Zivilklausel unter Beschuss: Wie TU Berlin, Uni Rostock und Thyssenkrupp Militärforschung verschleiern

08.04.2025, Lesezeit 4 Min.
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Foto: penofoto/shutterstock.com

Die TU Berlin und die Universität Rostock kooperieren mit Thyssenkrupp bei der Entwicklung von U-Booten und brechen damit die Zivilklausel.

Die Technische Universität Berlin und die Universität Rostock kooperieren mit dem Rüstungskonzern Thyssenkrupp im Rahmen des Projekts MUM („Modifiable Underwater Mothership“). Dabei geht es um die Entwicklung eines modularen, unbemannten Unterwasserfahrzeugs – mit potenziellen militärischen Anwendungen. Das geht auch Recherchen des palästinasolidarischen Kollektivs Not in Our Name TU hervor. Die Beteiligung öffentlicher Hochschulen an diesem Vorhaben steht in direktem Widerspruch zur sogenannten Zivilklausel – einem grundlegenden Prinzip vieler Universitäten, das nun offenbar Stück für Stück untergraben wird.

Die Zivilklausel ist eine Selbstverpflichtung vieler Hochschulen, ausschließlich für zivile, also nicht-militärische Zwecke zu lehren und zu forschen. Sie ist eine Errungenschaft der deutschen Studierenden- und Friedensbewegung und stellt ein bewusstes Bekenntnis gegen die Beteiligung von Wissenschaft an Kriegen dar. In Zeiten von Aufrüstung und weltweiter Militarisierung ist sie ein wichtiger Schutzmechanismus gegen die Vereinnahmung der Wissenschaft durch die Rüstungsindustrie.

Doch diese Schutzmauer wird zunehmend ausgehöhlt – nicht nur durch ökonomischen Druck, sondern auch durch ideologische Angriffe aus Politik und Wirtschaft.

Das MUM-Projekt wird vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie gefördert. Neben Thyssenkrupp Marine Systems sind auch weitere Unternehmen wie ATLAS ELEKTRONIK und EvoLogics beteiligt. Ziel ist es, ein Unterwasser-Mutterschiff zu entwickeln, das modular einsetzbar ist – etwa zur Überwachung, Datenübertragung oder sogar für militärische Operationen.

Brisant ist dabei nicht nur die Beteiligung öffentlicher Hochschulen an einem Projekt mit klarem Dual-Use-Potenzial, sondern auch die Art und Weise, wie das Projekt beworben wird: Als „emissionsfrei“. Mit Projekten wie MUM versucht der Konzern, einer der größten Waffenproduzenten Europas, seinen Ruf aufzupolieren – als Innovator, als „grüner“ Technologieführer, als Partner der Wissenschaft. Doch hinter dem Greenwashing steckt die gleiche alte Realität: Krieg als Geschäft. Und Universitäten, die sich dem beugen, werden Teil dieses Geschäftsmodells.

Klimaneutralität in der Rüstungsindustrie? Das ist nichts anderes als ein perfides Greenwashing: Während durch die Waffenproduktion Kriege vorbereitet werden, die Menschen töten, Ressourcen plündern und Umwelt zerstören, wird versucht, ein sauberes Image aufzubauen. 

Gerade die TU Berlin ist seit Jahren Trägerin einer Zivilklausel doch mit der Beteiligung an MUM tritt sie diese Verpflichtung mit Füßen. Statt sich klar von der Rüstungsindustrie abzugrenzen, öffnet sie ihre Türen für Thyssenkrupp & Co. Das ist keine neutrale Kooperation – das ist aktive Komplizenschaft.

Auch die Universität Rostock beteiligt sich am Projekt: ein Skandal angesichts der politischen Debatten in Mecklenburg-Vorpommern, wo CDU und FDP offen die Abschaffung der Zivilklausel fordern. Ihre Argumente? Die Wissenschaft müsse „frei“ sein, gemeint ist jedoch: frei für die Rüstungsindustrie, frei für Profitlogik.

Die zunehmende Aushöhlung der Zivilklausel fällt nicht vom Himmel. Sie ist auch eine Folge massiver Kürzungen an den Hochschulen. Wenn staatliche Mittel gestrichen werden, wächst der Druck, Drittmittel aus der Wirtschaft einzuwerben – oft ohne Rücksicht auf die Konsequenzen. Militärkonzerne wie Thyssenkrupp nutzen diese Notlage gezielt aus, um sich als vermeintlich „neutrale“ Forschungspartner zu präsentieren. Doch Forschung unter dem Diktat ökonomischer Zwänge ist nicht frei – sie ist erpressbar. Wer die Zivilklausel ernst meint, muss sich auch gegen die neoliberale Unterfinanzierung der Hochschulen stellen.

Statt Greenwashing für die Waffenindustrie braucht es eine offensive antimilitaristische Bewegung an den Hochschulen. Die Zivilklausel ist kein nostalgisches Relikt, sondern gerade heute ein notwendiger Grundsatz. Sie muss verteidigt und gestärkt werden – nicht nur auf dem Papier, sondern durch eine klare Absage an jede Zusammenarbeit mit Rüstungskonzernen. 

Damit die Zivilklausel nicht zu einer leeren Worthülse verkommt, braucht es mehr als bloße Lippenbekenntnisse. Die Einhaltung muss regelmäßig und transparent überprüft werden – und zwar demokratisch durch die Mitglieder der Hochschule selbst. Studierende und Beschäftigte müssen das Recht und die Mittel haben, Forschungsprojekte auf mögliche militärische Verstrickungen hin zu kontrollieren und zu unterbinden. Nur so kann sichergestellt werden, dass Wissenschaft nicht noch weiter im Dienst von Konzernen und Kriegen gestellt wird.

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