Wirtschaften für Profite trotz Toten: Wen vertritt IG-Metall-Chef Hofmann?
Der Vorsitzende der IG-Metall, Jörg Hofmann, stellte sich neulich gegen die breit diskutierte Forderung der Schließung der nicht-essentiellen Sektoren. Mit der Androhung der “katastrophenhaften Folgen für die Volkswirtschaft” reiht er sich ein in die Gegner:innen des Wirschaftslockdowns. Doch mit dem Geschwafel um die “Wirtschaft” wird versucht zu vertuschen, was dahinter steht: die Profite der Konzerne sollen geschützt werden.
Das Gespenst des Wirtschaftslockdowns scheint alle bürgerlichen, liberalen und konservativen Kräfte zu vereinigen, um vor den Gefahren für die “Wirtschaft” zu drohen, sollten die nicht-essentiellen Betriebe geschlossen werden, wie es unter anderem die ZeroCovid Initiative fordert.
Nun sind es bei Weitem nicht nur diese Kräfte, die die Stimme der Großunternehmer:innen sind, die gegen den Aufruf Stimmung machen. Auch im Lager derer, die auf der Seite der Arbeiter:innen stehen sollten, kommt Gegenwind.
Eines der wichtigsten Gesichter hier ist Jörg Hofmann, erster Vorsitzender der IG-Metall, die sich gerne damit brüstet, die größte Gewerkschaft der Welt zu sein.
In einem Interview mit der Augsburger Allgemeinen legt der Baden-Württemberger die Linie seiner Gewerkschaft in der aktuellen Situation dar.
Auf die Frage, wie gefährlich denn ein harter Lockdown für Elektro- und Metallindustrie sei, antwortet Hofmann, dass “die Wirtschaftskraft zusammenbrechen würde”. Da man Autos ja nicht im Homeoffice herstellen könnte, müsse die industrielle Produktion, soweit es geht, fortgesetzt werden. Hierbei sollte laut ihm insbesondere die Durchsetzung der Hygienemaßnahmen der Regierungen im Mittelpunkt stehen.
Viele der getätigten Aussagen sind ein Schlag ins Gesicht für die Millionen Beschäftigten, die gerade mit der Pandemie zu kämpfen haben. Was soll denn getan werden, wenn der Betrieb die Maßnahmen nicht durchsetzt? Das scheint Hofmann nicht zu interessieren.
Was Hofmann nicht sagt: Die katastrophalen Auswirkungen für die Wirtschaft sind schon zu sehen, und zwar nicht in den Geschäftsbüchern der Konzerne, die laut seinen eigenen Aussagen “im großen Krisen-Jahr 2020 rund zwölf Milliarden Euro an Dividenden an die Aktionäre ausgeschüttet” haben, sondern in der Verarmung der Massen: Laut paritätischem Wohlstandsverband sind 13,2 Millionen Menschen in Deutschland von Armut bedroht, die höchste Quote seit 1990.
Vielmehr legt er den Fokus auf die Finanzierung des Sozialstaats, für die die Wirtschaft weiterlaufen müsse. Doch wem dient denn dieser Sozialstaat, wenn Millionen verarmt sind? Offensichtlich nicht eben diesen Millionen. Hofmann spricht nur für einen winzigen Sektor der Beschäftigten, nicht einmal für die komplette Branche, die er zu vertreten vorgibt. Nein, hier sollen nämlich laut Angaben seiner eigenen Gewerkschaft 300.000 Arbeitsplätze abgebaut werden, viele von diesen geschehe unter dem “Deckmantel Corona”.
Was also tun in Anbetracht dieser Situation? Hofmann gibt sich verbal sehr radikal gegen den Turbokapitalisten Stefan Wolf, Präsident des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall. Dieser Kapitalist:innenzusammenschluss will in der aktuellen Tarifauseinandersetzung eine Nullrunde, also keine Gehaltserhöhung für die Beschäftigten.
Der Gewerkschafter stellt fest, dass wir mit Appellen nicht weiterkommen würden und droht: „Wer die Krise jetzt zum Abbau von Arbeitnehmerrechten missbrauchen will, der wird sich an uns die Zähne ausbeißen.”.
Aber bis dato, fast ein Jahr nach dem Beginn der Pandemie, haben die Großkonzerne neben ihren Rekorddividenden noch ihr gesamtes Gebiss behalten dürfen. Hofmanns Drohungen werden nur Schall und Rauch bleiben, wenn die Tarifrunde nicht genutzt werden wird, um ordentlich Druck zu machen und echte Verbesserungen für die Beschäftigten zu erkämpfen. Die vier Prozent Lohnerhöhung und eine Arbeitszeitverkürzung mit Lohneinbußen können das aber nicht sein.
Wenn Hofmann tatsächlich Verbesserungen für seine Basis will, müssen die Forderungen weitergehen. Wir zählen bereits über 50.000 Covid-Tote, Lohneinbußen durch Kurzarbeit und Entlassungen. Dazu kommt die Androhung über eine Erhöhung des Rentenalters. Die Forderung nach einem Wirtschaftslockdown, und dass die Reichen für dessen Kosten zahlen sollen, ist daher berechtigt und überfällig. Die Reaktion der Bürokrat:innen wie Hofmann, die einen maroden und inexistenten sozialen Frieden aufrechterhalten wollen, der von der anderen Seite längst aufgehoben wurde, müssen der Vergangenheit angehören.
Hofmanns Reaktion zeigt schließlich, dass wir nicht warten können, dass der Wirtschaftslockdown von alleine kommt: wir müssen in den Betrieben und Gewerkschaften die Durchsetzung erkämpfen, mit Hofmann und Co. an der Spitze – oder eben ohne sie. Nur ein wahrhaftiger Massenstreik wird verhindern können, dass sich Zehntausende weitere am Arbeitsplatz anstecken, während andere auf der Straße landen.