Wohin geht die Weltwirtschaft?

04.05.2015, Lesezeit 5 Min.
1

// ÖKONOMIE: Eine langfristige Erholung der Weltwirtschaft ist nicht in Sicht. Stattdessen erwartet uns perspektivisch eine Gleichzeitigkeit von Stagnation und Finanzblasen. //

Stehen wir vor einem neuen Wirtschaftsboom? Die bürgerlichen Wirtschaftsforschungsinstitute und der Internationale Währungsfond (IWF) jedenfalls prognostizieren für die BRD eine Erholung der Konjunktur und korrigierten kürzlich ihre Wachstumsprognosen nach oben, auf 2,1 bzw. 1,6 Prozent. Doch auch wenn schon ein neuer Boom ausgerufen wird, läge das Wachstum damit nur leicht über dem durchschnittlichen Wachstum der letzten 15 Jahre vor der Krise. Währenddessen steigen die Aktienkurse in Frankfurt mit rasantem Tempo. Weltweit wird ein schwaches Wachstum erwartet, auch wenn der Aufschwung in den USA relativ stark ist und auch hier die Aktienkurse sich in einem Höhenflug befinden.

Grund zum Feiern ist das aber nicht: Denn anders als vielerorts erwartet, hat die Wirtschafts- und Finanzkrise keine neue Periode von schnellem Wachstum durch fallende Zinssätze und zerstörte Produktionskapazitäten erzeugt. Stattdessen ist weltweit betrachtet eine Situation der relativen Stagnation erkennbar, mit niedrigen Investitionsraten und deflationären Tendenzen, das heißt einer niedrigen bis negativen Inflationsrate. Die Zinssätze befinden sich auf einem historischen Tief, unter anderem durch die Geldpolitik der US-amerikanischen Federal Reserve und der Europäischen Zentralbank (EZB). Offizielles Ziel dieser Maßnahmen ist unter anderem die Ankurbelung der Investitionen.

Säkulare Stagnation

Bürgerliche ÖkonomInnen wie Larry Summers oder Paul Krugman vertreten deshalb die These der säkularen (d.h. langfristigen) Stagnation. Sie gehen davon aus, dass die Weltwirtschaft langfristig zwischen Stagnation und Finanzblasen schwankt. Der Mechanismus, den sie ausmachen, besteht einerseits darin, dass heutzutage nur noch Finanzblasen in der Lage seien, Zinssätze so weit zu senken, dass sich Investitionen lohnen. Andererseits könne die Nachfrage nur noch durch Konsumkredite so hoch gehalten werden, dass Unternehmen ihre Produkte auch verkaufen können. Sie sprechen von einem Dualismus von Finanzblasen und Stagnation – beides wechselt sich miteinander ab und bedingt sich gegenseitig. Der Aufschwung in Deutschland wäre nach dieser Interpretation eng verknüpft mit dem Boom auf den Aktienmärkten.

ÖkonomInnen wie Summers und Krugman können die aktuellen ökonomischen Tendenzen zwar empirisch erkennen, aber letztendlich nicht erklären. Neben dem fehlenden Verständnis für die innere Logik, die diesen Tendenzen zu eigen ist, blenden sie beispielsweise auch völlig die Rolle aus, die die Kräfteverhältnisse zwischen den Imperialismen für die wirtschaftliche Entwicklung haben. MarxistInnen müssen diese Beobachtungen demgegenüber auf ihren materialistischen Kern zurückführen.

Beides, die Tendenz zur Stagnation und die Tendenz der Entstehung von Finanzblasen, liegt in der Überakkumulation von Kapital seit den 70er Jahren begründet. Es kam zu einer Situation, in der Kapital nicht mehr auf einer erweiterten Stufe produktiv investiert werden konnte. Dieses Problem löste das Kapital temporär durch die neoliberale Offensive, die eine Ausdehnung der Kapitalakkumulation auf China und Osteuropa ermöglichte, irgendwann aber auch an eine Grenze stoßen musste.

Eine ähnliche Rolle spielte die Deregulierung von Finanzmärkten und die Liberalisierung von Kapitalströmen, die zu einem Wachstum des fiktiven Kapitals, in Form von Aktien oder Anleihen, führten. Es handelt sich dabei im Grunde um Ansprüche auf zukünftige Profite. Wenn das fiktive Kapital wächst, ohne dass dabei die grundlegenden Probleme der Überakkumulation gelöst werden, steigt letztendlich aber nur der Preis der Aktien oder Anleihen, nicht der gesellschaftlich produzierte Wert, auf den diese einen Anspruch erheben. Das ist ein Zustand, der nicht auf Dauer aufrecht zu erhalten ist.

Das Wachstum des fiktiven Kapitals führt zu einer Finanzblase, die irgendwann platzen muss. Da die strukturellen Probleme der Überakkumulation aber fortbestehen, folgt auf das Platzen der Blase wieder die nächste. Anzeichen dafür, dass dies heute der Fall ist, ist der rasante Anstieg der Aktienkurse.

Keynesianismus oder Revolution

Angesichts dieser Situation werden die Stimmen immer lauter, die (neo-)keynesianische Lösungen vorschlagen und teilweise von Linken dafür gefeiert werden, wie im Falle des griechischen Finanzministers Yanis Varoufakis. Sie schlagen vor, Investitionen des Staates anzukurbeln, um mehr Nachfrage und Arbeitsplätze zu schaffen. Dabei sind sie nicht in der Lage, das Problem der Überakkumulation grundlegend zu lösen, sondern schaffen es nur, die Krise weiter hinauszuzögern.

Sie beweisen sich damit wieder einmal als die besten VerteidigerInnen des Kapitalismus, der an seine eigenen Grenzen stößt und nur noch durch massive Zerstörung produktiver Kapazitäten beispielsweise durch einen Krieg wieder in der Lage wäre, Akkumulation zu ermöglichen. Lösungen, die letztendlich darauf abzielen den Kapitalismus am Leben zu erhalten, können nicht progressiv sein.

Mehr zum Thema