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Wir wurden abgemahnt und brauchen Spenden

29.12.2021, Lesezeit 10 Min.
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Foto: Pixabay

Die aktion ./. arbeitsunrecht e.V. ist als Unterstützerin betrieblicher Kämpfe bekannt. Doch vor einigen Wochen erreichte uns eine Abmahnung von ihrem Anwalt mit einer Zahlungsaufforderung. Angesichts dieser inakzeptablen Methode bitten wir euch um Spenden. Zum Spendenlink hier klicken.

Im andauernden Arbeitskampf beim Lieferdienst Gorillas haben wir in den vergangenen Monaten politische, logistische und finanzielle Unterstützung geleistet. Dabei haben wir auch versucht, politische Debatten über die Strategie für den Sieg des Kampfes und den Aufbau einer klassenkämpferischen Strömung in den Gewerkschaften zu eröffnen. Insbesondere geht es uns dabei um die Frage, welche Haltung linke Organisationen und Arbeiter:innen zu bürokratischen Gewerkschaftsstrukturen einnehmen sollten.

In diesem Rahmen haben wir mit den Streikenden, bei Unterstützer:innentreffen und auf unserer Website Diskussionen angestoßen, darunter auch mit der Freien Arbeiter*innen-Union (FAU) und der aktion ./. arbeitsunrecht e.V.. Debatten wie diese gibt es viel zu selten und sollten unter Linken selbstverständlich sein.

Von der aktion ./. arbeitsunrecht e.V. sind wir in der Folge juristisch attackiert worden: Nach einem Artikel von uns, der als Teil der erwähnten Diskussion zu verstehen ist, haben wir eine Abmahnung und Unterlassungsaufforderung von ihrem Anwalt erhalten. Um es bereits an dieser Stelle klarzustellen: Wir haben falsch berichtet und das ärgert uns sehr. Aber wir sagen auch: Solche Abmahnungen und Klageandrohungen lehnen wir in der Arbeiter:innenbewegung und unter Linken entschieden ab; Meinungsverschiedenheiten sollten ohne das Einschalten der bürgerlichen Justiz oder des Staates geregelt werden.

Wir haben eine Richtigstellung veröffentlicht. Die aktion ./. arbeitsunrecht e.V. besteht dennoch darauf, dass wir ihre Anwaltskosten in Höhe von 800 Euro bezahlen sollen.

Geld, welches der Streikkasse von Gorillas viel besser gedient wäre, so meinen wir. Damit der Gorillas-Kampf nicht unter dieser Geldforderung leidet, rufen wir zu Spenden zur Deckung der Anwaltskosten auf: 50 Prozent der Spende nutzen wir für die Deckung der Anwaltskosten. 50 Prozent fließt in die Gorillas-Streikkasse.

Was genau ist passiert?

In unserem Artikel „Gorillas: Wie bekämpfen wir die Entlassungen? Über die Notwendigkeit, die Isolation zu durchbrechen“ diskutieren wir die Perspektive des Arbeitskampfes bei Gorillas. Insbesondere argumentieren wir dafür, dass angesichts der Massenentlassungen von Seiten der Geschäftsführung Anfang Oktober “eine Versammlung aller Entlassenen und noch bei Gorillas Beschäftigten auch Druck auf die ver.di-Führung aufbauen [muss], den Kampf mit allen Mitteln zu unterstützen. Schließlich sind auch einige ver.di-Mitglieder unter den Entlassenen. Es wäre ein Fehler, die Kolleg:innen zwischen Entlassenen und weiterhin Beschäftigten oder anhand ihrer Zugehörigkeit zu ver.di oder zur FAU oder ihrer fehlenden Gewerkschaftsmitgliedschaft zu spalten. Genau diese Spaltung will das Gorillas-Management ja erreichen. Umso wichtiger ist es, dass alle Organisationen, die den Kampf bisher begleitet und unterstützt haben, gemeinsam auf den Aufbau einer solchen Versammlung und eines Kampfplans gegen die Entlassungen hinarbeiten. […] [Das bedeutet auch,] sich nicht damit zufrieden zu geben, dass ein paar Dutzend Kolleg:innen im Gorillas Workers Collective aktiv sind, sondern alle Hebel in Bewegung zu setzen, dass alle Beschäftigten und alle Entlassenen in Versammlungen gemeinsam darüber diskutieren und entscheiden, wie der Kampf weitergeführt werden kann. Dazu gehört auch, den Kampf dafür zu führen, dass ver.di mit seinen zwei Millionen Mitgliedern den Kampf bei Gorillas bis zum Ende aufnimmt.”

