XII. Konferenz der Trotzkistischen Fraktion der Vierten Internationale (FT-CI)

29.05.2023, Lesezeit 10 Min.
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Bild: La Izquierda Diario

Am 13. und 14. Mai fand die virtuelle Sitzung der XII. Konferenz der Trotzkistischen Fraktion für die Vierte Internationale (FT-CI) statt. Im Zentrum standen die internationale Situation ein Jahr nach dem Beginn des Kriegs in der Ukraine und die tiefgründigen Tendenzen des Klassenkampfes in Frankreich und die Perspektiven für Revolutionär:innen.

Am 13. und 14. Mai fand die virtuelle Sitzung der XII. Konferenz der Trotzkistischen Fraktion für die Vierte Internationale (FT-CI) statt, an der Delegationen der Partido de Trabajadores Socialistas (PTS-Argentinien), Révolution Permanente (RP-Frankreich), Left Voice (LV-USA), der Partido de Trabajadores Revolucionarios (PTR-Chile), des Movimento Revolucionário de Trabalhadores (MRT-Brasilien), Movimiento de las y los Trabajadores Socialistas (MTS-Mexiko), Liga Obrera Revolucionaria (LORCI-Bolivien), Corriente Revolucionaria de Trabajadoras y Trabajadores (CRT-Spanischer Staat), Revolutionäre Internationalistische Organisation (RIO-Deutschland), Frazione Internazionalista Rivoluzionaria (FIR-Italien), Liga de Trabajadores Socialistas (LTS-Venezuela), Corriente Socialista de las y los Trabajadores (CST-Peru), Organización Socialista Revolucionaria (OSR-Costa Rica); Corriente Socialista de Trabajadores (CST-Uruguay) und Genoss:innen der FT in Großbritannien teilnahmen. Neben den jeweiligen Delegationen waren auch Beobachter:innen aus den verschiedenen Organisationen der FT-CI an der Konferenz beteiligt. Die Sitzungen wurden live übertragen und simultan ins Spanische, Französische, Englische und Deutsche übersetzt.

Der erste Tag der Konferenz war der Debatte über die internationale Lage ein Jahr nach dem Ausbruch des Krieges in der Ukraine gewidmet. Der Eröffnungsvortrag wurde von Matías Maiello und Claudia Cinatti gehalten. Die breite Debatte, die sich aus den Beiträgen der Delegierten entwickelte, drehte sich um die tiefgreifenden Tendenzen der imperialistischen Epoche der Kriege, Krisen und Revolutionen (Lenin), die heute wieder im Mittelpunkt des Geschehens stehen. Die Erneuerung dieser Tendenzen drückt sich auf militärischem und geopolitischem Gebiet im Russland/Ukraine-NATO-Krieg, in den wachsenden Spannungen zwischen den USA und China und in der Tendenz zur Bildung von Blöcken rivalisierender Mächte aus. Ebenfalls finden sie ihren Ausdruck in den unsicheren Aussichten der internationalen Wirtschaft – mit der Gefahr neuer Banken- und Schuldenkrisen – und in einem neuen Zyklus von Klassenkämpfen, der durch die Folgen der Pandemie, des Krieges und härtere Angriffe der Bourgeoisie und ihrer Staaten angetrieben wird.

Die Beiträge und Schlussfolgerungen aus der Debatte flossen in die Endversion des Dokuments „Die Rückkehr der ‚Epoche der Krisen, Kriege und Revolutionen‘ und die Perspektiven für eine revolutionäre internationalistische Linke“ ein, das wir zeitgleich mit diesem Bericht veröffentlichen. Auch andere Artikel und Beiträge, die in den vergangenen Monaten veröffentlicht wurden, lagen der Debatte zugrunde, darunter: „Der Krieg in der Ukraine und die Aktualisierung der Tendenzen zu Krisen, Kriegen und Revolutionen“ von Claudia Cinatti; „Bedeuten Krieg und Inflation das Ende der neoliberalen Globalisierung?“ von Juan Chingo; und „Jenseits der ‚bürgerlichen Restauration‘. Fünfzehn Thesen zur neuen Etappe der internationalen Situation von Emilio Albamonte und Matías Maiello.

Der zweite Tag war der Diskussion über die Situation und die Perspektiven gewidmet, die der jüngste Kampf gegen die Rentenreform in Frankreich eröffnet hat. Insbesondere ging es um die Möglichkeit des Entstehens einer echten revolutionären Linken in diesem Land und was dies für Revolutionär:innen in der ganzen Welt bedeutet. Die Debatte begann zunächst mit einem Bericht von Juan Chingo für die Leitung von Révolution Permanente (RP), bevor Anführer:innen der Arbeiter:innen- und Studierendenbewegung unserer Schwesterorganisation in Frankreich das Wort ergriffen. Darunter waren Anasse Kazib, Elsa Marcel, Ariane Anemoyannis, Adrien Cornet, Daniela Cobet, Laura Varlet, die eine sehr wichtige Rolle im Kampf gegen Macrons Reform gespielt haben, was selbst von großen französischen Medien wie Le Monde anerkannt werden musste. Auch Paul Morao intervenierte als Redakteur der Zeitung Révolution Permanente, die sich im Kampf gegen die Rentenreform einmal mehr als eines der wichtigsten Medien erwiesen hat, um die Prozesse des Klassenkampfes zum Ausdruck zu bringen, und in der französischen Avantgarde eine große Reichweite hat. Sie ist Teil des internationalen Zeitungsnetzwerks der FT-CI, das derzeit 15 Tageszeitungen in 7 Sprachen umfasst.

