Grundlage in verschiedenen Ländern Elemente der staatlichen Planung der kapitalistischen Wirtschaft und im Kontext von Vollbeschäftigung eine Reihe von Arbeits- und Sozialrechten eingeführt wurden. In der Peripherie setzte der Imperialismus mit dem so genannten Prozess der „Entkolonialisierung“ auf die formale Unabhängigkeit vieler Länder, um Aufstände gegen seine Herrschaft zu dämpfen.

Ende der 1960er Jahre war das Experiment des staatlich „regulierten“ Kapitalismus gescheitert. Die Wirtschaftskrise wirkte auf die Finanzkrise zurück und verstärkte den Druck auf die Profitrate. Die Kombination aus globaler Krise und Klassenkampf durchbrach das relative Gleichgewicht, das die gesamte vorherige Etappe des Kalten Krieges gekennzeichnet hatte. Der allgemeine Anstieg des Klassenkampfes erfasste sowohl das kapitalistische Zentrum und die Peripherie als auch die andere Seite des Eisernen Vorhangs. Auf die Niederlage dieses Zyklus folgten die endgültige Krise der UdSSR und der Aufstieg des Neoliberalismus unter Reagan in den USA und Thatcher im Vereinigten Königreich. Die Restauration des Kapitalismus durch die Bürokratie in der UdSSR, in China und in den Staaten, in denen die Bourgeoisie enteignet worden war, führte zu einer globalen Phase der bürgerlichen Restauration.5 Aus dem Zusammenstoß der Hegemonien, der das 20. Jahrhundert geprägt hatte, ging der Kapitalismus siegreich hervor. In diesem neuen Kontext wurden angesichts der endgültigen Krise des vorherigen kapitalistischen Profitschemas und des Rückgangs der Profitrate die Stützmauern des alten Wohlfahrtsstaates abgebaut und die Fesseln der Länder der Peripherie mit dem so genannten „Washingtoner Konsens“ wieder angezogen.

Das Ende dieses Kampfes der Hegemonien6 bedeutete jedoch nicht – und konnte es auch nicht – eine Rückkehr zum Moment des Kampfes der Ideologien vor der Russischen Revolution, sondern vielmehr das Aufkommen des „Einheitsdenkens“ und des „Es gibt keine Alternative“. Wie Perry Anderson in seinem klassischen Leitartikel „Renewals“ feststellte, war das, was folgte, die Konsolidierung und weltweite Verbreitung des Neoliberalismus, der seit den 1930er Jahren als Strömung hinter den Kulissen herangewachsen war. Abgesehen von den Beschränkungen, die seine vollständige Verwirklichung verhinderten – und immer noch verhindern –, gelang es dem Neoliberalismus, seine Grundsätze weltweit durchzusetzen. Er formte, in Andersons Worten, die erfolgreichste Ideologie in der Geschichte der Menschheit.7 Der bürgerliche Individualismus fand ein klares Terrain, um in nie zuvor erreichte Höhen vorzustoßen. Der Neoliberalismus verband sich mit einer Vorstellung von Demokratie, die sich allein durch ihren Gegensatz zum Totalitarismus definiert. Er setzte die Idee der Freiheit mit dem Modell des freien Marktes gleich und stellte sich gegen jede Art von Kollektivismus, der als Staatsgläubigkeit verstanden wurde. Die Idee der Globalisierung diente als Übersetzung der unangefochtenen Vorherrschaft des US-amerikanischen Imperialismus.

Heute befinden sich diese drei Säulen in der Krise. Erstens haben die neoliberalen Demokratien einen zunehmend autoritären Charakter und scheinen angesichts der Widersprüche, die sich durch die heutigen Gesellschaften ziehen, machtlos zu sein. Sie werden vor allem von rechts herausgefordert – der Sturm des US-Kapitols war eines der deutlichsten Symptome –, aber auch durch die Revolten, die im letzten Jahrzehnt in verschiedenen Ländern stattgefunden haben. Zweitens ist die „harmonische“ Globalisierung an ihr Ende gekommen. Die unter der Hegemonie der USA geschaffene globale Integration – die sich derzeit in einer Krise befindet – und die verstärkte Herausforderung dieser Weltordnung durch „revisionistische“ Mächte wie Russland und China prallen aufeinander. Der Krieg in der Ukraine bedeutete die Rückkehr zwischenstaatlicher Kriege mit der Beteiligung von Großmächten auf beiden Seiten (auch wenn die USA und die NATO nur vermittelt eingreifen). Der Handelskrieg und die wachsenden militärischen Spannungen mit China sind ein weiteres Kapitel in diesem Sinne. In jüngster Zeit ist der Völkermord des Staates Israel in Gaza hinzugekommen. Drittens hat die Freiheit des Marktes mit der Krise von 2008 und der massiven Rettung von Banken und Unternehmen, die eine exponentielle Zunahme der weltweiten Ungleichheit mit sich brachte, einen schweren Schlag erlitten. Eine Art Mauerfall an der Wall Street.

Es ist wichtig, diese Elemente der Krise nicht mit einer Abkehr vom Neoliberalismus als solchem zu verwechseln. Natürlich ist seine Vitalität direkt mit der nun schwindenden Hegemonie der USA verbunden. Dem Kapitalismus fehlt heute ein alternatives hegemoniales Projekt, wie es einst der Faschismus oder der Amerikanismus waren. Allerdings ist der Neoliberalismus auch keinem Kampf der Hegemonien ausgesetzt, wie er das 20. Jahrhundert geprägt hat. Daher kann er trotz seines Niedergangs überleben. Die so genannte Neue Rechte vertritt autoritäre Postulate und führt nationalistische Diskurse, obwohl sie an der Peripherie weiterhin hinter dem radikalsten Neoliberalismus steht. Die Diskurse gegen den Sozialismus oder Kommunismus, die sie mit autoritären kapitalistischen Regimen wie dem chinesischen oder venezolanischen identifizieren, versuchen dem neoliberalen Diskurs neues Leben einzuhauchen, indem sie den Kampf der Hegemonien als Karikatur des Kalten Krieges nachahmen. Das bedeutet nicht, dass diese Diskurse im aktuellen Szenario nicht eine gewisse ideologische Kraft haben, aber sie beruhen auf dem Mangel an Alternativen, vor allem auf der anhaltenden Krise des revolutionär-sozialistischen Projekts.

Anders als im 20. Jahrhundert geht es heute nicht mehr um einen Kampf der Hegemonien, sondern um die Abwesenheit von Hegemonien, sowohl in Bezug auf den Sozialismus als auch auf den Kapitalismus selbst. Im Gegensatz zur vorangegangenen Phase der bürgerlichen Restauration eröffnet sich jedoch das Terrain für einen Kampf der Ideologien und damit die Möglichkeit, das sozialistische Projekt in eine materielle Kraft zu verwandeln. Es handelt sich nicht um eine Neuauflage des Kampfes der Ideologien, wie er vor der Russischen Revolution stattgefunden hat, wie einige Teile der US-amerikanischen Linken behaupten, die eine Art Rückkehr zur Sozialdemokratie der Ursprünge befürworten.8 Es ist notwendig, von den Schlussfolgerungen aus dem 20. Jahrhundert auszugehen und die am weitesten fortgeschrittenen Aspekte dieser Erfahrungen aufzugreifen. Die Perspektive eines Sozialismus von unten für das 21. Jahrhundert – im Gegensatz zur stalinistischen Erfahrung – wiederherzustellen, bedeutet, von den gegenwärtigen Realitäten des Kapitalismus, der Arbeiter:innenklasse und der Unterdrückten auszugehen. Nur so kann das revolutionär-sozialistische Projekt als Alternative zur Zivilisationskrise, die uns das kapitalistische System auferlegt, gesehen werden.

Wir werden versuchen, uns einigen Elementen anzunähern, die wir für die Begründung dieser Perspektive als wichtig erachten und die sich um die Themen der Rätedemokratie und der sozialistischen Planung gruppieren. Beide wurden aus der Erfahrung des 20. Jahrhunderts verdrängt und von einem Common Sense verdunkelt, der einen unüberbrückbaren Antagonismus zwischen politischer Demokratie und sozioökonomischer Emanzipation herstellt. Sie sind jedoch nach wie vor von grundlegender Bedeutung für die Wiederbelebung des Projekts eines Sozialismus von unten. Daher ist es notwendig, sie historisch und theoretisch zu untersuchen, um über ihre Aktualität nachzudenken.

Die Thematik der Räte und der konstituierenden Macht in unserer Zeit

Die Annäherung zwischen Liberalismus und Demokratie, die traditionell im Widerspruch zueinander standen, begann in den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts. Damals brachte Alexis de Tocqueville dieses gegenseitige Misstrauen zum Ausdruck: Die Demokratie könne zur Unabhängigkeit und Freiheit der Bürger:innen oder zu ihrer Knechtschaft führen. Es war das Schreckgespenst der vollständigen Durchsetzung des Willens der Mehrheiten. So beendete er sein Werk Über die Demokratie in Amerika, dessen zweiter Teil ursprünglich 1840 veröffentlicht wurde, mit dem Hinweis: „Die Nationen unserer Tage vermögen an der Gleichheit der gesellschaftlichen Bedingungen nichts mehr zu ändern; von ihnen aber hängt es nun ab, ob die Gleichheit sie zur Knechtschaft oder zur Freiheit führt, zu Bildung oder Barbarei…“9. Danach fanden die Revolutionen von 1848 statt, aber erst die Pariser Kommune von 1871 sollte den liberalen Parlamentarismus zwingen, seine Wähler:innenbasis endgültig zu verbreitern. Zuvor war diese durch verschiedene Formen des Zensuswahlrechts nach Eigentum, Bildung usw. begrenzt, welche die Homogenität der von den Parlamenten vertretenen Interessen garantierten. Die rationale Diskussion verlieh dem Gesetz damals seine Legitimität als Ausdruck eines „allgemeinen Interesses“, das auf die Interessen der Bourgeoisie zugeschnitten war. Mit dem Aufkommen der Massenpolitik geriet diese Legitimität in eine Krise.

Die Verankerung der Idee der Volkssouveränität als Mittel zur Legitimierung der Demokratie brachte einen Widerspruch mit sich, den die herrschenden Klassen bis heute nicht auflösen konnten. Eine uneingeschränkte Volkssouveränität war für die bürgerliche Gesellschaft immer potenziell gefährlich, da sie theoretisch ihren Grundpfeiler, das Privateigentum an den Produktionsmitteln, in Frage stellen könnte. Mit dem Aufkommen der Massenpolitik und der weit verbreiteten Entstehung von Arbeiter:innenparteien und Gewerkschaften verschärfte sich das Problem des Umgangs mit der arbeitenden Bevölkerung. Wie Gramsci feststellte, veränderten die Teile der Gesellschaft, die zuvor keine Beteiligungsmöglichkeiten hatten, allein durch die Tatsache, dass sie sich zusammenschlossen, die politische Struktur der Gesellschaft.10 Die Antwort der Bourgeoisie bestand darin, den Raum in der Zivilgesellschaft zu besetzen, den der klassische Liberalismus unbewacht gelassen hatte, und einen „integralen Staat“ (Diktatur + Hegemonie11) zu schaffen. Es ging nicht mehr darum, auf den Konsens zu hoffen, sondern ihn durch die Verstaatlichung der Organisationen der Arbeiter:innen- und Massenbewegung und die Entwicklung von Bürokratien in ihnen zu organisieren und ihre Anführer:innen zu assimilieren, damit sie an der Aufrechterhaltung der Ordnung (durch Überzeugung oder Korruption) mitwirken. Diesen Prozess beschrieb Gramsci als „Transformismus“.

Der Ausbruch der Russischen Revolution und ihr Einfluss auf Westeuropa brachten den Widerspruch, den die Massenpolitik aufwarf, auf eine neue Ebene. Carl Schmitt war einer der Ideologen, die dieses Problem vom bürgerlichen Standpunkt aus am deutlichsten erfassten. Mit dem Begriff der „souveränen Diktatur“ thematisierte er den Übergang von der Volkssouveränität zur Diktatur des Proletariats. Die Sowjets oder Räte entstanden als politische Form einer neuen konstituierenden (verfassungsgebenden) Gewalt, als Ausdruck einer Volkssouveränität, die die bürgerliche Struktur des Volkes durchbrach, indem sie die Arbeiter:innenklasse in den Mittelpunkt stellte. Organe dieser Art entwickelten sich nicht nur in Russland, sondern auch in Deutschland mit den Räten der Revolution von 1918, in Italien mit den Fabrikräten während des biennio rosso, in Großbritannien mit den Shop Stewards Committees usw. Diese Tendenz zur Entstehung von Organen der Selbstorganisation, in denen die Arbeiter:innenklasse im Mittelpunkt steht, drückte sich in allen wichtigen Prozessen des Klassenkampfes im 20. Jahrhundert aus.

Somit lassen sich zwei gegensätzliche Tendenzen voneinander abgrenzen. Die erste ging in Richtung der Autonomie der Arbeiter:innenklasse, die zweite in Richtung der Verstaatlichung ihrer Organisationen. Zwischen den beiden zeichnete sich ein echter „Stellungskrieg“ ab – der auch Bewegungen einschloss, die für den „Bewegungskrieg“ charakteristisch sind. Hier bereiteten sich die entscheidenden Auseinandersetzungen zwischen den Klassen vor, in denen die Bourgeoisie versuchte, die Massenbewegung zu verstaatlichen und ihre Anführer:innen zu assimilieren, während die Arbeiter:innenklasse ständig danach strebte, sich unabhängig vom kapitalistischen Staat zu entwickeln, und gegen den Transformismus kämpfte. In diesem Rahmen wurde der Kampf für die Entwicklung von Räten noch komplexer, insofern sie als unabhängige, nicht von der Bürokratie kontrollierte Organe entstehen sollten, die in der Lage sind, die verschiedenen Sektoren der Arbeiter:innenklasse und ihre zahlreichen Verbündeten miteinander zu verbinden. Zugleich sollten sie das Soziale mit dem Politischen verknüpfen, um zu verhindern, dass sich die Bewegung auf partielle Kämpfe und Wahlbeteiligung beschränkt. Der Aufbau von eigenen Strömungen einer revolutionären Partei innerhalb der Massenorganisationen ist dafür unerlässlich.

Die Sowjets oder Räte sind jedoch kein mysteriöses Gebilde, sie sind Organe der Einheitsfront der Massen, das heißt das Produkt der Vereinigung der Arbeiter:innenklasse und ihrer Verbündeten im Kampf gegen das Kapital. Sie sind Institutionen, die in der Lage sind, die verschiedenen Forderungen und Kampfformen zu harmonisieren. Sie bringen alle Vertreter:innen der mobilisierten Gruppen zusammen und sind nicht a priori an ein Programm gebunden. Sie öffnen ihre Tore für alle Ausgebeuteten und ihre Organisation wird von der Bewegung ständig erneuert. Alle politischen Strömungen der arbeitenden Bevölkerung können auf der Grundlage der breitesten Demokratie in ihrem Innern um die Führung werben.12 Während eines Großteils des 20. Jahrhunderts waren jedoch die Hauptströmungen der Arbeiter:innenbewegung den Räten gegenüber feindlich eingestellt. Sie wurden in allen Ländern, angefangen mit Deutschland, von der Sozialdemokratie bekämpft. Die stalinistische Bürokratie zerschlug sie im Innern der UdSSR. Außerhalb ihrer Grenzen strich sie sie aus ihrer Strategie, zunächst mit der ultralinken Politik der “Sozialfaschismusthese” – die jede Verbindung mit den sozialdemokratischen Arbeiter:innen ablehnte – und dann mit der Politik der Volksfronten, die die Arbeiter:innenorganisationen der Bourgeoisie unterordnete. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts taten dies auch die militaristischen Strategien des Maoismus und die Guerillaströmungen, die die Räte durch Parteien in Form einer Volksarmee ersetzten.

