Zehntausende in Katalonien fordern Freilassung der politischen Gefangenen

03.11.2017, Lesezeit 4 Min.
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Gestern wurden sieben Minister*innen und der Vizepräsident der katalanischen Regierung in Madrid in Untersuchungshaft genommen. Zudem wurde ein Haftbefehl gegen den sich in Brüssel aufhaltenden abgesetzten Präsidenten Carles Puigdemont verhängt. Die Antwort der katalanischen Massen auf den Sprung der Repression des spanischen Staats war spontan und einhellig: Tausende traten in Städten, Dörfern und Gemeinden auf die Straße, um die Freiheit für die politischen Gefangenen zu fordern.

Die Entscheidung der Richterin Carmen Lamela der Audiencia Nacional, des Obersten Strafgerichtshofs, acht Mitglieder der katalanischen Regierung in Untersuchungshaft zu nehmen, ohne Möglichkeit einer Kautionszahlung, hat zu großen Mobilisierungen in ganz Katalonien geführt.

Der Platz vor dem katalanischen Parlament war der zentrale Punkt, an dem sich laut der städtischen Polizei von Barcelona rund 20.000 Menschen zusammenfanden. Die Kundgebung wurde von Parteien und Gruppen aufgerufen, die für die Unabhängigkeit sind, wie dem Regierungsbündnis JxSí, aber auch von solchen, die sich gegen eine Unabhängigkeit aussprechen, wie Podem. Die gemeinsame Forderung lautete, wie nach der Verhaftung von Jordi Sànchez und Jordi Cuixart vor wenigen Wochen, „Freiheit für die politischen Gefangenen“.

Die zivilgesellschaftlichen Organisationen ANC und Òmnium hatten schon vor der Entscheidung des Obersten Strafgerichtshofs Vorankündigungen für Kundgebungen um 19 Uhr auf den Plätzen der katalanischen Städte in den sozialen Netzwerken verbreitet. Als sich der Sprung in der repressiven Offensive des Zentralstaats gegen die demokratische Bewegung in Katalonien verwirklichte, folgten Tausende diesem Aufruf. Auch die Komitees zur Verteidigung der Republik (CDR) sagten andere Aktivitäten ab, um sich an den Mobilisierungen zu beteiligen.

Die Richterin Carmen Lamela hat den Vizepräsidenten der katalanischen Regierung Oriol Junqueras und die Minister*innen Jordi Turull, Josep Rull, Meritxell Borràs, Raül Romeva, Carles Mundó, Dolors Bassa und Joaquim Forn ohne Möglichkeit einer Kautionszahlung in Untersuchungshaft gesteckt. Nur der vor der Unabhängigkeitserklärung zurückgetretene Minister Santi Vila wurde auf Kaution von 50.000 Euro frei gelassen.

Es fanden Mobilisierungen vor den Rathäusern vieler Städte und Dörfer statt. Die größten waren in Vic, Lleida und Tarragona. Vor dem katalanischen Parlament riefen die Massen „Ihr seid nicht alleine“, „Generalstreik“, „Unabhängigkeit“ und „Freiheit für die politischen Gefangenen“ und sangen die katalanische Hymne „Els Segadors“.

Unter einer großen Unabhängigkeitsflagge, der Estelada, sprachen die Ex-Präsident*innen des Parlaments Núria de Gispert und Joan Rigol, die aktuellen Vorsitzenden der ANC, Agustí Alcoverro, und Òmnium Cultural, Marcel Mauri. Dazu kamen Alfred Bosch von der republikanischen Linken ERC, der Anführer von Podemos in Katalonien (Podem), Albano Dante-Fachín, der zweite Bürgermeister von Barcelona Jaume Asens und der Vorsitzende des Gewerkschaftsdachverbandes UGT in Katalonien, Camil Ros.

Am Ende der Kundgebung vor dem Parlament zogen hunderte Demonstrant*innen zum Sitz der spanischen Zentralregierung und ab 22 Uhr begannen die „Cacerolazos“, die lauten Demonstrationszüge, in den Kiezen.

Gegen den abgesetzten Präsidenten Carles Puigdemont und die vier sich mit ihm befindenden Minister*innen hatte die Generalstaatsanwaltschaft einen Internationalen Haftbefehl erlassen. Puigdemont machte um 20:45 Uhr eine Stellungnahme aus Brüssel, in der er die Festnahmen als „schwerstes Attentat auf die Demokratie“ bezeichnete und die spanische Regierung beschuldigte, „auf den notwendigen Dialog zu verzichten, um politische Probleme zu lösen. Anstatt auf den Dialog zu setzen, wählt sie die Polizeigewalt und Verhaftungen.“

In Bezug auf die festgenommenen Regierungsmitglieder forderte er „die Freilassung der Minister*innen“ und verlange „ein Ende der politischen Repression. Eine gewählte Regierung dafür zu verhaften, dass sie ihr Wahlprogramm erfüllen, ist nicht mit dem Rechtsstaat vereinbar.“ Außerdem bezeichnete er das Verhalten der Zentralregierung als „rasend und alles bedrohend. Wir dürfen nicht nachlassen. Wir müssen sie bekämpfen, auf unsere Weise: friedlich und ohne Gewalt und mit Respekt vor allen Meinungen und Personen.“

Mit Blick auf die von Mariano Rajoy eingesetzten Regionalwahlen im Dezember sagte er: „Was heute passiert ist, ist ein Schlag für die Wahlen am 21. Dezember. Sie werden in einem Klima der Repression stattfinden.“ Und dann schloss er: „Die Freiheit Kataloniens ist nicht möglich, wenn es Katalan*innen gibt, die nicht frei sind, weil sie ihre Ideen verteidigen. Doch selbst hinter Gittern ist die legitime Regierung von Katalonien mächtiger als diejenige, die sie gefangen hält.“

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