Révolution Permanente hat eine breit angelegte Intervention in den wichtigsten strategischen Sektoren der Arbeiter:innenavantgarde durchgeführt. Diese Sektoren führten die radikalsten Streikaktionen gegen die Rentenreform durch, trotz der Zermürbungsstrategie der Gewerkschaftsbürokratie. In diesem Rahmen hat RP das „Réseau pour la grève générale“ (Netzwerk für den Generalstreik) vorangetrieben, das als echter Pol einer Avantgarde und als eine Referenz der streikenden Sektoren in Erscheinung getreten ist. Ein Beispiel dafür war die Kundgebung des Netzwerks für den Generalstreik zum 1. Mai, an der 1000 Menschen teilnahmen. Die französischen Delegierten berichteten über die bedeutenden Fortschritte von Révolution Permanente in der Arbeiter:innenbewegung, in der Jugend, in der Studierendenbewegung und in Bereichen der Intelligenz und Kultur.

Dieser Fortschritt von RP fand nicht evolutiv statt, sondern sprunghaft – im Kontext einer Etappe, in sich der die Möglichkeit des Aufbaus einer echten revolutionären Partei in Frankreich eröffnet hat. Emilio Albamonte hat als Teil der Schlussfolgerungen aus diesen Debatten die Veränderung hervorgehoben, die es für die FT-CI bedeutet, nun zwei Hauptmotoren zu haben: mit der Entwicklung von Révolution Permanente in Frankreich zum neuen Zentrum der FT in Europa, zusätzlich zum traditionellen Gewicht der PTS innerhalb unserer Organisation aus Lateinamerika. Diese Tatsache stellt neue Möglichkeiten dar, um den Kampf der FT-CI für den Wiederaufbau der Vierten Internationale zu verstärken, den wir bisher geführt haben. Wir tun dies unter der Prämisse, dass dies nicht das Produkt der evolutionären Entwicklung unserer internationalen Strömung sein wird, sondern das Ergebnis der Verschmelzung der linken Flügel der revolutionären marxistischen Organisationen und der Sektoren der Arbeiter:innen- und Jugendavantgarde, die sich in Richutng einer sozialen Revolution orientieren. In diesem Sinne hat die FT-CI in den vergangenen Jahren verschiedene Organisationen aufgenommen, die heute Teil von ihr sind. Gegenwärtig entwickeln wir eine geschwisterliche Austauschbeziehung mit der südkoreanischen trotzkistischen Gruppe March to Socialism.

Auf der anderen Seite hat die PTS in Argentinien einen grundlegenden Vorbereitungskampf geführt, um den politischen Einfluss der revolutionären Linken auf weite Teile der Massen zu erhöhen. Dazu hat sie große politische Agitationskampagnen durchgeführt und Fortschritte beim Parteiaufbau erzielen können, der sich an den strategischen Strukturen der Arbeiter:innenklasse und der Studierendenbewegung orientiert. Als Teil der Front der Linken – Einheit (FIT-U) hat sie gerade eine wichtige politische Schlacht in Jujuy geschlagen, wo der PTS-Anführer Alejandro Vilca als Kandidat zum Gouverneur 12,8 Prozent der Stimmen erhielt (das beste Ergebnis der Linken bei einer Wahl zur Exekutive in den Provinzen seit 1983) und trotz der betrügerischen Manöver des Regimes den dritten Platz belegte. Gleichzeitig hat sie einen wichtigen politischen Kampf um das Programm, die Strategie und die politische Praxis innerhalb der FIT-U geführt.

Insgesamt fand die virtuelle Sitzung der XII. Konferenz der FT-CI im Rahmen intensiver politischer Aktivität statt. Erst in den letzten Monaten hat sich die FT-CI neben Frankreich am Aufstand in Peru beteiligt, der sich derzeit in einer Phase des Rückzugs des Kampfes befindet. Die Corriente Socialista de las y los Trabajadores (CST, Sozialistische Strömung der Arbeiter:innen) in Peru hat mit ihren anfänglichen Kräften darum gekämpft, Traditionen zu etablieren und ihren Einfluss auszuweiten. Als Teil des Internationalismus der FT-CI sind auch Genoss:innen der LORCI in Bolivien, der PTR in Chile, der MRT in Brasilien und der PTS in Argentinien nach Peru gereist, um ihre Solidarität mit diesem Kampfprozess des peruanischen Volkes zu zeigen. Als Abgeordnete haben Alejandro Vilca (Kongress) und Alejandrina Barry (Provinzparlament) unter anderem Anklagen gegen die Repression des peruanischen Regimes entgegen genommen, um sie international zu verbreiten.