In diesem feindseligen Szenario waren die Tendenzen zur Bildung von Organen der Selbstorganisation im Sinne von Räten jedoch noch lange nicht verschwunden. In der spanischen Revolution selbst, auf dem Höhepunkt der Volksfrontpolitik nach der Erhebung Francos, unternahm die Arbeiter:innenklasse die Gründung zahlreicher Organe, welche die öffentliche Ordnung, die Kontrolle der Versorgung, die Kontrolle der Unternehmen, die lokale Macht und die Justiz (lokale Komitees, Kontrollpatrouillen, Versorgungskomitees, Revolutionstribunale) übernahmen.13 Obwohl sie sich nicht durchsetzen konnten, brachten sie in Ansätzen eine neue Institutionalität zum Ausdruck, die parallel zu der des republikanischen Staates verlief. Diese Tendenzen kamen in verschiedenen revolutionären Prozessen ebenfalls wieder zum Vorschein. So in der bolivianischen Revolution von 1952 erst rund um die COB (Dachverband der bolivianischen Gewerkschaften, Anm. d. Red.) und zwei Jahrzehnte später in der Volksversammlung. In der ungarischen Revolution von 1956 gegen die stalinistische Bürokratie entwickelte sich ein ganzes Netz von Arbeiter:innen- und Bäuer:innenräten. In der portugiesischen Revolution von 1974 entstanden Fabrik-, Mieter:innen- und Soldat:innenkomitees. In der iranischen Revolution von 1979 gab es die Shoras, in Chile ab 1972 die Cordones Industriales. All diese Erfahrungen haben die Macht der Räte nicht voll entfaltet, aber sie haben gezeigt, wie beständig die Tendenz zu ihrer Entstehung war, auch ohne dass irgendeine der wichtigsten politischen Strömungen strategisch auf sie gesetzt hätte.

Mit dem Beginn der Periode der bürgerlichen Restauration verschwanden die großen bürokratischen sozialdemokratischen, kommunistischen und bürgerlich-nationalistischen Apparate, die sich diesen Tendenzen zur Selbstorganisation entgegengestellt hatten, von der Bildfläche oder wurden zu bloßen Schatten dessen, was sie im 20. Jahrhundert gewesen waren. Aber auch die Tendenzen zur Entwicklung der Räte verloren ihr natürliches Umfeld: Die historische Niederlage am Ende des letzten Jahrhunderts eröffnete eine Periode von Jahrzehnten ohne Revolutionen. In dieser Zeit veränderte sich die Physiognomie der Arbeiter:innenklasse gewaltig. Sie durchlief einen tiefgreifenden Prozess der Fragmentierung mit vielfältigen Formen der Prekarisierung der Arbeit. Die Gewerkschaften blieben trotz ihres Rückschritts die wichtigsten Organisationen der Arbeiter:innenklasse, wobei ihre Verstaatlichung einen neuen Schub erfuhr. Die Bürokratien ließen wichtige Teile der Arbeiter:innenklasse (prekär Beschäftigte und Arbeitslose) außerhalb der Gewerkschaften. Es entstanden die „neuen sozialen Bewegungen“, die ebenfalls einen umfassenden Prozess der Verstaatlichung durchliefen, sei es vermittelt durch NGOs oder durch direkte Anbindung an den Staatsapparat. Mit anderen Worten: Der „integrale Staat“ veränderte seine Physiognomie, behielt aber seine wesentliche Funktion bei, den Konsens für die herrschenden Klassen zu organisieren.

Parallel zu diesem Prozess dehnte sich die Arbeiter:innenklasse jedoch global so aus wie nie zuvor in der Geschichte, indem sie Hunderte Millionen Lohnabhängige in ihre Reihen aufnahm. Die Arbeiter:innenklasse in der Industrie ging im Vergleich zum Dienstleistungsbereich zurück, konzentrierte sich aber gleichzeitig in anderen Bereichen (Logistik, Transport usw.) und vervielfachte ihre „strategischen Positionen“14. Sie wurde heterogener, viel weiblicher, migrantischer und multiethnischer, was ihr eine viel größere Fähigkeit zur potentiellen hegemonialen Artikulation gegenüber wichtigen Bewegungen verlieh, die an Stärke gewannen, angefangen bei der Frauen- und LGBTQ+-Bewegung, aber auch der antirassistischen Bewegung oder der Umweltbewegung. Die Tatsache, dass die Mitglieder der Arbeiter:innenklasse im Schnittpunkt vieler dieser Bewegungen stehen, verleiht ihr ein sehr bedeutendes hegemoniales Potenzial. Gleichzeitig hat der Prozess der Urbanisierung viele ihrer Verbündeten näher zusammengebracht. Die große aktuelle Frage ist, wie man diese Vielfalt an Kampfformen und Bewegungen artikulieren kann, damit sie nicht in korporatistischen Kämpfen verschwimmen oder am Ende vom „integralen Staat“ selbst artikuliert werden.

Es ist daher entscheidend, sich zu fragen, ob die kapitalistische Entwicklung der letzten Jahrzehnte mit den neuen Merkmalen, die die Arbeiter:innenklasse angenommen hat, und die Entwicklung dieser verschiedenen Bewegungen die Bedeutung der Thematik der Räte schmälern oder nicht. Wir glauben nicht, dass dies der Fall ist. Im Gegenteil, die gegenwärtige Zersplitterung und Heterogenität der Arbeiter:innenklasse, die Vielfalt der Bewegungen und Kampfformen, entsprechen dem Wesen der Räte als politische Form. Dass diese Heterogenität nicht um einen Klassenkern artikuliert werden konnte, wie er den Räten eigen ist, war eine der Hauptursachen dafür, dass sich die Energie der Massenbewegung in den Dutzenden von Aufständen des letzten Jahrzehnts in ihr selbst erschöpfte oder in die bürgerlichen Regime kanalisiert wurde und die Entwicklung neuer revolutionärer Situationen verhinderte. Gerade die größere Komplexität und Vielfalt der soziopolitischen Strukturen und der Verflechtung der Klassen macht die Frage der Räte erst richtig reif. Nicht nur als Instrumente des Kampfes, sondern auch als Institutionen einer neuen Art von Demokratie als Alternative zur bürgerlichen Demokratie.

Räte als Alternative zum Etatismus und zur kapitalistischen Demokratie

In seiner Analyse des Aufstiegs des Thatcherismus in den 1980er Jahren argumentierte Stuart Hall, dass die Kraft des antistaatlichen Diskurses der neoliberalen Rechten auf zwei Phänomenen beruhte. Zum einen auf der Übernahme des kapitalistischen Etatismus durch die Labour Party und Teile der britischen Linken. Zum anderen die Erfahrung des „real existierenden Sozialismus“, in dem der Staat nicht allmählich verschwand, sondern zu einer gigantischen, bürokratischen und totalitären Macht wurde, die im Namen des Volkes die Zivilgesellschaft verschlang. Die reformistische Gegenposition zwischen der Logik des Marktes und der Logik des (bürgerlichen) Staates als Garant bestimmter sozialer Bedürfnisse und Rechte hatte sich mit dem Zerfall des Wohlfahrtsstaates selbst erschöpft. Die Bürger:innen waren zu passiven Kund:innen geworden, die von der Bereitschaft des Staates abhängig waren, ihnen Rechte zu gewähren.15 Die neoliberale Rechte stellte also die Idee der Freiheit, verstanden als „Marktfreiheit“, dem Etatismus entgegen und setzte letzteren mit „dem Kollektiven“ im Allgemeinen gleich.

Es ist nicht schwer, dieses von Hall aufgeworfene Schema auf aktuelle Erfahrungen zu übertragen. Das Fehlen einer klaren linken Alternative zu diesem Dilemma ist unseres Erachtens eng mit dem Rückzug aus der Rätefrage verbunden. Dies hat eine wichtige theoretische Dimension für den revolutionären Marxismus, die sich auf die politischen Formen bezieht, mit denen der Übergang von der kapitalistischen Gesellschaft zur sozialistischen Gesellschaft konzipiert werden kann. Nach der Pariser Kommune hatten Marx und Engels bereits erwogen, das Kommunistische Manifest dahingehend zu „[ver]bessern“, dass „die Arbeiterklasse nicht die fertige Staatsmaschine einfach in Besitz nehmen und für ihre eigenen Zwecke in Bewegung setzen kann“16. Es ging nicht einfach darum, einen Staat durch einen anderen zu ersetzen, sondern einen bestimmten Typus von Staat, oder „Halbstaat“, wie Engels es ausdrückte, zu schaffen, der nach seinem eigenen Absterben strebt. Das heißt, dass er durch das Verschwinden der Klassenspaltung in einem Prozess des Übergangs zum Sozialismus nach und nach von der Zivilgesellschaft selbst absorbiert wird.

Die Räte sind die politische Form, die diese Übernahme staatlicher Funktionen durch die Zivilgesellschaft im Übergang zum Sozialismus institutionell zum Ausdruck bringen kann. Sie sind der Weg, um die Trennung zwischen Herrschenden und Beherrschten zu durchbohren. Sie sind Ausdruck der Übergangsformen politischer Macht, die in der Lage sind, das Absterben des Staates konkret vorzubereiten. Im Allgemeinen geht das Thema der Räte über den Marxismus selbst hinaus. Selbst eine liberale Theoretikerin wie Hannah Arendt wies darauf hin, dass „[s]eit den Revolutionen des 18. Jahrhunderts […] eigentlich jede größere Umwälzung im Ansatz eine Staatsform entwickelt , die unabhängig von allen Theorien unmittelbar aus der Revolution selbst sich ergab, nämlich aus der Erfahrung des Miteinander-Handelns und aus dem Mitbestimmen-Wollen. Diese neue Staatsform ist das Rätesystem“17. Das Besondere an der Rätethematik im Marxismus, das sie von Entwicklungen wie der von Arendt unterscheidet, ist, dass sie die Möglichkeit der Integration von „Freiheit“ und „Notwendigkeit“ aufwirft. Das heißt, dass die öffentlichen Angelegenheiten die rationale Planung wirtschaftlicher Ressourcen zur Befriedigung gesellschaftlicher Bedürfnisse beinhalten. Wir werden später darauf zurückkommen.

Beim Vergleich von Rätedemokratie und bürgerlicher Demokratie müssen wir von zwei wesentlichen Unterschieden ausgehen, die über das politische Regime hinausgehen und mit dem Klassencharakter des Staates, mit dem Unterschied zwischen einem Arbeiter:innenstaat und einem kapitalistischen Staat zusammenhängen. Der erste Unterschied betrifft die Ersetzung der gesonderten bewaffneten Einheiten, mit denen sich die Bourgeoisie das Gewaltmonopol sichert (Armee, Polizei, Gendarmerie usw.), durch die Bewaffnung des Volkes. Letztere entstammt den Forderungen der bürgerlichen Revolutionen, erhält aber vom Standpunkt der sozialistischen Revolution aus einen spezifischen Inhalt, der mit dem Gewaltmonopol der Arbeiter:innenklasse und der Gesamtheit der Ausgebeuteten verbunden ist. Der zweite wesentliche Unterschied hängt mit der Umwälzung der Eigentumsverhältnisse zusammen. Der neue Arbeiter:innenstaat gründet sich auf das gesellschaftliche Eigentum an den Produktionsmitteln. Dennoch ist es möglich, die politischen Formen der bürgerlich-demokratischen Regime mit denen der Rätedemokratie zu vergleichen, um einige grundlegende Kerne zu identifizieren, die sie unterscheiden.

Einer der bekanntesten Aspekte von Marx‘ Analyse der Pariser Kommune ist seine Kritik an der Gewaltenteilung (Exekutive, Legislative und Judikative). Er schrieb ihr einen fiktiven Charakter zu, der historisch zu einer fortschreitenden Machtkonzentration in den Händen der Exekutive führte, die sich in Krisenzeiten noch verschärfte. In Präsidialregimen sei der Präsident quasi ein Ersatz für den konstitutionellen Monarchen. Im Falle der USA berief sich Alexander Hamilton auf die Figur des römisch-republikanischen Diktators, um die Notwendigkeit einer starken Ein-Mann-Präsidentschaft zu begründen.18 Die „oberen Kammern“ oder Senate fungierten in dieser Sicht als Kontrollkammern gegenüber den Parlamenten mit einer breiteren Wähler:innenbasis, als Absicherung gegen den Willen des Volkes in der Legislative. Die Judikative proklamiert demgegenüber ihre tatsächliche „Unabhängigkeit“ von der Volksabstimmung. Sie ist als „Gegenmehrheitsmacht“ konzipiert. Das gesamte System der „checks and balances“ zielt darauf ab, grundlegende Entscheidungen zu verhindern, die die Interessen der herrschenden Klassen beeinträchtigen könnten. Klassisch ausgedrückt: Es dient dazu, die Volkssouveränität zu begrenzen.

Marx schrieb damals weder eine staatsrechtliche Abhandlung noch eine Geschichte des öffentlichen Rechts; es ging ihm darum, der bürgerlichen Republik die Kommune als politische Form entgegenzusetzen. Dem Prinzip der Gewaltenteilung stellte er eine „arbeitende Körperschaft“ entgegen, „vollziehend und gesetzgebend zu gleicher Zeit“. Dieser Aspekt ist für das Verständnis des Themas der Räte von zentraler Bedeutung. Der Begriff „arbeitende Körperschaft“ impliziert, dass dieselbe Versammlung, wie im Falle der Kommune, nicht nur gewählt wird, um zu diskutieren, sondern auch, um ihre eigenen Beschlüsse auszuführen. Dies ist ein unverzichtbares Prinzip für die Rätedemokratie, denn sie hat weitaus umfassendere Regierungsfunktionen als jede bürgerliche Demokratie. Sie beschränkt sich nicht auf die Festlegung der politischen Leitlinien des Staates, sondern schließt die demokratische Planung der Wirtschaft ein. In der bürgerlichen Republik wird die Wirtschaft willkürlich von den Eigentümer:innen der Produktionsmittel kontrolliert und organisiert; der Teil der Wirtschaft, der von den gewählten Vertreter:innen abhängt, beschränkt sich bestenfalls auf die Budgetierung des Staatshaushalts. Was die Justiz betrifft, so ist die Vereinheitlichung der Gewalten nicht vollständig; in der Rätedemokratie bleibt sie getrennt, verliert aber ihre Unabhängigkeit von der Abstimmung und der Beteiligung des Volkes.

Ein weiterer zentraler Punkt ist die Rechenschaftspflicht gegenüber den Wähler:innen und die jederzeitige Abwählbarkeit aller Amtsträger:innen. Dies allein stellt ein ganz anderes Prinzip dar als das der bürgerlichen delegativen Demokratie. In letzterer ergibt sich, zumindest theoretisch, die legitime Autorität aus der allgemeinen Zustimmung derjenigen, über die sie ausgeübt werden soll. Dieses Prinzip zog sich durch die bürgerlichen Revolutionen, die englische, französische und amerikanische. Die Masse der Bürger:innen ist in erster Linie eine Quelle der politischen Legitimität und keine Gesamtheit von Personen, die zur Teilnahme an der Regierung aufgerufen sind. Ihr Recht ist das Recht auf Zustimmung zur Macht. Die Meinungsfreiheit, damit die Stimme des Volkes die Regierenden erreichen kann, erscheint als schlechter Ersatz für das fehlende Weisungsrecht, das Gegenstück zur Unabhängigkeit der Repräsentant:innen von den Repräsentierten. Die Wahlen können nur dazu dienen, ein bereits ausgeführtes Verhalten zu sanktionieren oder abzulehnen. Das für die Rätedemokratie konstitutive Prinzip der jederzeit verantwortlichen und abrufbaren Vertreter:innen bedeutet, dass der Einfluss der Vertretenen über dieses nachträgliche Urteil hinaus ausgedehnt wird, um ihnen die Befugnis zu geben, das zu verfolgende Vorgehen selbst zu bestimmen. Mit anderen Worten, sie zielt darauf ab, die Kluft zwischen Vertreter:innen und Vertretenen selbst zu verringern und einen Weg zu ihrer Überwindung zu finden. Damit kongruent beruht die Rätedemokratie auf dem egalitären Prinzip der Abschaffung der Privilegien der Beamt:innen und einem Gehalt, das dem eines:einer jeden Arbeiter:in entspricht.

