Wohin treibt die Ukraine?

07.06.2014, Lesezeit 5 Min.
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Seit Monaten tobt ein Kampf um die Ukraine, der mit der Zeit immer gewaltsamer wird und seinen bisweil traurigen Höhepunkt mit dem faschistischen Angriff auf ein Gewerkschaftshaus in Odessa fand. 43 Menschen wurden in den Flammen ermordet. Dieser Massenmord ist eine direkte Konsequenz der imperialistischen EU-Politik mit der deutschen Regierung an der Spitze, da sie massiv für die Destabilisierung des Landes verantwortlich ist und mit finanzieller Hilfe ihre Interessen durchzusetzen versucht. So stellte der Außenminister Frank-Walter Steinmeier vor laufenden Kameras am 21.02.2014 den Kiewer Machthabern einen Scheck über mehrere Millionen Euro aus. Dass auch der Parteichef der Swoboda, Oleg Tjagnibok, ein Antisemit sowie Verehrer des Nazi-Kollaborateurs Stephan Bandera, dabei war, machte ihm nichts aus. Ebenso stört es die Berliner Regierung nicht, mit den Faschist*innen offen zusammenzuarbeiten. Dabei weiß sie um die „Echtheit“ der Faschist*innen; etwaige Herabstufungen zu „Rechtspopulisten“ zeigen da nur die Hilflosigkeit der versuchten Verschleierung. Dementsprechend wird das Massaker in den deutschen Medien ganz im Sinne der Herrschenden klein geredet und abgetan. Dass sich in Kiew vor rund drei Monaten eine Regierung unter Führung der westlich orientierten Bourgeoisie – nicht umsonst ist der Süßwarenmilliardär Petro Poroschenko derzeit aussichtsreichster Kandidat für die anstehende Wahl am 25. Mai – verfassungswidrig an die Macht putschte, nimmt sie so hin, ihr eigenes Mantra der „Rechtsstaatlichkeit“ missachtend. Denn sie weiß, dass die Konsorten um den derzeitigen Übergangspräsidenten Alexander Turtschinow fleißig für die Interessen der imperialistischen EU arbeiten wird: etwaige Sparprogramme sind schon angekündigt.

Jene Regierung besteht aus der rechtskonservativen Vaterlandspartei um Julia Timoschenko sowie der faschistischen Swoboda-Partei, die u.a. den Verteidigungsminister und Generalstaatsanwalt stellt. Swoboda versucht derzeit zusammen mit dem noch radikaleren faschistischen „Rechten Sektor“ ihre Milizen in das ukrainische Militär zu integrieren oder die Milizen als „Paramilitärs“ unter rechtlichen Schutz mit den Streitkräften zu assoziieren. Derweil befindet sich das ukrainische Militär in einem äußerst desolaten Zustand. Viele Teile der Streitkräfte stehen der neuen Kiewer Regierung nicht loyal gegenüber oder sind offen zu separatistischen Kräften im Osten des Landes übergelaufen. Dort versuchen prorussische Separatist*innen das Schauspiel zu wiederholen, welches unter der Regie der russischen Regierung bereits Anfang/Mitte März auf der Halbinsel Krim gespielt wurde: Sezession eines Teilgebietes der Ukraine unter Zuhilfenahme eines Referendums. Jenes wurde nun am 11.Mai in den Gebieten Donezk und Luhansk abgehalten, wobei die große Mehrheit der Wählenden, bei sehr hoher Wahlbeteiligung, angeblich für mehr Souveränität votierte; wie diese Souveränität allerdings aussehen soll, ob in Form eines neuen Staates oder eines Anschlusses an die Russische Föderation, ist noch unklar. Während sich die ukrainische Marionettenregierung mit der Abspaltung der Krim scheinbar abgegeben hat, wäre ein Verlust des Donbass-Gebietes sowohl für Kiew als auch für die westlichen Geldgeber namens USA und IWF ein Desaster, befinden sich doch dort die meisten Rohstoffe des Landes wie z.b. Kohle. Eben deshalb gewährte der IWF der Kiewer Führung einen Kredit von über 18 Milliarden USD, damit rechnend, dass er das Geld wohl nicht mehr sehen wird. Die Gewährung erfolgte interessanterweise auch mit der Zustimmung Russlands im IWF-Exekutivkomitee, denn der Kreml, einer der größten Gläubiger der Ukraine, weiß, dass dieses Geld wohl in die Kassen des Staatskonzerns Gazprom fließen wird.

Es ist dabei unzweifelhaft, dass der Kreml die prorussischen Kämpfer*innen militärisch wie logistisch mehr als unterstützt: Einige der Kämpfer*innen haben sich derweil auch schon als erfahrene Soldat*innen aus den Tschetschenienkriegen ausgegeben. Nichtsdestotrotz haben die örtlichen Separatist*innen die organisatorische wie befehlshaberische Gewalt in ihren Händen, wobei sich auch in ihren Reihen einige Kriegsveteranen (etwa aus dem Afghanistan-Feldzug der UdSSR) befinden. Auch das erklärt die scheinbare Leichtigkeit, mit der sie Dutzende Verwaltungsbehörden im Osten des Landes einnahmen. Moskau betrachtet die Ukraine als ihr Interessengebiet und so kommt es, dass eine Regierung, welche die faschistische Front National aus Frankreich oder die Jobbik-Partei aus Ungarn in den Kreml einlädt, plötzlich einen antifaschistischen Kampf führen will. Dieser Anachronismus erklärt sich mit dem Opportunismus und dem Wesen der russischen Regierung: Putins Partei „Einiges Russland“ ist offen nationalistisch und aufs engste mit der reaktionären Orthodoxen Kirche verbunden. Sie ist das Erbe des stalinistischen Systems und übernimmt daher auch schamlos ihre Symbolik. Eine solche Führung hat die Bezeichnung „antifaschistisch“ nicht verdient, vielmehr vereint sie alle Merkmale eines reaktionären Militarismus, welcher sich die riesigen Eisenerzvorkommnisse im Donbass einverleiben will. Doch dort ist auch die Heimat der einzig progressiven Klasse in diesem blutigen Konflikt …

Bis zu 16 Stunden müssen die Bergwerkarbeiter*innen in den Kohlegruben arbeiten, um den Reichtum des Landes zu produzieren, egal unter welcher Fahne dies geschieht. Dabei werden sie miserabel entlohnt, viele von ihnen arbeiten auch illegal, kennen keinerlei Rechte und werden so in jeder Hinsicht ausgebeutet. Die Arbeiter*innenklasse – sie allein ist in der Lage dem imperialistischen Spuk ein Ende zu bereiten. Sie muss nur organisiert und für den Kampf vorbereitet werden; jedoch fehlt bislang ein hoher gewerkschaftlicher Organisationsgrad geschweige denn eine revolutionäre Partei. Liegen diese Voraussetzungen vor, so hat sie die Kraft all die imperialistische wie reaktionäre Last von sich zu werfen und zum Leben zu erwachen. Wehe jenen, wenn sie zum Leben erwacht.

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