Ihrerseits hat die PTR in Chile gerade eine führende Rolle in der Kampagne für die ungültige Abstimmung bei den Wahlen zum Verfassungsrat gespielt. Mit diesen Wahlen, die auf die Rechte zugeschnitten waren, wollte die chilenische Bourgeoisie den großen Massenaufstand von 2019 hinter sich lassen. In Mexiko organisierte die MTS gemeinsam mit der „Versammlung der Arbeiter:innen im Kampf“ am 1. Mai einen kämpferischen und unabhängigen Block im Rahmen der Demonstration, zu der die Neue Gewerkschaftszentrale der SME und die CNTE aufgerufen hatten, und am 8. März stellten sie mit Pan y Rosas (Brot und Rosen) einen Block mit 1.000 Genoss:innen auf. In Deutschland haben die Genoss:innen der Revolutionären Internationalistischen Organisation kürzlich die Hochschulgruppe Waffen der Kritik ins Leben gerufen. Die Genoss:innen der Corriente Revolucionaria de Trabajadoras y Trabajadores (CRT, Revolutionäre Strömung der Arbeiter:innen) führen angesichts der Regional- und Kommunalwahlen in Madrid, Barcelona und anderen Städten eine politische Kampagne durch. Genauso wie die Genoss:innen der MRT in Brasilien eine wichtige Kampagne gegen das Outsourcing und für die vollständige Abschaffung der Arbeitsreform durchgeführt haben, mit der sie Hunderte von Intellektuellen um das „Manifest gegen Outsourcing und die Prekarisierung der Arbeit“ versammeln konnten. Dies sind nur einige der Kampagnen, die von den verschiedenen Organisationen der FT-CI durchgeführt werden.

Hinzu kommen ideologische Debatten mit wichtigen Intellektuellen, wie sie beispielsweise die MRT im Rahmen des Zyklus „Esquerda em debate“ führt, an denen bereits Michel Löwy, Jorge Luiz Souto Maior, Ricardo Antunes, Vladimir Safatle, Plínio de Arruda Sampaio Jr, Lincoln Secco, Isabel Loureiro und viele andere teilgenommen haben und deren Inhalt von Edições Iskra als Buch veröffentlicht wurde. Debatten und theoretische Ausarbeitungen, die die FT-CI weiterhin systematisch jede Woche in seinen verschiedenen theoretischen Publikationen vorantreibt: Ideas de Izquierda und Armas de la crítica aus Argentinien, Left Voice Magazine aus den USA, Contrapunto aus Spanien, Ideias de Esquerda aus Brasilien, RP Dimanche aus Frankreich, Ideas Socialistas aus Chile, Ideas de Izquierda aus Mexiko, Ideas de Izquierda aus Venezuela, Klasse Gegen Klasse Magazin aus Deutschland und Egemonia aus Italien. Auch mit dem Centro de Investigaciones y Publicaciones „León Trotsky“ (aus Argentinien und Mexiko), mit dem Campus Virtual, sowie mit Ediciones Iskra aus Brasilien, Ediciones IPS aus Argentinien oder éditions Communard.e.s aus Frankreich. Mit diesen Initiativen setzt die FT-CI ihre systematische theoretische Arbeit fort, zu der unter anderem die jüngsten Bücher Mariátegui. Teoría y revolución von Juan Dal Maso, De la movilización a la revolución von Matías Maiello oder Revolución obrera en Bolivia -1952 von Eduardo Molina gehören, sowie Zusammenstellungen mit einführenden Studien wie Mujeres, revolución y socialismo (auch auf Portugiesisch erschienen), zeitgenössische marxistische Texte für die Debatte wie La naturaleza contra el capital von Kohei Saito oder Klassiker wie das Kommunistische Manifest, neben vielen anderen.

In dieser Zusammenfassung haben wir versucht, in aller Kürze die internationalistischen Aktivitäten und Debatten darzustellen, die in der virtuellen Sitzung der XII. Konferenz der FT-CI eine Rolle spielten. Für eine ausführlichere Ausarbeitung der Schlussfolgerungen der Konferenz laden wir die Leser:innen ein, den folgenden Artikel zu lesen: „Die Rückkehr der ‚Epoche der Krisen, Kriege und Revolutionen‘ und die Perspektiven für eine revolutionäre internationalistische Linke“. Die Sitzungen der XII. Konferenz der FT-CI werden im Dezember 2023 in Präsenz fortgesetzt, wo wir neben anderen Diskussionen eine gründliche Bewertung der Politik, die wir für eine Bewegung für eine Internationale der sozialistischen Revolution – Vierte Internationale – entwickelt haben, und der Wege zum Wiederaufbau der Vierten Internationale vornehmen werden.

Dieser Artikel erschien zuerst auf Spanisch bei Ideas de Izquierda.

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