Ausgehend von den Unterschieden, die wir bisher aufgezeigt haben, übte Trotzki 1934 eine Kritik an der institutionellen Struktur der Dritten Französischen Republik, die wichtige Elemente für diese Überlegungen liefert. Darin definierte er einige der Beobachtungen von Marx neu, um mit einer Reihe von programmatischen Vorschlägen ein alternatives Regime zu skizzieren. Die Abschaffung des Senats und des Präsidenten der Republik und die Einrichtung einer einzigen Versammlung, die legislative und exekutive Befugnisse in sich vereint und deren „Mitglieder […] für zwei Jahre durch allgemeines Stimmrecht ab 18 Jahren, ohne Diskriminierung von Geschlecht oder Nationalität, gewählt werden [sollen]. Die Abgeordneten sollen auf der Basis örtlicher Versammlungen gewählt werden, jederzeit durch ihre Wähler abberufbar sein und das Gehalt eines Facharbeiters erhalten.“ Dies war nicht das Programm einer Räterepublik, sondern ein radikaldemokratisches Übergangsprogramm, um sich mit den reformistischen Arbeiter:innen gegen die bonapartistischen Tendenzen des Regimes zu verbünden, unter der Prämisse, dass „[e]ine freigiebigere Demokratie […] den Kampf für die Arbeitermacht erleichtern“ würde.19

Es ist hervorzuheben, dass Trotzkis Ansatz, die Wahl der Abgeordneten auf der Grundlage lokaler Versammlungen durchzuführen, auf den jakobinischen Konvent von 1793 Bezug nimmt. Damals lösten sich viele dieser Versammlungen nach der Wahl nicht auf und spielten eine aktive Rolle im politischen Prozess. Hier ist ein weiteres zentrales Merkmal der Rätedemokratie skizziert: die Schaffung von Mitteln zur Erleichterung der aktiven und direkten Beteiligung der Arbeiter:innen und der armen Massen an öffentlichen Angelegenheiten. Wie Lenin in Staat und Revolution dargelegt hat, besteht das Ziel der Rätedemokratie darin, dass die Mehrheit der Arbeiter;innen irgendwann zu Amtsträger:innen wird. Oder wie Gramsci es ausdrückte: „Der Konsens wird als permanent aktiv vorausgesetzt, bis zu dem Punkt, daß die Konsensbekundenden als ‚Funktionäre‘ des Staates angesehen werden können und die Wahlen als eine Weise freiwilligen Sich-Einschreibens von Staatsfunktionären eines bestimmten Typs, der in gewissem Sinn (auf verschiedenen Ebenen) mit self-government in Verbindung gebracht werden könnte.“20 Das heißt, diese Demokratie beschränkt sich weder auf die Zustimmung der Mehrheit noch auf das Recht, Vertreter:innen abzuberufen, sondern hängt auch von der Fähigkeit der demokratischen Institutionen des Arbeiter:innenstaates ab, dass die größtmöglichen Kontingente der Massenbewegung sich in den Positionen von „Regierenden“ und „Regierten“ abwechseln können. Das Ziel wäre es, die fortschreitende praktische Vermischung der beiden Positionen zu erreichen.

Mit anderen Worten, es geht darum, einen Weg der Entprofessionalisierung und der Verbreitung der politischen Tätigkeit zu beschreiten. Wenn man dies mit einem der klassischen demokratischen Prinzipien in Verbindung bringen würde, dann wäre es vor allem das der isegoria, also das gleiche Recht der Bürger:innen, in der Versammlung zu sprechen. Anders als in der antiken Demokratie steht dieses Prinzip im Marxismus natürlich in direktem Zusammenhang mit der Verbreitung der materiellen Bedingungen für seine Ausübung. Eine grundlegende Garantie für diese Art von isegoria in einem Arbeiter:innenstaat wäre, wie Lenin hervorhob, „dadurch gesichert, daß der Sozialismus den Arbeitstag verkürzen, die Massen zu einem neuen Leben emporheben und die Mehrheit der Bevölkerung in Verhältnisse versetzen wird, die allen ohne Ausnahme gestatten werden, ‚Staatsfunktionen‘ auszuüben. Das aber führt zum völligen Absterben jedweden Staates überhaupt.“21

Durch die Gesamtheit dieser Mechanismen versucht die Rätedemokratie, einen unendlich engeren, organischeren und ehrlicheren Kontakt mit der Mehrheit der arbeitenden Bevölkerung herzustellen als jede parlamentarische Institution. Ihr wichtigstes Merkmal ist es, nicht statisch eine Mehrheit, die alle zwei, vier oder mehr Jahre ratifiziert wird, abzubilden, sondern sie dynamisch zu formulieren. Aus diesem Grund ist sie potenziell in der Lage, die Unmöglichkeit der Mechanismen von Justiz und Parlament, die konstituierende Macht der Mehrheiten in Momenten revolutionärer Veränderungen auszudrücken, zu überwinden. Trotzki formulierte diese organische und dynamische Beziehung folgendermaßen:

Der Sowjet umfaßt Arbeiter aller Unternehmungen, aller Berufe, aller Stufen kultureller Entwicklung, aller Grade politischer Erkenntnis […]. [D]ie Sowjets [sind] ein unersetzlicher Apparat der Proletarierherrschaft, weil ihr Rahmen elastisch und biegsam ist, so daß nicht nur soziale, sondern auch politische Veränderungen im gegenwärtigen Verhältnis der Klassen und Schichten im Sowjetapparat unverzüglich Ausdruck finden können. Mit den größten Betrieben beginnend, ziehen die Sowjets dann die Arbeiter der Werkstätten und die Handelsangestellten in ihre Organisation hinein, greifen aufs Dorf hinüber, organisieren die Bauern gegen die Gutsbesitzer und dann die unteren und mittleren Schichten der Bauernschaft […].22

Unabhängig von der spezifischen historischen Verkettung, auf die Trotzki in Bezug auf das revolutionäre Russland hinweist, sind wir hier daran interessiert, das Konzept hervorzuheben, das er zum Ausdruck bringt. Diese „elastische und biegsame“ Struktur ermöglicht es dem Rätesystem, sich entsprechend der Ausweitung oder Verringerung der vom Proletariat und der Massenbewegung errungenen gesellschaftlichen Positionen auszudehnen oder zu schrumpfen. Sie sind die Institutionen, die am besten geeignet sind, die soziale Revolution in ihrer inneren Dynamik, in ihren Fehlern und Erfolgen demokratisch zu verwirklichen. Sobald sich aber die Fortschritte beim Übergang zum Sozialismus konsolidiert haben – eine Etappe, die in der UdSSR durch die stalinistische Bürokratisierung blockiert wurde –, hat die Sowjetdemokratie die Fähigkeit, sich auf die gesamte Bevölkerung auszudehnen, wodurch sie ihren im engeren Sinne regierenden Charakter verliert und auf diese Weise zu einem mächtigen Instrument der Kooperation von Produzen:tinnen und Verbraucher:innen wird.

Mit all diesen Merkmalen steht die Rätedemokratie im Gegensatz zu den auf dem allgemeinen Wahlrecht basierenden Institutionen, die sich ausschließlich auf die formale Gleichheit der atomisierten Staatsbürger:innen berufen. Wie Ellen Meiksins Wood zusammenfasste, wirkt die Trennung zwischen Staatsbürger:innenstatus und Klassenposition in der kapitalistischen Demokratie in zwei Richtungen:

[E]inerseits ist das Recht auf Staatsbürgerschaft nicht durch die sozioökonomische Stellung determiniert – und in diesem Sinne kann Kapitalismus neben formaler Demokratie existieren – , andererseits wirkt die bürgerliche Freiheit nicht direkt auf die Klassenungleichheit, und die formale Demokratie lässt die Klassenausbeutung grundsätzlich intakt.23

Dies ist die unüberwindbare Grenze von Institutionen, die auf der formalen Gleichheit der Bürger:innen basieren, für jede Art von Übergang zum Sozialismus. Und hier ist es wichtig, eine häufige Verwirrung auszuräumen. Der Unterschied zwischen den Wahlmechanismen der Institutionen der bürgerlichen Demokratie und denen der Rätedemokratie besteht nicht darin, dass die eine die „allgemeine“ Stimme zum Ausdruck brächte und die andere nicht. Jede Demokratie, als ein Regime der Klassenherrschaft, basiert auf Ausschluss. In der bürgerlichen Demokratie ist der typische Ausgeschlossene der Ausländer, denn sie beruht auf einer nationalistischen Auffassung von Demokratie. Man braucht sich nur die Realität der wichtigsten bürgerlichen Demokratie auf dem Planeten, der USA, anzusehen, wo Millionen von Migrant:innen, die auf US-amerikanischem Boden arbeiten, aus diesem Grund vom Wahlrecht und der Staatsbürger:innenschaft ausgeschlossen sind. Hinzu kommt, dass der US-amerikanische Föderalismus es ermöglicht, das Wahlrecht auf bundesstaatlicher Ebene zu beschneiden und Wahlen willkürlich zu organisieren (willkürliche Verteilung der Wahllokale, „Streichung“ von Wähler:innen, willkürliche Festlegung der Wahlbezirke) und mehr als 21 Millionen (nicht-ausländische) Staatsbürger:innen vom „allgemeinen Wahlrecht“ auszuschließen, weil sie nicht im Besitz der für die Wahl erforderlichen Dokumente sind. Der Unterschied zur Rätedemokratie besteht darin, dass der Ausschluss klassenbasiert ist. Als Arbeiter:innenrepublik können die Räte – müssen aber nicht, je nach Kräfteverhältnis – eine Einschränkung der politischen Rechte für die ehemalige Klasse der Ausbeuter:innen vorschlagen. Im Falle einer sozialistischen Revolution in den USA würde dies sicherlich einen unendlich kleineren Teil betreffen als die heute Ausgeschlossenen.

Was die Festlegung der Wahlgrundlage betrifft, auf der sich die Vertretung konstituiert, so gibt es einen sehr wichtigen konzeptionellen Unterschied zwischen der bürgerlichen delegativen Demokratie und der Rätedemokratie. In ersterer beruht die Wahl auf einem ausschließlich territorialen Kriterium, das als solches sein entscheidendes Merkmal in der mehr oder weniger willkürlichen Festlegung von Wahlkreisen und Wahlbezirken hat, die mit den internen politischen Unterteilungen jedes Staates verbunden sind. Während die „staatsbürgerliche“ Abstimmung im Allgemeinen dadurch gekennzeichnet ist, dass die Arbeiter:innenklasse in der Gesamtbevölkerung verwässert wird, sind die territorialen Wahlkreise der bürgerlich-demokratischen Regime im Besonderen häufig so gestaltet, dass das politische Gewicht der Konzentration der Arbeiter:innen in den Städten weiter verwässert wird. Diese Art der Organisation der Repräsentation steht im Einklang mit der Trennung zwischen Staatsbürger:innenstatus und Klassenposition. Vor allem aber entspricht sie der Tatsache, dass die Sphäre der gesellschaftlichen Produktion – im weitesten Sinne – von der Demokratie ausgeschlossen ist. Die bürgerliche Demokratie koexistiert mit der „Tyrannei der Fabrik“, durch die das Kapital den Produktionsprozess lenkt und von der Ausbeutung der kollektiven Arbeitskraft profitiert.24 Eine Diktatur der Bosse in den Betrieben, die allenfalls durch bestimmte Gesetze zum Schutz der Arbeiter:innen vor reiner Willkür abgemildert zu sein scheint.

Im Gegensatz dazu ist die Rätedemokratie die Ausweitung der demokratischen Prinzipien auf das gesamte gesellschaftliche Leben. Frédéric Lordon formuliert in diesem Sinne eine interessante Idee unter dem Begriff der „recommune„. Mit diesem Ausdruck verwendet er die Idee der „Republik“, um die „öffentliche Sache“, die er zu erklären versucht, in Anzahl und Zweck zu erweitern. Sein Ziel ist es, gegen das, was er als eine Inkonsequenz des Kapitalismus bezeichnet, an die dieser sein gesamtes Überleben knüpft, vorzuschlagen, dass das Prinzip der radikalen Demokratie auf jede Unternehmung angewendet werden sollte, die als Koexistenz und Wettbewerb von Kräften konzipiert werden kann, unabhängig von seinem Gegenstand. Um dies zu veranschaulichen, führt er als Beispiel die industrielle Warenproduktion an und weist zu Recht darauf hin, dass es keinen Grund gibt, warum sie von einer demokratischen Form ausgenommen sein sollte, da die daran Beteiligten einen Teil ihres Lebens dort verbringen. Der Umfang der Beschäftigung, die zu produzierenden Güter, die Mengen, die Arbeitsrhythmen usw. sollten sich einer gemeinsamen Beratung nicht entziehen, da sie gemeinsame Konsequenzen haben. „Das einfache rekommunistische Prinzip“, sagt er, „besteht also darin, dass das, was alle betrifft, Gegenstand aller sein muss – wie das Wort recommune selbst sagt –, d.h. konstitutionell und von allen gleichermaßen diskutiert werden muss“25.

Die Ausweitung der „öffentlichen Angelegenheiten“ ist der Kern der besonderen Bestimmung der Wahlgrundlage, auf der sich die Repräsentation in der Rätedemokratie konstituiert. Natürlich bleibt dabei die territoriale Grundlage nicht unberücksichtigt, aber es ist nicht darauf beschränkt. Der Begriff des „öffentlichen Raums“ geht über die bürgerlich-demokratischen Grenzen hinaus und ist mit den Verflechtungen verwoben, die die Produktion und Reproduktion der Gesellschaft ausmachen. Arbeitsplätze wie Fabriken, Unternehmen, Büros, Felder, Krankenhäuser sowie Schulen und Universitäten – mit ihren Lehrer:innen, nicht lehrenden Arbeiter:innen, Schüler:innen und Studierenden usw. – werden zu den grundlegenden „Wahlkreisen“ der Rätedemokratie als Orte der Beratung und der Wahl der Vertreter:innen. Diese wiederum behalten eine territoriale Dimension bei, in der sie sich zu lokalen, regionalen oder nationalen Räten zusammenschließen und mit dem Territorium verbunden sind. Diese Art der politischen Organisation, die in etwa mit der Organisation der Gesellschaft selbst für ihre Produktion und Reproduktion als solche übereinstimmt, hat mehrere Vorzüge, die das Wesen dieser Art von Demokratie ausmachen. Einerseits ermöglicht und erleichtert sie es der arbeitenden Bevölkerung als Souverän, sich nicht nach jeder Wahl aufzulösen. Andererseits ermöglicht sie es, auf allen Ebenen die Beratung mit der Ausführung zu verbinden.

Aber ist diese Art der demokratischen Organisation in den heutigen komplexen Gesellschaften überhaupt noch tragfähig? Es gibt eine traditionelle Kritik am Rätesystem, der zufolge es eine historisch überholte Erfahrung darstellt, die nicht in der Lage sei, sich an die Komplexität der heutigen Gesellschaften anzupassen. Der Hintergrund dieser Kritik ist jedoch, dass die Demokratie im Allgemeinen umso schwieriger werde, je komplexer die Gesellschaften werden. Aus der Sicht des Kapitalismus ist dies weitgehend zutreffend. Wie Perry Anderson feststellt, „scheint [es] nur die Freiheit der bürgerlichen Demokratie zu sein, die die Grenzen dessen setzt, was für den kollektiven Willen des Volkes sozial möglich ist, und die damit die Grenzen seiner Ohnmacht erträglich halten kann.“26 Der Schlüssel zur Rätedemokratie liegt jedoch darin, dass sie über den Kapitalismus hinausgeht, und zwar ausgehend von den Möglichkeiten der Demokratie, die eine drastische Arbeitszeitverkürzung, die durch eine rationale Planung der Wirtschaft und der Arbeit ermöglicht wird, mit sich bringen würde, und ganz allgemein von der Tatsache, dass, wie Marx sagte, nicht mehr die Arbeitszeit, sondern die verfügbare Zeit das Maß des Reichtums ist.27

Die Frage ist, ob das Thema der Räte und die darin enthaltene Kritik an der bürgerlichen delegativen Demokratie mit den Veränderungen der letzten Jahrzehnte und den Merkmalen, die die Gesellschaften angenommen haben, an Wert verloren oder zugenommen haben. Für uns lautet die Antwort eindeutig Letzteres. Die Bedingungen der heutigen Gesellschaften, die größere Komplexität der sozialen und politisch-kulturellen Strukturen, die exponentielle Ausdehnung der Arbeiter:innenklasse und ihre größere Heterogenität, die Vielzahl der „Bewegungen“, die Massenmigration – ein unversöhnlicher Feind der nationalistischen Vorstellungen von Demokratie – und andere Merkmale lassen das Thema der Rätedemokratie voll heranreifen. Die am weitesten entwickelte Erfahrung in dieser Hinsicht, nämlich die der russischen Sowjets in den ersten Jahren der Revolution, ist nun mehr als ein Jahrhundert alt. Um das Thema der Räte zu aktualisieren, kann man nicht dabei stehen bleiben. Um Trotzki zu paraphrasieren: Die Rätedemokratie des 21. Jahrhunderts wird sich von der der russischen Sowjets so sehr unterscheiden wie unsere heutigen Gesellschaften von denen des halbfeudalen zaristischen Russlands.

Die Theorien des „kombinierten Staates“, die versuchten, die bürgerliche Demokratie mit der Rätedemokratie zu verschmelzen – von Rudolf Hilferdings ursprünglichem Ansatz bis hin zu späteren Versionen wie denen von Nicos Poulantzas oder Antoine Artous und anderen – haben die Räte als eine Art „Sozialkammern“ oder als Ausdruck einer komplementären korporatistischen Institutionalität dargestellt.28 Weit entfernt von diesen Karikaturen liegt das große Potenzial rätedemokratischer Formen für die heutige Zeit in ihrer Fähigkeit, die substanzielle Heterogenität und Vitalität der subalternen Klassen auszudrücken, die in den bürgerlichen Demokratien atomisiert und homogenisiert werden. Das Einparteiensystem, mit dem die „Sowjets“ später gleichgesetzt wurden, wurde im Prozess der Bürokratisierung der UdSSR – mit den außergewöhnlichen Schwierigkeiten konfrontiert, den sozialistischen Aufbau in einem isolierten, armen und rückständigen Land mit den vor einem Jahrhundert verfügbaren Mitteln durchzuführen – vom Stalinismus zur Norm erhoben. In diesem Sinne ist es von höchster Wichtigkeit, den damaligen Kampf Trotzkis und der Linken Opposition, ein Mehrparteiensystem in den Sowjets zu etablieren, erneut zu betrachten. Denn dieser Kampf stellt einen grundlegenden Faden der Kontinuität dar, um das Thema der Rätedemokratie heute wieder aufzugreifen.29 Der Kampf der Interessen, Gruppen und Ideen zwischen verschiedenen Parteien und Bewegungen, Wahlkämpfe und hitzige Debatten sind der Ursprung und das Wesen des Rätesystems, das dem Strudel der politischen Leidenschaften ebenso ähnlich ist, wie es der bürokratischen Kälte entgegensteht.

Die Gleichsetzung der Idee der Räte mit der totalitären Entwicklung der UdSSR unter dem Stalinismus, obwohl der Stalinismus in Wirklichkeit ihr schlimmster Feind war, ist eine der zunehmend überholten Rechtfertigungen für den Niedergang der real existierenden bürgerlichen delegativen Demokratien. Letztere bewegen sich heute stramm auf einen zunehmend totalitären Autoritarismus zu, der die demokratischen Freiheiten unterdrückt. Die regelmäßig stattfindenden Wahlen haben sich in eine Art symbolisches Ritual verwandelt, bei dem die Wähler:innen nur noch dazu aufgerufen sind, sich formal zwischen Kandidat:innen zu entscheiden, die zwar diskursiv gegensätzlich sind, deren Programme im Kern aber verwandt sind und von denen jeder weiß, dass sie nicht zählen, wenn es um das Regieren geht. Die neuen Kommunikations- und Informationstechnologien haben den Raum für die öffentliche Meinung erweitert, aber sie können in der Regel nicht mehr tun, als die Grundtendenzen der heutigen Demokratien zu reproduzieren. Sie sind ein schlechter Ersatz für die Verengung ihrer sozialen Basis, die sich auf Teile der städtischen Mittelschichten und die oberen Schichten der Arbeiter:innenklasse beschränkt – ein Phänomen, das im Übrigen schon immer mit dem Neoliberalismus einherging.

Die Bedingungen haben sich erheblich verändert, seit Giovanni Sartori die „Videopolitik“ analysierte, bei der der Souverän „seine Meinung“ weitgehend auf der Grundlage dessen vertritt, was die Massenmedien ihm vorgeben.30 Die neuen Kommunikations- und Informationstechnologien haben diese These noch verstärkt. Sie werden von einer kleinen Zahl von Megakonzernen kontrolliert und von den herrschenden Klassen zur Entwicklung typisch totalitärer Mechanismen genutzt. Die Verknüpfung von politischen Anführer:innen mit einer atomisierten Masse jenseits der politischen Vermittlung geht einher mit der Verwandlung der politischen Parteien in lebende Tote. Die neuen Formen der Steuerung der öffentlichen Meinung haben ihre Zwangsfunktion gegenüber den gegnerischen Klassen durch die Zustimmung verbündeter sozialer Gruppen, wie sie von Peter Thomas definiert wurde, verstärkt.31 Diese Prozesse gehen Hand in Hand mit der praktischen Schwächung jeglichen substanziellen Einflusses des Volkswillens bei der Festlegung des konkreten Handelns der Regierungen, die immer unabhängiger von den „Vertretenen“ werden.

Dies ist jedoch nicht das unausweichliche Schicksal der neuen Kommunikations- und Informationstechnologien. Wie die Revolten des letzten Jahrzehnts auf der ganzen Welt gezeigt haben, verfügen die neuen Technologien auch über ein sehr wichtiges demokratisches Potenzial. Die Neuformulierung des Themas der Räte für das 21. Jahrhundert beinhaltet zweifellos auch die Erkundung dieser demokratischen Potenziale der neuen Technologien, indem sie der despotischen Kontrolle der Konzerne entzogen werden. Eine Möglichkeit, dies zu tun, wäre die Einführung einer demokratischen Kontrolle dieser Technologien im Verhältnis zu den Stimmen, die jede Gruppierung bei den Wahlen zu den Räten erhält. Die neuen Technologien hätten in einer Rätedemokratie ein enormes Potenzial für die Demokratisierung der Information und für die Erweiterung der demokratischen Diskussionskanäle, vor allem aber für die Stärkung des Einflusses immer breiterer Kreise auf die (strategische und alltägliche) Entscheidungsfindung, d.h. für die Ausweitung der Beteiligung und des demokratischen Vorrechts, der Regierung Anweisungen zu geben.

Natürlich kann das Rätesystem keine Wunder vollbringen; seine Aufgabe ist es, den Willen der Bevölkerung so dynamisch, demokratisch und breit wie möglich widerzuspiegeln. Die Kraft einer Rätedemokratie wird immer von der Vitalität und der Überzeugung der großen Mehrheiten abhängen, auf dem Weg zum Sozialismus voranzukommen. Der Aufbau einer sozialistischen Gesellschaft kann nur das Ergebnis einer bewussten Tätigkeit sein. Wir können feststellen, dass die Rätedemokratie, die auf dem Impuls der Selbstorganisation beruht, die einzige politische Form ist, die wir heute kennen, um den Übergang zum Sozialismus zu vollziehen und die Perspektive der Abschaffung des Staates realisierbar zu machen.

Planung, Kollektivismus und neuer Individualismus

Die Frage der Räte ist mit einer anderen verbunden, die von grundlegender Bedeutung ist, wenn es darum geht, über das Verhältnis zwischen „Freiheit“ und „Notwendigkeit“, zwischen politischer Demokratie und sozioökonomischer Emanzipation im sozialistischen Projekt nachzudenken. Es handelt sich um das Problem einer rationalen und demokratischen Planung der Ressourcen der Wirtschaft, die auf die Befriedigung der Bedürfnisse der großen Mehrheit ausgerichtet ist. Das heißt, jenseits des Leitprinzips des Profits, das für die Herrschaft eines kleinen Teils der Bevölkerung funktional ist, der die Mittel konzentriert, die unsere Gesellschaften für ihre Produktion und Reproduktion benötigen.

Die „Wirtschaft“ hat ein entscheidendes Gewicht im Diskurs über den Kapitalismus. Marx verstand es, sie im Kapital eingehend zu analysieren und ihre wirklichen Ursachen und Wirkungen zu bestimmen. Das heißt, wie die Festlegung bestimmter Praktiken – durch ihre Verallgemeinerung und ihr Fortbestehen – zu einer bestimmten (fetischistischen) Art und Weise führt, sich der bestehenden Verhältnisse bewusst zu werden. Die klassische bürgerliche Theorie der Gesellschaftsstruktur basiert auf der unmittelbaren Hegemonie des Ökonomischen. Ab dem 19. Jahrhundert, so analysierte Michel Foucault, fand ein entscheidender Wandel der modernen Gouvernementalität durch die Einführung der politischen Ökonomie als Prinzip der Begrenzung staatlichen Handelns statt, wonach der Staat nur dann tun kann, „was er tun muss“, wenn er die „natürlichen“ Gesetze der Wirtschaft respektiert. Ein großer Wandel vollzog sich ab 1870 mit dem Übergang von den „klassischen“ Auffassungen, die sich noch auf den Arbeitswert als Erklärung für den Überschuss und den Gewinn bezogen, zur Schule des Grenznutzens, für die der Wert eines Gutes von seinem Nutzen für die verschiedenen Wirtschaftssubjekte abhängig wurde. Von nun an lag der Schwerpunkt auf dem subjektiven Begehren.32 Mit der subjektiven Werttheorie hielt der Irrationalismus Einzug in das bürgerliche Wirtschaftsdenken.

Der Aufstieg des Neoliberalismus entfaltete diese alten Tendenzen in all ihren Dimensionen und verallgemeinerte sie. Demnach wird das Individuum dann zu einem rationalen Subjekt, wenn es die Möglichkeit erkennt, seine Fähigkeiten zu maximieren und sein Verhalten so zu steuern, dass es den größten Nutzen zu den geringsten Kosten erzielt. Hier, so Foucault, verbirgt sich eine wichtige Ordnungskomponente: die Verinnerlichung des Gehorsams, die Unterwerfung unter eine äußere Macht in dem Glauben, die eigene singuläre Freiheit auszuüben. Der Neoliberalismus ging auf diese Weise weit über die Logik des Liberalismus hinaus. Es ging nicht nur darum, dem staatlichen Handeln Grenzen zu setzen, sondern die Marktwirtschaft wurde zum Prinzip der internen Regulierung des staatlichen Handelns. Der US-amerikanische Neoliberalismus wiederum versuchte, die Rationalität des Marktes, seine Analyseschemata und Entscheidungskriterien auch auf Bereiche auszudehnen, die nicht in erster Linie wirtschaftlicher Natur sind, wie Familie, Geburtenrate, Kriminalität, Strafrechtspolitik usw.

Der „neoliberale Sozialpakt“ trat an die Stelle des Wohlfahrtspakts, der auf den Zweiten Weltkrieg folgte. Seine Verfassung war viel elitärer, seine soziale Basis schmaler. Er verband die Verherrlichung des Individuums und seine Erfüllung im Konsum mit verstärkter Ausbeutung, sozialer Degradierung der Mehrheit der Arbeiter:innenklasse, Arbeitslosigkeit und Armut. Die grundlegenden Maßnahmen, die der Neoliberalismus für diese Sektoren bereit hielt, waren „Klientelismus“ und Kriminalisierung. Seit 2008 – mit dem sprunghaften Anstieg der Ungleichheit auf globaler Ebene und wachsenden militärischen und kommerziellen Spannungen zwischen den Mächten – befinden sich die dem Neoliberalismus eigenen „produktiven“ Machttechniken, die mit Konsum, Krediten usw. verbunden sind, in einer tiefen strukturellen Krise.33 Die Aufstände, die die politische Landschaft des letzten Jahrzehnts geprägt haben, sind ein echter Ausdruck davon.

Das zugrundeliegende Problem hängt damit zusammen, dass es keine neuen Motoren für die Kapitalakkumulation gibt. Die Rentabilität der Investitionen in den wichtigsten wertschöpfenden Sektoren liegt nahe an den Tiefstständen nach 1945.34 Der neoliberale Zyklus konnte seine Grenzen durch bestimmte, dem Rückgang der Profitrate entgegenwirkende Tendenzen erweitern, aber er hat die Ursachen des Produktivitätsrückgangs nicht beseitigt. Mit der Restauration des Kapitalismus in der ehemaligen UdSSR, in Osteuropa und vor allem in China hatte der Kapitalismus einen neuen „Urwald“ gefunden, jenes „Außen“, in dem er Kapital akkumulieren kann, von dem Rosa Luxemburg sprach. Er war in der Lage, das Wertgesetz enorm auszuweiten und sich massiv neue Arbeitskräfte einzuverleiben (was den absoluten Mehrwert überall auf der Welt erhöhte). Aber was den Ton der letzten Jahre angibt, ist, dass diesen Gegentendenzen die Luft ausgeht. China hat sich von einem armen Land, das ein Zielland der Kapitalakkumulation der imperialistischen Mächte war, in ein Land verwandelt, das auf dem Weltmarkt um Akkumulationsmöglichkeiten konkurriert. Auch die Finanzialisierung der Wirtschaft, die bisher als Ventil gedient hat, stößt an ihre Grenzen.

Die Krise des Neoliberalismus bedeutet jedoch nicht die Umkehrung seiner Folgen. Im Wohlfahrtsstaat haben die Ideologie der Vollbeschäftigung und die damit verbundenen politischen Praktiken die Unterordnung der Arbeiter:innenklasse außerordentlich verstärkt. Durch den mit der Idee der Produktion und des Arbeitsschutzes verbundenen Etatismus wurde die Figur des Arbeiters als Produzent durch die des Arbeiters als „Rechtssubjekt“ ersetzt. Im Neoliberalismus wurde dann ein grundlegender Sprung in der Unsichtbarmachung der Arbeiter:innen als Produzent:innen vollzogen, die stattdessen als Lohnempfänger:innen und Verbraucher:innen oder als bloße Staatsbürger:innen dargestellt wurden. Seit der Theorie des „Humankapitals“ erscheinen die Arbeiter:innen als Unternehmer:innen ihrer selbst. Es festigte sich das Bild der Gesellschaft als einer Gruppe von Individuen, die als aktive und freie „Wirtschaftssubjekte“ konzipiert wurden, die sich von ihrem Egoismus leiten lassen und ihr Verhalten so steuern, dass sie den größten Gewinn erzielen.

Hinter der Theorie des „Humankapitals“ wird das kreative Potenzial der Arbeiter:innenklasse versteckt. In diesem Sinne sind Gramscis Ausführungen, in denen er die Arbeiter:innen nicht nur als Lohnempfänger:innen, sondern auch als Produzent:innen hervorhebt, sehr treffend.35 Dieser Charakter wird den Arbeiter:innen im Neoliberalismus radikal abgesprochen. Sie erscheinen als bloße Vertreter:innen eines weiteren korporativen Interesses der Gesellschaft, während sie jedoch als Produzent:innen der potenzielle Träger neuer gesellschaftlicher Kooperationsbeziehungen sind, eine gesellschaftliche und produktive Kraft, die den Weg zu einer neuen Zivilisation eröffnen kann. Dieses schöpferische Potenzial der Arbeiter:innen, sowohl im wirtschaftlichen als auch im politischen Bereich, ist ein unverzichtbarer Ausgangspunkt für die Wiederherstellung des sozialistischen Projekts. Ohne dies wäre der Arbeiter:innenklasse – und damit der Massenbewegung – die Möglichkeit verschlossen, die Produktion in die Hand zu nehmen.

Der Sozialismus ist einerseits die wirkliche Bewegung, die, wie Marx und Engels sagten, den jetzigen Zustand aufhebt, in dem die Arbeiter:innen darum kämpfen müssen, ihre Freizeit, ihre Lebenszeit wiederzuerlangen. Andererseits ist er auch das Ziel einer neuen Gesellschaft, in der sich die Produzent:innen frei zusammenschließen, mit kollektiven Produktionsmitteln arbeiten und ihre individuellen Kräfte zu einer großen gesellschaftlichen Arbeitskraft vereinigen. Unter beiden Gesichtspunkten steht der Sozialismus im Gegensatz zur Abstraktion der Wirtschaftsgesellschaft als reinem Automatismus, wie sie die neoliberale Ideologie vertritt und deren Kern in dem Versuch liegt, die Zivilgesellschaft in eine auf Angebot und Nachfrage reduzierte Wirtschaftsgesellschaft zu absorbieren. Diese Vorstellung der Wirtschaftsgesellschaft ist eine kraftvolle Idee der Bourgeoisie, insofern sie als ununterscheidbar von den Eigentumsverhältnissen der Zivilgesellschaft erscheint. Der Staat, der in Wirklichkeit die Eigentumsverhältnisse stützt und verteidigt, wird hingegen als außerhalb dieser Verhältnisse stehend dargestellt.36

Die produktive Verwertung der abstrakten Arbeit, das heißt der Arbeit in ihrer rein gesellschaftlichen Form, muss nicht notwendigerweise das bürgerliche Ausbeutungsverhältnis hervorbringen. Sie kann auch die Grundlage einer gesellschaftlichen Organisation sein, die das Kollektiv zum Ausgangspunkt nimmt und es zur Normalbedingung macht, aus der das Bewusstsein der Individuen, die ihr Leben selbst verwalten, hervorgehen kann. Es handelt sich darum, die Interdependenz zwischen den Menschen bewusst zu machen, jene Kooperation sichtbar zu machen, welche „spontan“ erscheint und welche die „unsichtbare Hand“ des Marktes verbirgt. Individualität ist das Beziehungsgeflecht, in das jede:r Einzelne eingebunden ist. Die Frage ist, ob die:der Einzelne sich nicht als isolierte:r Monade begreift, sondern als reich an Möglichkeiten, die ihr:ihm die anderen Individuen und die Gesellschaft bieten. Die bewusste Wiederherstellung der Kooperation, die als solche im Kapitalismus negiert wird, ist die Grundlage des Prinzips der wirtschaftlichen Planung als gesellschaftliche Notwendigkeit. Das Fehlen dieses Prinzips drückt sich in den kapitalistischen Krisen auf katastrophale Weise aus.

Der Begriff der sozialistischen Wirtschaftsplanung drückt den Horizont aus, der in der Lage ist, auf die Erscheinungsformen der Krise der kapitalistischen Produktionsweise zu reagieren. Die Vorstellung, dass jede Art von Planung zwangsläufig zu einer Bürokratisierung führt, beruht auf einer einseitigen Interpretation der Erfahrungen der UdSSR unter dem Stalinismus. Dieser common sense wurde von der Bourgeoisie als Kampfinstrument gegen die sozialistische Perspektive eingesetzt. Die Wahrheit ist, dass der Stalinismus der Feind der Rätedemokratie und somit der Feind der demokratischen Wirtschaftsplanung war. Dies sollte der Ausgangspunkt für jede ernsthafte Bewertung des Themas sein, selbst wenn man die Rückständigkeit und Isolation der UdSSR außer Acht lässt. Für ein sozialistisches Projekt von unten sind die Fragen der Planung und des Rätesystems untrennbar miteinander verbunden. Unter diesem Gesichtspunkt sind Plan und Freiheit kein Widerspruch. Das bedeutet nicht, dass es keine Spannungen gibt zwischen einem Pol des Plans, der zur Zentralisierung führt – um alle gesellschaftlichen Bedürfnisse und Ressourcen berücksichtigen zu können –, und einem anderen, der den Aufbau des Plans „von unten“ betrifft.

Der Plan muss die Form einer Reihe von Alternativen annehmen, aus denen der individuelle Wille wählen kann, welcher in neue Räteinstitutionen kanalisiert worden ist. Es geht darum, die Art und Weise zu organisieren, in der die Notwendigkeit in einen Zuwachs an Freiheit umgewandelt werden kann. Mit anderen Worten, die Überwindung der Verifizierung post festum gesellschaftlicher Bedürfnisse – mit der Irrationalität, die dies aus der Sicht der Produktion und des Konsums impliziert –, damit diese durch eine aktive Disposition der Produzent:innen/Konsument:innen selbst bewusst wahrgenommen werden können und auf dieser Grundlage eine bestimmte Handlungsweise aus den verfügbaren Alternativen gewählt werden kann. Ziel ist es, dass die Verwaltung der Gesellschaft kollektiv wird und das unbewusste Moment überwindet, welches der Kapitalismus als System der privaten Aneignung der Früchte der Arbeit vorgibt. Die stalinistische Konterrevolution ließ das von Lenin in Staat und Revolution verkörperte und später von Trotzki in Verratene Revolution aufgegriffene Projekt, für die diese Wiederaneignung des Kollektivs mit der Wiedergeburt des Individuums innerhalb der „Kollektivität“ einherging, unvollendet.

Wie Gramsci betonte, ist der Individualismus, der sich in der individuellen Aneignung des Reichtums manifestiert, in demselben Maße anachronistisch geworden, wie die Produktion des Reichtums immer mehr vergesellschaftet worden ist.37 Dem stellte er einen neuen Individualismus entgegen, der eine andere Spannung des Willens hervorbringt – utilitaristisch, aber uneigennützig –, vom selben Wesen wie diejenige, die die Wiedergeburt des Individuums innerhalb der „Kollektivität“ bestimmt. Also ein neuer Individualismus, der sich ausgehend vom Kollektiven entwickelt, oder genauer gesagt von der Selbstverwaltung des kollektiven Lebens, wo das Individuum nicht auf die passive Akzeptanz dessen beschränkt ist, was ihm von außen durch unbewusst angenommene gesellschaftliche Beziehungen aufgedrückt wird, sondern zu einem bewussten Protagonisten der Regierung und Planung des Kollektiven wird. Der qualitative Sprung in der Ökonomie vom Privaten zum Kollektiven ist der potentielle Rahmen für eine Wiederbelebung der Zivilgesellschaft – auch von Trotzki in seinen Schriften zum Übergang thematisiert – als Ort der Selbstverwaltung und der Entfaltung der individuellen Freiheit. Es ist auch der Nährboden für die Entwicklung jenes neuen Individualismus, der sich unter den Bedingungen einer Gesellschaft herausbildet, die sich durch die Planung ihrer organischen Beziehung zur Natur und zu ihren eigenen Lebensformen selbst verwaltet. Auf diese Weise kann die Notwendigkeit in eine größere Freiheit umgewandelt werden, aber nicht in Allmacht; ihre Möglichkeiten hängen von dem Niveau ab, das die Zivilisation zu einem bestimmten Zeitpunkt erreicht hat.

Die Frage der sozialistischen Planung im 21. Jahrhundert

Wie wir wissen, waren Marx und Engels sehr vorsichtig, wenn es darum ging, die Konturen einer zukünftigen sozialistischen Gesellschaft zu skizzieren. Als Kritiker des utopischen Sozialismus stützten sich ihre wichtigsten Ausarbeitungen auf Schlussfolgerungen aus historischen Erfahrungen, vor allem aus der Pariser Kommune. Dennoch hatten sie bedeutende Intuitionen, wie sie zum Beispiel in der Kritik des Gothaer Programms zum Ausdruck kommen, wo Marx eine ganze Reihe von Überlegungen zu den „Phasen“ des Kommunismus anstellte. Dort beschrieb er eine erste Phase, in der es noch keinen Überfluss gibt und in der eine gewisse Norm der Verteilung der vorhandenen Ressourcen notwendig ist, in der jeder von der Gesellschaft entsprechend seiner Arbeit erhält. Um diese Norm der Verteilung aufrechtzuerhalten, ist immer noch eine Form von Staat erforderlich. Im Gegensatz dazu würde die „höhere Phase“ des Kommunismus unter dem Motto stehen: „Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen“. Mit anderen Worten: Jeder trägt nach seinen Fähigkeiten zur Gesellschaft bei und erhält, was er braucht. Über diese allgemeinen Begriffe hinaus hatten die Begründer des Marxismus wenig über die Formen der Planung der Produktion zu sagen.

Die Erfahrungen der UdSSR im 20. Jahrhundert brachten neue Begriffe für diese Debatte hervor. Im Gegensatz zur vorangegangenen Etappe des Kampfes der Ideologien brachte der Kampf der Hegemonien die Frage der Planung nicht nur in theoretischer, sondern auch in historischer Hinsicht zum Ausdruck. Keine Wiederaufnahme dieses Themas im 21. Jahrhundert kann darauf verzichten, Schlussfolgerungen aus dieser Erfahrung zu ziehen. Allerdings gibt es dabei eine zusätzliche Schwierigkeit. Als Marx sein Schema der „Phasen“ des Kommunismus formulierte, hatte er nicht im Sinn, dass die Revolution in einem rückständigen Land triumphieren und international isoliert bleiben würde. Die UdSSR hat keine dieser beiden von Marx beschriebenen „Phasen“ erreicht. Sie war keine sozialistische Gesellschaft. In Verratene Revolution stellt Trotzki fest: „Richtiger wäre darum, das heutige Sowjetregime in all seiner Widersprüchlichkeit nicht als sozialistisches, sondern als vorbereitendes oder Übergangsregime zwischen Kapitalismus und Sozialismus zu bezeichnen.“38 Diese Definition ist der Ausgangspunkt für eine kritische Auseinandersetzung mit dieser Erfahrung.

Dennoch kann die Frage der sozialistischen Planung heute nicht dieselbe sein wie vor einem halben Jahrhundert, als die UdSSR zusammenbrach und der Kapitalismus in den Ländern, in denen die Bourgeoisie enteignet worden war, wiederhergestellt wurde. Heute muss die Wiederaufnahme dieses Themas die Sprünge berücksichtigen, die in der technologischen Entwicklung gemacht wurden und die grundlegende Konsequenzen hätten, wenn sie auf die sozialistische Planung angewendet würden. Natürlich löst die Technik allein niemals die grundlegenden Widersprüche einer Gesellschaft, aber sie eröffnet neue Alternativen und weitaus umfassendere Möglichkeiten für die Ausarbeitung politischer Vorschläge zu verschiedenen Problemen, mit denen frühere Erfahrungen konfrontiert waren. Der Ausgangspunkt ist damals wie heute die Vergesellschaftung der Produktionsmittel und die Existenz eines Arbeiter:innenstaates auf der Grundlage einer Rätedemokratie, aber die Mittel haben sich geändert, und das muss man zur Kenntnis nehmen.

Das vergangene Jahrhundert war geprägt von zahlreichen Debatten über die Möglichkeiten einer sozialistischen Wirtschaftsplanung: über die Machbarkeit, den Markt durch Planung zu ersetzen; über die Berechnung von Werten in einer Planwirtschaft; über die Vereinbarkeit zwischen der Zentralisierung des Plans, um alle gesellschaftlichen Bedürfnisse zu erfassen, und der Dezentralisierung, die im Hinblick auf die individuellen Präferenzen und die Demokratisierung erforderlich ist; über die Frage der Qualität und der Innovation in einer Wirtschaft, die nicht durch den kapitalistischen Profit bestimmt wird; und vieles mehr. Im 21. Jahrhundert haben diese Debatten durch die Durchbrüche in den Informations-, Kybernetik- und Kommunikationstechnologien einen relativ neuen Anstoß erhalten. Autor:innen wie Evgeny Morozov, Daniel Saros, Paul Cockshott, Maxi Nieto und andere haben das Problem der Planung im Zusammenhang mit den neuen Technologien aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchtet, nicht unbedingt in Verbindung mit einer revolutionär-sozialistischen Perspektive, aber mit anregenden Formulierungen, die die Vitalität des Themas zeigen.

Eine der klassischen Debatten über die Planung, deren Begriffe sich am radikalsten verändert haben, ist die der so genannten „sozialistischen Wirtschaftsrechnung“. Sie wurde seinerzeit von Vertreter:nnen der Österreichischen Schule, Gegner:innen des Sozialismus, wie Ludwig von Mises und Friedrich Hayek in den 1920er bis 1940er Jahren geführt. Das Argument lautete, dass die einzige Form des rationalen wirtschaftlichen Kalküls spontan vom Markt durch Geld und Wettbewerb bereitgestellt werde. Dies machte den Sozialismus zu einem von Natur aus ineffizienten Wirtschaftssystem. Mises zufolge war der Nachweis, dass die Wirtschaftsrechnung in einer sozialistischen Wirtschaft unmöglich sei, auch der Beweis dafür, dass der Sozialismus nicht praktikabel sei. Es gäbe keine Möglichkeit, die Menge an Informationen zu berechnen, die für die Bewertung alternativer Einsatzmöglichkeiten von Arbeitskräften und verfügbaren Ressourcen erforderlich ist, und keine Möglichkeit, die komplexen Nachfragemuster für End- und Zwischenprodukte zu berücksichtigen, die für eine Planung in großem Maßstab erforderlich sind. Im Gegensatz dazu würde der Kapitalismus über den Markt eine viel breitere Beteiligung an der Entscheidungsfindung ermöglichen.

Diese Argumente beziehen sich jedoch auf einen utopischen Kapitalismus, der nicht nur nie existiert hat, sondern auch mit den grundlegenden Merkmalen der imperialistischen Ära kollidiert, welche durch militärische Konfrontation zwischen Mächten zur Beherrschung von Märkten und durch die tiefgreifenden oligopolistischen und monopolistischen Tendenzen des Systems gekennzeichnet ist. Heute machen diese Merkmale, die sich in vielen Fällen noch verschärft haben, zusammen mit der schwindelerregenden Anhäufung von fiktivem Kapital in der Weltwirtschaft und den entsprechenden „Blasen“ die Transparenz des Preissystems noch utopischer. Diese Argumente von Mises und Hayek wurden unterschiedlich beantwortet, aber hier interessieren uns diejenigen, die den jüngsten Veränderungen Rechnung tragen.

In seinem klassischen Essay „The Use of Knowledge in Society“ (dt. Die Verwertung des Wissens in der Gesellschaft) erklärte Hayek: „Wir müssen das Preissystem als einen Mechanismus zur Übermittlung von Informationen betrachten […]; eine Funktion, die es natürlich in dem Maße weniger perfekt erfüllt, wie die Preise starrer werden“39. Paul Cockshott und Maxi Nieto betonen diese Definition des Preissystems als „Mechanismus zur Informationsübermittlung“, das heißt der Preise nicht als Information an sich, sondern als Mittel, welches sie überträgt. Wenn also das Preissystem ein Kommunikationssystem ist, dann ist es klar, dass es durch ein anderes ersetzt werden kann. Die einzige Einschränkung wäre technischer Natur und beträfe die Datenverarbeitungskapazität, die für das Informationsvolumen in einer Echtzeitwirtschaft erforderlich ist. Die Schlussfolgerung der Autoren ist in diesem Punkt eindeutig: Die rechnerischen Voraussetzungen für eine echte sozialistische Planung in großem Maßstab sind durch die aktuelle technologische Entwicklung bereits vorhanden.40 In die gleiche Richtung argumentiert Daniel Saros, dass die Argumente der Österreichischen Schule in Bezug auf die sozialistische Wirtschaftsrechnung durch die Entwicklung der modernen Informationstechnologie überholt sind.41

In den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg gab es in der UdSSR mehrere Versuche, fortgeschrittene Informationstechnologien für die Planung zu nutzen, aber keiner von ihnen wurde umgesetzt. Einer der bekanntesten Einsätze in diesem Sinne fand in Chile unter der Regierung von Salvador Allende mit dem System Cybersyn des britischen Kybernetikers Stafford Beer statt, dessen Ziel es war, die Industrien des staatlichen Wirtschaftssektors zentral zu koordinieren. Heute sind wir Lichtjahre weiter als die Technologien, auf denen diese Experimente beruhten. In Zeiten von Big Data ist die Technologie für die Planung der Produktion und des Warenflusses dank Barcode- und Warenwirtschaftssoftware bereits vorhanden. Um den Kontrast hervorzuheben, bestand beispielsweise das große Projekt von Wiktor Gluschkow in den 1960er Jahren in der UdSSR darin, die Telefonkommunikation zu digitalisieren, um mehr Informationen für Planungszwecke zu übermitteln. Heute eröffnen die Informationstechnologien und die Rechenleistung sowie die Entwicklungen im Bereich der künstlichen Intelligenz ein völlig neues Feld für die sozialistische Planung im Vergleich zum 20. Jahrhundert.

Es handelt sich dabei um Technologien, die bereits in großem Umfang von großen kapitalistischen Unternehmen für die innerbetriebliche Planung genutzt werden, die auf globaler Ebene mit der kapitalistischen Anarchie als Ergebnis des Wettbewerbs um die Maximierung der Profite koexistiert. Wie Nieto hervorhebt:

All diese Möglichkeiten lassen sich bereits in der Arbeitsweise einiger der heute führenden Unternehmen bei der Anwendung neuer Informationstechnologien erahnen, wie etwa bei Wal-Mart. Dieser Einzelhandelsriese arbeitet als vernetztes System, das in Echtzeit das ‚Zentrum‘ mit Geschäften, Lagern und Zulieferern verbindet, und zwar über Satellitenkommunikation unter Verwendung von RFID-Etiketten, mit denen der genaue Standort jedes Produkts in der gesamten Lieferkette verfolgt werden kann. Amazon, ein führendes Unternehmen im Bereich der intelligenten Logistik, ist ein ähnlicher Fall. Das Unternehmen stellt den Verbrauchern eine Vielzahl von Produkten zur Verfügung, indem es auf der Grundlage von Verkäufen in Echtzeit die Lagerbestände verändert und Lieferanfragen an die Lieferanten stellt. Darüber hinaus weist es mithilfe von Algorithmen Standorte, Routen und Lagerhäuser zu. Diese Unternehmen und viele andere, die in anderen Bereichen ebenso fortgeschritten sind, lassen die Funktionsweise einer sozialistischen Planwirtschaft erahnen, die auf die Befriedigung der Verbraucherpräferenzen ausgerichtet ist.42

Ein weiteres großes Problem, dessen Koordinaten derzeit neu definiert werden, ist der Widerspruch zwischen den Elementen der Zentralisierung der Planung – die die gesamte Wirtschaft berücksichtigen muss – einerseits und der demokratischen Festlegung des Plans und dem dezentralen Charakter der individuellen Präferenzen andererseits. Hayek vertrat die Ansicht, dass die Werte der Produktionsfaktoren nicht nur von der Bewertung der Konsumgüter, sondern auch von den Angebotsbedingungen der verschiedenen Produktionsfaktoren abhängen, weshalb nur ein Verstand, der gleichzeitig alle diese Tatsachen und die sich daraus ergebenden Reaktionen kenne, die Planung der Wirtschaft lenken könne. Historisch gesehen hat die Entwicklung in der UdSSR die Planung in der Realität gezeigt, selbst unter dem Stiefel einer totalitären Bürokratie, die den Plan ständig untergräbt, noch während sie ihn diktiert. Ein rückständiges, halbfeudales Land, das durch einen blutigen Bürgerkrieg, zwei Weltkriege und eine umfassende bürokratische Konterrevolution verwüstet wurde, schaffte es, durch die Enteignung der Produktionsmittel der Bourgeoisie und die (bürokratische) Planung zur zweitgrößten Wirtschaftsmacht auf dem Planeten zu werden. Die UdSSR kämpfte sogar um die technologische Führung in den Bereichen Militär und Luft- und Raumfahrt. Trotz Hayek und der stalinistischen Bürokratie selbst wurde die Machbarkeit der Planung bewiesen.

Wie wir gesehen haben, ermöglicht die zentralisierte Planung mit bürokratischen Methoden die Konzentration von Ressourcen für globale, als vorrangig definierte Ziele, wie zum Beispiel das Wettrüsten und die Luft- und Raumfahrt in der UdSSR.43 Im Bereich der Diversifizierung der Wirtschaft oder der Konsumgüter können sich die Produktionsziele jedoch exponentiell vervielfachen, sodass die Planung viel disaggregierter, detaillierter und komplexer wird. Der Umfang der erforderlichen Informationen wächst mit der Diversifizierung der Wirtschaft. Trotzki bekräftigte:

Wenn es einen mit der wissenschaftlichen Phantasie Laplaces ausgezeichneten universalen Verstand gäbe: einen Verstand, der gleichzeitig alle Prozesse der Natur und der Gesellschaft registrieren, die Dynamik ihrer Bewegung ermessen, die Resultate ihrer Wechselwirkung voraussehen würde, – ein solcher Verstand könnte selbstredend a priori einen fehlerlosen und vollendeten Wirtschaftsplan aufstellen, angefangen bei der Anzahl der Hektare Weizen bis herunter zum Westenknopf. Es ist wahr, der Bürokratie scheint es nicht selten, dass eben gerade sie einen ähnlichen Verstand besitzt: deshalb begibt sie sich so leicht der Kontrolle des Marktes und der Demokratie der Sowjets.44

Vor diesem Hintergrund befasste sich Trotzki in den 1930er Jahren mit den Fragen, welche Organe den Plan ausarbeiten und umsetzen müssen, welche Methoden zu seiner Kontrolle und Regulierung es gibt und welche die Bedingungen für seinen Erfolg sind. Es ist wichtig festzuhalten, dass er sich hier nicht auf eine sozialistische Gesellschaft bezog, sondern, wie bereits erwähnt, auf ein vorbereitendes oder Übergangsregime vom Kapitalismus zum Sozialismus, das in der UdSSR tatsächlich existierte. Um diese Fragen zu beantworten, analysierte er drei Systeme: 1) das System der zentralen und lokalen Plankommissionen; 2) das System der Marktregulierung; 3) das System der Regulierung durch die Massen durch die Sowjetdemokratie. Im ersten System kommt das Element der Zentralisierung zum Ausdruck. Die von diesen Kommissionen ausgearbeiteten Entwürfe mussten ihre wirtschaftliche Effizienz durch kommerzielle Rechnung unter Beweis stellen, denn durch das zweite System brachten die zahllosen Akteure der Wirtschaft – staatliche und private, kollektive und individuelle –– ihre Bedürfnisse und ihre relative Stärke durch den direkten Druck von Angebot und Nachfrage zum Tragen. Solange das Übergangsstadium nicht überwunden war, war eine wirtschaftliche Steuerung ohne die Berücksichtigung der Marktbeziehungen, die ansonsten de facto entstanden, nicht denkbar. Gleichzeitig war die Demokratie der Sowjets – liquidiert durch die Bürokratie – das einzige System, das in der Lage war, die beiden vorherigen zu kontrollieren.

Durch die Ausschaltung aller Kontrollmechanismen hat die bürokratische Planung eines der Grundprobleme jeder Planung, nämlich das Missverhältnis zwischen den verschiedenen Wirtschaftszweigen, exponentiell verschärft. Wie Trotzki betonte, ist es eine Sache, eine Million Paar Schuhe statt zwei Millionen zu produzieren, und eine ganz andere, nur eine halbe Schuhfabrik zu bauen. „Die Gesetzmäßigkeiten der Übergangsgesellschaft“, schrieb er, „sind von den Gesetzmäßigkeiten des Kapitalismus sehr verschieden. Aber nicht weniger verschieden sind sie von den zukünftigen Gesetzmäßigkeiten des Sozialismus, das heißt der harmonischen, auf Grundlage eines geregelten und gesicherten dynamischen Gleichgewichts wachsenden Wirtschaft. Die produktiven Vorteile des Sozialismus – Zentralisation, Konzentration, Einheitlichkeit des leitenden Willens sind unermesslich. Aber bei falscher Anwendung, besonders aber bei bürokratischem Missbrauch, können sie sich in ihr Gegenteil verwandeln.“45 Der Schlüssel zum Ganzen war für Trotzki, dass die absolute Priorität bei den Zielen der Planung in der Verbesserung der Lebensbedingungen der Arbeiter:innen und ihrer Familien liegen sollte. Die Gewährleistung einer guten Ernährung, Kleidung, Wohnung und all dessen, was zum Wohlbefinden der Werktätigen beiträgt, war die Voraussetzung für den Erfolg des Plans oder, besser gesagt, die eigentliche Bedingung für jede Planung der Wirtschaft unter dem Gesichtspunkt des Übergangs zum Sozialismus.

Die drei Ebenen, von denen Trotzki sprach (Ausarbeitung des Plans, Kontrolle durch den Markt, demokratische Kontrolle durch die Räte), können unter den gegenwärtigen Bedingungen auch in neuer Form gedacht werden. An erster Stelle die Ausarbeitung des Plans selbst. Der notwendigerweise globale Charakter des Plans markiert eine Spannung zwischen dem zentralisierten Plan und seinem Aufbau von unten. Mit den heute zur Verfügung stehenden IT-Ressourcen und Echtzeit-Informationsmanagement-Kapazitäten wäre es jedoch viel einfacher, mehrere alternative Pläne von demokratisch gewählten Räten unter Beteiligung von Gewerkschaften, sozialen Bewegungen, Universitäten, Umweltorganisationen usw. auszuarbeiten. Die makroökonomischen Gesamtpläne sollten verschiedene alternative künftige Strukturen der Wirtschaft sowie Entscheidungen zu Fragen wie Akkumulationsrate, Größe der verschiedenen Sektoren (Bildung, Gesundheit usw.), Umweltaspekte, Länge der Arbeitszeit, Verteilung der Arbeitskräfte und Ressourcen auf die einzelnen Sektoren usw. beschreiben. Die verschiedenen Pläne könnten für jedermann zugänglich gemacht werden und die Grundlage für eine breite Debatte bilden, in der die grundlegenden Punkte der Pläne auf einfache Weise erklärt werden. Die Auswahl zwischen den vorgeschlagenen Plänen könnte öffentlich in den Räten und in den Massenmedien diskutiert und einer Art allgemeinem Referendum unterzogen werden.

Schon so würde diese Art der wirtschaftlichen Entscheidungsfindung im Gegensatz zu der Art und Weise stehen, wie Entscheidungen in jedem kapitalistischen Land getroffen werden, wie demokratisch es auch sein mag. Nicht nur, weil die meisten grundlegenden Entscheidungen (Investitionen, Arbeitsteilung, Akkumulation usw.) im Kapitalismus bruchstückhaft, inkohärent und anarchisch getroffen werden, ohne Rücksicht auf die gesellschaftlichen Bedürfnisse und die Gesamtproportionen zwischen den verschiedenen Wirtschaftszweigen, und gleichzeitig despotisch, da sie nach Belieben von den Eigentümern der Produktionsmittel getroffen werden. Selbst in den bürgerlichen Demokratien wird der mit dem Staat verbundene Teil der Wirtschaft – zu dem beispielsweise allgemeine Fragen wie die Staatsverschuldung gehören –, dessen Projektion im Allgemeinen in Form von Jahresbudgets zum Ausdruck kommt, in den Parlamenten – wenn nicht direkt in der Exekutive – hinter dem Rücken der großen Mehrheiten beschlossen. Letztere, die alle zwei oder vier Jahre wählen, können diese Entscheidungen erst post festum bei der nächsten Wahl anfechten, wenn die Folgen für Wirtschaft und Gesellschaft bereits eingetreten sind. Die Möglichkeit einer allgemeinen Diskussion über die Verwendung der wirtschaftlichen Ressourcen durch einen demokratisch beschlossenen Plan stellt an sich schon einen großen demokratischen Fortschritt gegenüber jedem kapitalistischen politischen System dar.

Dieser demokratische Ansatz ist auch grundlegend für den Umgang mit den Verwerfungen, die der Kapitalismus im Stoffwechsel zwischen Mensch und Natur verursacht hat und die die Dringlichkeit der Überwindung dieser Produktionsweise erhöhen. Innerhalb des Ökosozialismus gibt es grob zwei Hauptströmungen. Auf der einen Seite stehen diejenigen, die auf Degrowth setzen und eine drastische planmäßige Reduzierung der gesellschaftlichen Produktion vorschlagen, um den Druck auf die Ressourcen des Planeten zu verringern. Auf der anderen Seite stehen die Ökomodernist:innen, die die Antwort auf dieses Problem in der Beschleunigung der technologischen Entwicklung sehen. Versionen wie Aaron Bastanis Idee eines „vollautomatisierten Luxuskommunismus“ machen die technologische Entwicklung selbst zu einem Fetisch, der in der Lage sei, ein breites Spektrum kritischer Fragen zu lösen, einschließlich der Antwort auf die ökologische Krise. Wie Esteban Mercatante in „Ecología y comunismo“ (dt. Degrowth vs. Luxuskommunismus: Die Grenzen einer vereinfachten Perspektive)46 darlegt, kann man der Technologie – die niemals neutral ist, sondern von den gesellschaftlichen Beziehungen abhängt, in die sie eingebettet ist – nicht zutrauen, dass sie allein die Verwerfungen löst, die jede sozialistische Planung vom Kapitalismus erben wird. Gleichzeitig führt die Selbstbeschränkung auf einen DegrowthKommunismus dazu, dass Alternativen abgeschnitten werden, die eine auf der Vergesellschaftung der Produktionsmittel basierende Gesellschaft in Betracht ziehen könnte, um das Wohlergehen der Gesellschaft als Ganzes mit einem ausgeglichenen Stoffwechsel mit der Natur in Einklang zu bringen. In dieser Hinsicht greift Mercatante einige sehr relevante Punkte auf, die von Troy Vettese und Drew Pendergrass in Half-Earth Socialism gemacht wurden und die versuchen, sich von der einfachen Gegenüberstellung zwischen Degrowth und Ökomodernismus zu entfernen. Die Autoren argumentieren, dass, wenn das Ziel des Sozialismus darin besteht, die Menschheit in die Lage zu versetzen, sich selbst und ihren Austausch mit der Natur bewusst zu regulieren, der beste Weg zur Erreichung dieses Ziels darin besteht, zwischen alternativen Plänen zu wählen, die unterschiedliche Visionen für den Einsatz der Produktionskapazität der Gesellschaft darstellen. Sie zeigen sogar, wie neuere Entwicklungen wie die von Klimawissenschaftler:innen verwendeten integrierten Bewertungsmodelle die Planungsmechanismen bereichern können.47 Eine Planung auf sozialistischer Grundlage kann verschiedene Wege zu einem Gleichgewicht mit dem Stoffwechsel zwischen Mensch und Natur aufzeigen. Die demokratische Erarbeitung und Diskussion von alternativen Wirtschaftsplänen mit den neuen Möglichkeiten, die es dafür gibt, könnte dabei eine wichtige Rolle spielen.

Gleichzeitig würden die neuen Technologien es auch ermöglichen, den anderen Pol der Planung in einer Weise zu verstärken, wie es im 20. Jahrhundert nicht möglich war: die Erstellung des Plans von unten, das heißt die Beeinflussung nicht nur der Wahl zwischen alternativen Gesamtplänen, sondern auch der Ausarbeitung der Inputs (Informationen), die für die Erstellung des Plans verwendet werden, und damit die Ausweitung des Einflusses der individuellen Präferenzen im Gesamtprojekt. Wie Daniel Saros hervorhebt, ermöglicht es die Informationstechnologie heute, individuelle Bewertungsmaßstäbe auf viel wirksamere und reflexivere Weise zu kommunizieren als der Marktmechanismus, der wohlgemerkt alle Bedürfnisse unbefriedigt lässt, die von den großen Mehrheiten nicht mit Geld unterstützt werden können. Saros schlägt einen Mechanismus zur Präferenzeinstufung durch „Bedürfnisprofile“ vor, der es den Verbraucher:innen ermöglichen würde, selbst zu bestimmen, welche Produkte (generische und spezifische) am meisten gefragt sind, indem sie eine Bewertung anhand einer Rangskala vergeben.48 Es handelt sich dabei um eine Art Vorabanfrage für Produkte über eine elektronische Plattform, wie sie von großen Onlineshops verwendet wird. Abgesehen von den konkreten Bedingungen seines Ansatzes – der in vielerlei Hinsicht umstritten ist und in einer Detailtiefe ausgearbeitet wurde, auf die wir hier nicht eingehen können – regen solche Annäherungen dazu an, über die Möglichkeiten einer direkten Intervention von Arbeiter:innen und Verbraucher:innen bereits bei der Ausarbeitung eines Planentwurfs nachzudenken. Saros denkt sogar an ein Schema, das fast an die Echtzeit angepasst ist. Das Konzept sieht vor, dass jede:r Arbeiter:in und jede:r Verbraucher:in durch die Angabe individueller Präferenzen und Bedürfnisse einen Teilbeitrag zur Gesamtplanung leistet, auf der Grundlage eines bestimmten Niveaus individueller Planung, die sich nicht allzu sehr von dem unterscheidet, was viele Familien schon heute tun.

Fragen wie die, auf die wir hingewiesen haben, würden es ermöglichen, mit Hilfe der neuen Technologien von der bürokratischen Idee des „universalen Verstands“, die Trotzki kritisierte, wegzukommen. Und gleichzeitig unzählige makroökonomische Prozesse durch einen ständigen Informationsfluss, der dem des Marktes weit überlegen ist, mit den mikroökonomischen Ebenen zu koordinieren. Wie Morozov betont, besteht keine Notwendigkeit mehr, eine große Anzahl heterogener Fakten in die Zwangsjacke der Preise zu pressen, wenn Computerchips diese Fakten direkt kommunizieren können.49 All dies würde natürlich bedeuten, dass die Mittel zur Schaffung alternativer Formen der gesellschaftlichen Koordination, die so genannte „Feedback-Infrastruktur“, vergesellschaftet und den Technologiegiganten, die sie heute monopolisieren, entzogen werden müssten. Auf diese Weise könnte die Planung in einer Übergangswirtschaft dem System der Marktregulierung zuvorkommen, wenn sie dessen Wirksamkeit durch kommerzielle Rechnung projiziert, indem sie die kollektiven und individuellen, staatlichen und privaten Akteure der Wirtschaft im Voraus in Aktion bringt und Angebot und Nachfrage auf plausible Weise vorhersagt. Auf der Ebene der verschiedenen Wirtschaftszweige könnte sie auch als Instrument gegen Unverhältnismäßigkeiten dienen. Sie könnte wirksam auf die Qualitätsprobleme einwirken, vor denen Trotzki gewarnt hat, und die Haltbarkeit von Produkten gegen die geplante Obsoleszenz erhöhen, die irrational und ökologisch so kostspielig ist. Solche Probleme sind ein unüberwindbares Hindernis für die Bürokratie, denn die Qualität setzt die Demokratie der Produzent:innen und Verbraucher:innen sowie die Freiheit der Kritik und Initiative voraus.

Natürlich haben all diese Konzepte derzeit nur einen ungefähren Wert, um die politische Phantasie zu fördern. Viele der oben zitierten Autor:innen haben evolutionäre Visionen von der Entwicklung zum Sozialismus und überschätzen die Vorzüge der Technologie selbst bei der Lösung von Problemen, die letztlich politisch und auf revolutionäre Methoden angewiesen sind. Im konkreten Fall wiederum werden die spezifischen historischen Gegebenheiten unterschiedliche Szenarien hervorbringen. Andererseits impliziert die Planung zentrale Fragen wie das Vorhandensein einer starken Währung – im Falle einer Übergangswirtschaft oder einer Reihe von Volkswirtschaften im Rahmen des kapitalistischen Weltmarktes –, ohne die alle Berechnungen in einer inflationären Flut zunichte gemacht werden könnten. Vor allem aber wird sich im System der Massenregulierung durch die Rätedemokratie entscheiden, ob die Planung als Ganzes demokratisch kontrolliert wird oder nicht und damit auch die Lebensfähigkeit einer Wirtschaft, die auf dem wirklich gesellschaftlichen Eigentum an den Produktionsmitteln beruht. Daraus ergibt sich die unauflösliche Verbindung zwischen der Frage der Planung und der der Räte sowie zwischen beiden und der Perspektive des Sozialismus. Die Einbeziehung neuer Bedingungen für das Nachdenken über jedes dieser Probleme hat auch mit dem Kampf der Ideologien heute und der Fähigkeit zu tun, eine sozialistische Vorstellungswelt im 21. Jahrhundert zu schaffen. Ihr Schicksal wird in erster Linie mit der politischen Entwicklung der Arbeiter:innenklasse und der Möglichkeit neuer sozialistischer Revolutionen, die noch nicht stattgefunden haben, verbunden sein.

Der Kampf der Ideologien und der politischen Praktiken

In diesen Zeilen haben wir uns auf die Rätedemokratie und die sozialistische Planung konzentriert. Natürlich geht es im heutigen Kampf der Ideologien nicht ausschließlich um sie, aber sie sind zwei zentrale Themen für die Wiederherstellung der Verbindung zwischen Freiheit und Notwendigkeit, die für die Wiederherstellung des sozialistischen Projekts im 21. Jahrhundert von grundlegender Bedeutung ist. Beide sind weit davon entfernt, willkürliche Überlegungen über die Zukunft der Menschheit zum Ausdruck zu bringen, sondern wurzeln in den organischen Krisen des heutigen Kapitalismus. Unter ihrem Einfluss steht der mehr oder weniger allgemeine Zerfall der hegemonialen Struktur, die den neoliberalen Zyklus aufrechterhalten hat. Die Krise der bürgerlichen Demokratie und die Verengung des neoliberalen Sozialpakts sind die potenzielle Grundlage, um alternative Wege zur Lösung alter Probleme sichtbar zu machen, sowohl von links als auch von rechts. In diesem Zusammenhang erhält die Aussicht auf einen Zusammenstoß der Ideologien und damit die Notwendigkeit, das sozialistische Projekt in seinen verschiedenen Dimensionen zu entfalten, neue Aktualität.

Die Entwicklung einer neuen Ideologie – „neu“ nicht im Sinne einer bloßen Neuheit, sondern als Faktor, der auf einer bestimmten Ebene in der Realität wirkt – ist eine notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung, um die als common sense kristallisierten Überzeugungen zu verdrängen. Ein revolutionärer Ansatz, der einen echten Kampf der Hegemonien anstrebt, setzt voraus, dass der Kampf der Ideologien Hand in Hand mit bestimmten Praktiken geht, die ihm entsprechen. Als die Sowjets 1905 entstanden, sahen sowohl Trotzki als auch Lenin – letzterer in Polemik mit den meisten Bolschewiki – in ihnen eine neue, von der Massenbewegung entwickelte politische Praxis, die der bürgerlichen Politikpraxis entgegengesetzt war und die es ermöglichte, die verschiedenen Forderungen und Kampfformen in neuen Institutionen der Selbstorganisation zu artikulieren, um eine alternative Macht zu schaffen. Diese Art von Ansatz ist sehr aktuell, wenn es darum geht, über die Wiederbelebung des Themas der Räte nachzudenken.

Das Problem liegt in der Übereinstimmung zwischen der Rätedemokratie in ihrer ideologischen Dimension und einer bestimmten politischen Praxis. Diese Verbindung impliziert die Schaffung einer spezifischen Form der Intervention in die Prozesse des Klassenkampfes, die eng mit der Entwicklung von eigenen Institutionen der Arbeiter:innenklasse und der Massenbewegung verbunden ist. Sie beginnt auf der Ebene der Avantgarde und der Massensektoren, die sich zuerst, wenn auch nur anfänglich, mittels Institutionen der Vereinigung und Koordination von Kämpfen mobilisieren. Angesichts der größeren Heterogenität und Zersplitterung der Arbeiter:innenklasse kommt einer Politik wie der von Trotzki unter dem Namen „Aktionskomitees“ entwickelten, auf die wir in anderen Artikeln näher eingegangen sind,50 eine besondere Bedeutung zu. Solche Institutionen sind ein unverzichtbares Rädchen im Getriebe für die Wirksamkeit der Einheitsfrontpolitik und damit für die Entwicklung der Räte selbst. Gleichzeitig sind sie in der Lage, die Kräfte der Revolutionär:innen als Organisator:innen der fortgeschrittensten Sektoren der Arbeiter:innen- und Massenbewegung zu stärken.

Das Gleiche gilt für die Frage der sozialistischen Planung. Während sie einerseits, wie die Rätedemokratie, als System die Errichtung eines Arbeiter:innenstaates voraussetzt, hat sie andererseits eine breitere Bedeutung als ideologische Manifestation, die mit einer kraftvollen Idee des Kollektivs verbunden ist. Die kapitalistischen Krisen mit ihrer desorganisierenden Rolle in den Produktionsverhältnissen machen es möglich, die Notwendigkeit von Planung und Kollektivität hervorzuheben. Angesichts dieser Krisen ist die Perspektive der Planung in erster Linie mit der Idee der „Arbeiter:innenkontrolle“ der Produktion verbunden, die die kapitalistische Kontrolle in den Unternehmen in Frage stellt und gleichzeitig versucht, eine elementare Idee der rationalen Planung der Ressourcen einzuführen. Es ist ein Appell an das Wissen und die Kreativität der Arbeiter:innen als Produzent:innen, um die Betrügereien der Kapitalist:innen zu entlarven und die Verschwendung und Willkür der Produktion aufzudecken, die der Kapitalismus im Streben nach Profit durchsetzt.

Trotzki stellt dies im Übergangsprogramm wie folgt dar. Als Übergangsparole ist die Arbeiter:innenkontrolle und -verwaltung mit der Infragestellung von alltäglichen Erfahrungen der Arbeiter:innen verbunden, wie die Willkür der Bosse, die Privilegien und die Willkür in der kapitalistischen Organisation der Produktion und die Aneignung ihrer Früchte.51 Im Übergangsprogramm existieren zwei Dimensionen der Arbeiter:innenkontrolle und -verwaltung nebeneinander. Die eine steht im Zusammenhang mit partiellen Aktionen wie der Besetzung und direkten Verwaltung von Privatunternehmen, die geschlossen werden sollen, durch die Arbeiter:innen, um sie in öffentliche Dienstleistungsunternehmen umzuwandeln. Eine umfassendere Dimension, die direkter mit der Eroberung eines Arbeiter:innenstaates verbunden ist, bezieht sich auf die Enteignung privater Banken und die Verstaatlichung des Kreditwesens sowie die Enteignung strategischer Wirtschaftssektoren. In beiden Fällen stellt ihre Umsetzung eine Schule der Wirtschaftsplanung dar, die den Weg für neue Praktiken ebnen soll, die auch mit der Entwicklung von Betriebs- und Unternehmenskomitees und deren Koordination auf lokaler, regionaler und nationaler Ebene verbunden sind.

Insgesamt verweisen sowohl die Artikulation in Institutionen der Selbstorganisation in der Perspektive der Räte als auch die Arbeiter:innenkontrolle in der Perspektive der Wirtschaftsplanung auf eine Art nicht-korporativer politischer Praxis, die darauf abzielt, die Arbeiter:innenklasse als hegemoniales Subjekt zu etablieren. Diese Praxis geht über die vom bürgerlichen Regime auferlegte Routine hinaus, die sich auf die Anrufung der Arbeiters als Lohnempfänger:innen, die um den Preis der Arbeitskraft kämpfen, oder als atomisierte Staatsbürger:innen, die alle paar Jahre für die Politiker:innen ihrer Wahl abstimmen, beschränkt. Sie wirft eine bestimmte Art der Intervention in den Gewerkschaften auf, die neben den Lohnkämpfen auch den Kampf um die Einheit der verschiedenen Sektoren der Arbeiter:innen- und Massenbewegung, die von der Bürokratie gespalten werden, beinhaltet. Das Gleiche gilt für den Bereich der Wahlen und des Parlaments, wo sie eine Intervention impliziert, die eng mit der Förderung des außerparlamentarischen Kampfes verbunden ist.

Die Bedeutung dieses Ansatzes ergibt sich aus der Tatsache, dass Ideologien auch Praktiken sind, die mit einer bestimmten Vorstellung von der Welt übereinstimmen. Sie erlangen Konsistenz und verkörpern sich in den Massensektoren nicht zufällig, sondern weil sie in gewisser Weise tiefe strukturelle Bedürfnisse ausdrücken. Natürlich geschieht dies nicht mechanisch oder automatisch. Damit dies geschieht, müssen sie die Form eines Kampfes der Ideologien annehmen, die in der Lage sind, die Praktiken nachhaltig zu beeinflussen und sich in einem Wettbewerb alternativer Hegemonien herauszubilden. Dies setzt die Schaffung unabhängiger Institutionen der Massenbewegung voraus. Dies ist der „Stellungskrieg“, den die Arbeiter:innenklasse angesichts der Verstaatlichung ihrer Organisationen für ihre Autonomie führen muss. Ein „Stellungskrieg“ mit Vorbereitungscharakter, der nicht nur Momente des „Bewegungskriegs“ beinhaltet, sondern der seine endgültige Bedeutung in der Probe des strategischen Übergangs zum „Bewegungskrieg“ für die Eroberung der Macht erlangt.52

In diesem „Stellungskrieg“ versucht der Kampf um den Aufbau revolutionärer Parteien auf nationaler und internationaler Ebene den Willen zu verdichten, von dem er ausgeht und der den Kampf der Ideologien und die Entwicklung neuer Praktiken antreibt, die in der Lage sind, sich zu einer echten hegemonialen Alternative zu verbinden. Dies geschieht durch den Einsatz einer ganzen Reihe von Instrumenten, die in der Arbeiter:innenklasse, in den sozialen und demokratischen Bewegungen und in Teilen der Intelligenz verwurzelt sind. Wie Gramsci sagte: „Das entscheidende Element jeder Situation ist die dauerhaft organisierte und von langer Hand vorbereitete Kraft, die man vorrücken lassen kann, wenn man eine Situation als günstig einschätzt (und günstig ist sie nur, sofern eine solche Kraft vorhanden und von kämpferischem Feuer erfüllt ist); deshalb ist die wesentliche Aufgabe, systematisch und geduldig darauf zu achten, diese Kraft zu formieren, zu entwickeln, sie immer homogener, kompakter, selbstbewußter zu machen.“53

In Zeiten wie diesen, in denen die Rückkehr der Intensität des Politischen und die Wiedereröffnung des Terrains für den Kampf der Ideologien zusammenkommen, sind die Wiederbelebung des sozialistischen Projekts und der Horizont seiner Verwandlung in eine materielle Kraft immer enger miteinander verbunden. Die Notizen, die wir in diesen Zeilen vorgestellt haben, haben das doppelte Ziel, zwei zentrale Probleme für den Kampf der Ideologien wie die Rätedemokratie und die sozialistische Planung sowohl im Hinblick auf die neuen historischen Umstände als auch im Hinblick auf ihre Verbindung mit der Entwicklung neuer Praktiken und Institutionen der Massenbewegung und den revolutionären Organisationen zu überdenken. Abgesehen von den Aspekten, die wir – sicher nur partiell – angesprochen haben, besteht der Sinn dieser Zeilen vor allem darin, eine Debatte anzuregen, die wir für den Wiederaufbau des revolutionären Marxismus im 21. Jahrhundert für unerlässlich halten. Wir hoffen, einen Beitrag dazu geleistet zu haben.

Dieser Artikel erschien zuerst am 14. Januar 2024 auf Spanisch bei Ideas de Izquierda.

Fußnoten

  1. 1. Vgl. Claudia Cinatti und Matías Maiello: Die Rückkehr der „Epoche der Krisen, Kriege und Revolutionen“ und die Perspektiven für eine revolutionäre internationalistische Linke, 29. Mai 2023, https://www.klassegegenklasse.org/die-rueckkehr-der-epoche-der-krisen-kriege-und-revolutionen-und-die-perspektiven-fuer-eine-revolutionaere-internationalistische-linke/ [25. September 2024].
  2. 2. Vgl. Leo Trotzki: Das Programm vervollständigen und in die Tat umsetzen, in: Ders.: Das Übergangsprogramm. Der Todeskampf des Kapitalismus und die Aufgaben der 4. Internationale, Arbeiterpresse, Essen 1997, S. 165. Abrufbar unter: https://www.marxists.org/deutsch/archiv/trotzki/1938/uebergang/index.htm [15. Oktober 2024].
  3. 3. Vgl. Nicola Badaloni: Libertà individuale e uomo collettivo in Gramsci, in: Franco Ferri (Hg.): Politica e storia in Gramsci, Editori Riuniti, Rom 1977.
  4. 4. Leo Trotzki: Thesen über die Organisierung der Industrie, in: Internationale Presse-Korrespondenz, 3/74 (1923), S. 636-641. Abrufbar unter: https://www.sozialistischeklassiker2punkt0.de/sites.google.com/site/sozialistischeklassiker2punkt0/trotzki/1923/leo-trotzki-thesen-ueber-die-organisierung-der-industrie.html [25. September 2024].
  5. 5. Emilio Albamonte und Matías Maiello: An den Grenzen der „bürgerlichen Restauration“, 15. Oktober 2011, https://www.klassegegenklasse.org/an-den-grenzen-der-burgerlichen-restauration/ [25. September 2024].
  6. 6. Entgegen jeglicher Nostalgie für den „Kalten Krieg“ nutzte sich dieser Kampf der Hegemonien immer mehr ab, parallel zur bürokratischen Degeneration der UdSSR und den bürokratischen Deformationen, die die neuen Staaten kennzeichneten, die aus den Nachkriegsrevolutionen hervorgingen. Die Prozesse der „politischen Revolution“ (Berlin 1953, Ungarn 1956, Tschechoslowakei 1968, Polen 1980-81 usw.), die diese Tendenz hätten umkehren können, scheiterten. Diese sozusagen hegemoniale Aushöhlung sorgte in großem Maße dafür, dass die antibürokratischen Aufstände von 1989-91 auf restaurationistische Ziele umgelenkt wurden.
  7. 7. Vgl. Perry Anderson: Renewals, New Left Review 1 (Januar-Februar 2000), abrufbar unter: https://newleftreview.org/issues/ii1/articles/perry-anderson-renewals [25. September 2024].
  8. 8. Zu diesem Thema vgl. Matías Maiello: De la movilización a la revolución, Ediciones IPS, Buenos Aires 2022.
  9. 9. Alexis De Tocqueville: Über die Demokratie in Amerika, Band 2, Fischer TB, Berlin 1956, S. 222.
  10. 10. Antonio Gramsci: Gefängnishefte, Band 7, Heft 15 § 47, „Machiavelli“, Argument-Verlag, Hamburg 1996, S. 1764.
  11. 11. Antonio Gramsci: Gefängnishefte, Band 4, Heft 6 § 155, „Vergangenheit und Gegenwart. Politik und Kriegskunst“, Argument-Verlag, Hamburg 1992, S. 824.
  12. 12. Vgl. Leo Trotzki: Das Übergangsprogramm, S. #., abrufbar unter: https://www.marxists.org/deutsch/archiv/trotzki/1938/uebergang/ueberg2.htm#sow [25. September 2024].
  13. 13. Vgl. Santiago Lupe: Prólogo, in: Leo Trotzki: La victoria era posible. Escritos sobre la revolución española [1930-1940], ,Ediciones IPS-CEIP León Trotsky, Buenos Aires 2014.
  14. 14. Vgl. John Womack: Posición estratégica y fuerza obrera, FCE, Mexiko-Stadt 2007, S. 50ff.
  15. 15. Vgl. John Stuart Hall: The hard road to renewal, Verso, London/New York 2021.
  16. 16. Karl Marx und Friedrich Engels: Vorwort zum „Manifest der Kommunistischen Partei“ (deutsche Ausgabe 1872), in: Dies.: Werke, Band 18, Dietz Verlag, Berlin 1976, S. 96.
  17. 17. Adelbert Reif: Interview mit Hannah Arendt, in: Hannah Arendt: Macht und Gewalt, Piper, München 1971, S. 131.. Für eine kritische Auseinandersetzung vgl. Claudia Cinatti und Emilio Albamonte: Más allá de la democracia liberal y el totalitarismo. Trotsky y la democracia soviética, Estrategia Internacional 21 (2004), abrufbar unter: https://ceip.org.ar/Mas-alla-de-la-democracia-liberal-y-el-totalitarismo-Trotsky-y-la-democracia-sovietica [25. September 2024].
  18. 18. Vgl. Alexander Hamilton, James Madison und John Jay: The Federalist, Hackett, Indianapolis 2005, S. 374.
  19. 19. Leo Trotzki: Ein Aktionsprogramm für Frankreich, Juni 1934, abrufbar unter: https://www.marxists.org/deutsch/archiv/trotzki/1934/06/aktprog.htm [25. September 2024].
  20. 20. Antonio Gramsci: Gefängnishefte, Band 7, Heft 13 § 30, „Die Zahl und die Qualität in den Repräsentativregimen“, S. 1598.
  21. 21. W. I. Lenin: Staat und Revolution, in: Ders.: Werke, Band 25, Dietz Verlag, Berlin 1972, S. 393-507, hier S. 504, abrufbar unter: http://www.mlwerke.de/le/le25/le25_489.htm [25. September 2024]. Hervorhebungen im Original.
  22. 22. Leo Trotzki: Terrorismus und Kommunismus (Anti – Kautsky), in: Ders.: Grundfragen der Revolution, Verlag der Kommunistischen Internationale, Hamburg 1923, S. 1–219, abrufbar unter: https://www.marxists.org/deutsch/archiv/trotzki/1920/terror/07-sowpol.html [25. September 2024].
  23. 23. Ellen Meiksins Wood: Demokratie contra Kapitalismus. Beiträge zur Erneuerung des historischen Materialismus, Neuer ISP Verlag, Köln 2010 [1995], S. 204f., abrufbar unter: https://www.neuerispverlag.de/lipro.php?bereich=kolo [15. Oktober 2024].
  24. 24. Zur Entwicklung der Debatten über die „Tyrannei der Fabrik“ und den Übergang zum Sozialismus vgl. Claudia Cinatti: La actualidad del análisis de Trotsky frente a las nuevas (y viejas) controversias sobre la transición al socialismo, Estrategia Internacional 22, 25. November 2005, abrufbar unter: https://www.ft-ci.org/La-actualidad-del-analisis-de-Trotsky-frente-a-las-nuevas-y-viejas-controversias-sobre-la [25. September 2024].
  25. 25. Fréderic Lordon: Capitalismo, deseo y servidumbre. Marx y Spinoza, Tinta Limón, Buenos Aires 2014, S. 147. Eigene Übersetzung.
  26. 26. Perry Anderson: Antonio Gramsci. Eine kritische Würdigung, Olle & Wolter, Berlin 1979, S. 41.
  27. 27. Karl Marx: Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, in: Karl Marx und Friedrich Engels: Werke, Band 42, Dietz Verlag, Berlin 1983, S. 624.
  28. 28. Auf der Grundlage von Hilferdings Ansatz wurden die Räte der deutschen Revolution von 1918-19 vom bürgerlichen Staat in Form einer Art von Arbeitskammern absorbiert, die ihres revolutionären Inhalts beraubt wurden. Zum Verhältnis von bürgerlicher Demokratie und Räten bei Poulantzas vgl. Nicos Poulantzas: Staatstheorie. Politischer Überbau, Ideologie, sozialistische Demokratie, VSA, Hamburg 1978. Zum Ansatz von Artous vgl. Antoine Artous: Democracia y emancipación social (II), 24. April 2005, abrufbar unter: https://vientosur.info/democracia-y-emancipacion-social-ii/ [25. September 2024]; und: Ders.: Marx, l’État, et la politique, Syllepse, Paris 1999.
  29. 29. Vgl. Leo Trotzki: Verratene Revolution. Was ist die Sowjetunion und wohin treibt sie?, Veritas-Verlag, Zürich, 1957, abrufbar unter: https://www.marxists.org/deutsch/archiv/trotzki/1936/verrev/index.htm [25. September 2024].
  30. 30. Vgl. Giovanni Sartori: Homo videns, Taurus, Madrid 1998.
  31. 31. Vgl. Peter Thomas: The Gramscian Moment. Philosophy, Hegemony and Marxism, Brill, Leiden 2009, S. 165.
  32. 32. Vgl. Michel Foucault: Die Geburt der Biopolitik. Geschichte der Gouvernementalität II, Suhrkamp, Berlin 2006.
  33. 33. Vgl. in diesem Zusammenhang: Emilio Albamonte und Matías Maiello: Jenseits der „bürgerlichen Restauration“. Fünfzehn Thesen zur neuen Etappe der internationalen Situation, 29. April 2023, abrufbar unter: https://www.klassegegenklasse.org/jenseits-der-buergerlichen-restauration-teil-1/ [25. September 2024].
  34. 34. Vgl. Juan Chingo: Bedeuten Krieg und Inflation das Ende der neoliberalen Globalisierung?, 25. Oktober 2022, abrufbar unter: https://www.klassegegenklasse.org/bedeuten-krieg-und-inflation-das-ende-der-neoliberalen-globalisierung/ [25. September 2024].
  35. 35. Vgl. hierzu: Nicola Badaloni: Libertà individuale e uomo collettivo in Gramsci.
  36. 36. Vgl. ebd.
  37. 37. Vgl. Antonio Gramsci: Gefängnishefte, Band 7, Heft 15 § 29, „Einführung ins Studium der Philosophie“, Argument-Verlag, Hamburg und Berlin 1996, S. 1742f.
  38. 38. Leo Trotzki: Verratene Revolution. Was ist die Sowjetunion und wohin treibt sie?, abrufbar unter: https://www.marxists.org/deutsch/archiv/trotzki/1936/verrev/kap03.htm [25. September 2024].
  39. 39. Friedrich A. Hayek: The Use of Knowledge in Society, in: The American Economic Review 35/4 (September 1945), S. 526, abrufbar unter: https://statisticaleconomics.org/wp-content/uploads/2013/03/the_use_of_knowledge_in_society_-_hayek.pdf [25. September 2024]. Eigene Übersetzung.
  40. 40. Vgl. Paul Cockshott und Maxi Nieto: Cibercomunismo. planificación económica, computadoras y democracia, Trotta, Madrid 2017.
  41. 41. Vgl. Daniel Saros: Information Technology and Socialist Construction, Routledge, London/New York 2004, S. 99.
  42. 42. Paul Cockshott und Maxi Nieto: Cibercomunismo, S. 36. Eigene Übersetzung.
  43. 43. Die Priorität, die diesen Zielen eingeräumt wurde, stand in direktem Zusammenhang mit der Strategie, die die Bürokratie im Kontext des Kalten Krieges verfolgte, nämlich dem geopolitischen Wettbewerb mit dem US-Imperialismus (der diese Bedingungen durchsetzte), wobei nach dem Tod Stalins die Theorie des „Sozialismus in einem Land“ zugunsten der sogenannten „friedliche Koexistenz“ aufgegeben wurde.
  44. 44. Leo Trotzki: Sowjetwirtschaft in Gefahr (Vor dem zweiten Fünfjahresplan), Berlin 1932, abrufbar unter: https://www.sozialistischeklassiker2punkt0.de/sites.google.com/site/sozialistischeklassiker2punkt0/trotzki/1932/leo-trotzki-sowjetwirtschaft-in-gefahr.html [25. September 2024].
  45. 45. Ebd.
  46. 46. Esteban Mercatante: Degrowth vs. Luxuskommunismus: Die Grenzen einer vereinfachten Perspektive, 15. August 2024, abrufbar unter: ttps://www.klassegegenklasse.org/degrowth-vs-luxuskommunismus-die-grenzen-einer-vereinfachten-perspektive/ [25. September 2024].
  47. 47. Paul Cockshott, Allin Cotrell und Jan Philipp Dapprich liefern in ihrem Buch Economic planning in an age of climate crisis ebenfalls Beiträge über das Potenzial sozialistischer Planung zur Vermeidung der Klimakatastrophe, in die der Kapitalismus uns führt. Vgl. dazu Martín Schapiro: Wirtschaftsplanung in Zeiten des Klimawandels, 8. September 2024, abrufbar unter: https://www.klassegegenklasse.org/wirtschaftsplanung-in-zeiten-des-klimawandels/ [25. September 2024].
  48. 48. Vgl. Saros: Information Technology and Socialist Construction.
  49. 49. Vgl. Evgeny Morozov: Digital Socialism? The Calculation Debate in the Age of Big Data, New Left Review 116/117 (März-Juni 2019), abrufbar unter: https://newleftreview.org/issues/ii116/articles/evgeny-morozov-digital-socialism [25. September 2024].
  50. 50. Vgl. Emilio Albamonte/Matías Maiello: Trotzki, Gramsci und der Aufstieg der Arbeiter:innenklasse als hegemoniales Subjekt, 11. März 2021, abrufbar unter: https://www.klassegegenklasse.org/trotzki-gramsci-und-der-aufstieg-der-arbeiterinnenklasse-als-hegemoniales-subjekt/ [25. September 2024].
  51. 51. Vgl. Trotzki: Das Übergangsprogramm.
  52. 52. Vgl. hierzu: Kapitel 3 und 4 von Emilio Albamonte und Matías Maiello: Estrategia socialista y arte militar, Ediciones IPS, Buenos Aires 2017.
  53. 53. Antonio Gramsci: Gefängnishefte, Band 7, Heft 13 § 17, Analyse der Situationen: Kräfteverhältnisse, S. 1565.

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