In diesem Zusammenhang nehmen wir auch Bezug auf die Positionen anderer linker Organisationen in diesem Kampf. Insbesondere kritisieren wir eine unserer Meinung nach zu zaghafte Haltung gegenüber den Führungen der großen DGB-Gewerkschaften wie ver.di. Wir sind der Ansicht, dass Streikende und Unterstützer:innen den bürokratischen Gewerkschaftsapparaten eine Einheitsfront aufzwingen müssen, um ihre Führung politisch und organisatorisch herauszufordern – was im Falle von Gorillas bedeuten würde, offensiv darauf hinzuarbeiten, dass ver.di überhaupt ernsthaft, d.h. mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln, den Kampf unterstützt.

In dieser Diskussion haben wir die Position der aktion ./. arbeitsunrecht e.V. in Bezug auf die Beteiligung von ver.di-Mitgliedern im Gorillas-Kampf falsch dargestellt. Dies wurde von unserer Redaktion am 5. November korrigiert und darüber hinaus eine Richtigstellung formuliert.

Eine persönliche Kontaktaufnahme mit der Bitte um Korrektur des Fehlers gab es zuvor jedoch nicht. Stattdessen erhielten wir unangekündigt am 29. Oktober – zwei Tage vor einem großen Unterstützer:innentreffen zum Kampf gegen die 350 Entlassungen bei Gorillas, an dessen Vorbereitung, Mobilisierung und Organisierung wir beteiligt waren – eine anwaltliche Abmahnung mit der Aufforderung zur Unterzeichnung einer Unterlassungserklärung. Außerdem gehen mit der Unterlassungsaufforderung die Kosten für die Inanspruchnahme des Anwalts einher: In diesem Fall forderte die von der aktion ./. arbeitsunrecht e.V. beauftragte Kanzlei von uns die Zahlung von ursprünglich 1.295,43 Euro (diese Forderung wurde später auf 800 Euro reduziert).

Wir halten dieses Vorgehen für unverhältnismäßig und inakzeptabel. Innerhalb der Linken und der Arbeiter:innenbewegung sollten wir uns frei kritisieren dürfen und Meinungsverschiedenheiten untereinander klären. Dabei können Fehler passieren, die wir möglichst immer vermeiden wollen. Wir denken jedoch, dass auch solche Fehler untereinander solidarisch diskutiert und wie unserem Fall korrigiert werden sollten. Das Einschalten von Anwält:innen, besonders ohne vorher miteinander zu reden, halten wir für falsch. Solch ein Vorgehen darf unser Meinung nach nicht zur Routine werden. Oder sollen sich linke und Arbeiter:innen-Organisationen in Zukunft immer Anwält:innen auf den Hals hetzen, um Probleme untereinander zu klären? Wir denken nicht.

Ebenso halten wir es für inakzeptabel, dass die aktion ./. arbeitsunrecht e.V. einige Tage nach der anwaltlichen Abmahnung am 4. November auf ihrer Webseite eine Pressemitteilung veröffentlicht hat, in der sie uns “schmutzige Methoden” vorwirft und uns zwar auffordert, die Falschdarstellung zu berichtigen – dieser Aufforderung sind wir am 5. November nachgekommen –, jedoch ohne dabei das kleine Detail zu erwähnen, dass sie bereits eine Anwaltskanzlei eingeschaltet hatte, die uns eine strafbewehrte Unterlassungsaufforderung inklusive Anwaltsgebühren schickte.

Stattdessen wäre es eine bessere Methode, die unterschiedlichen – tatsächlichen oder missverstandenen – Positionen zur Rolle von Gewerkschaften im Kampf öffentlich gegenüber allen Streikenden und Unterstützer:innen vorzustellen. Dann können die Beteiligten sich selbst ein Bild von der Debatte machen und eigene Schlussfolgerungen ziehen. Unsere Positionen und Vorschläge haben wir stets in Artikeln, aber auch beispielsweise beim erwähnten großen Unterstützer:innentreffen am 30. Oktober und bei der von uns und vielen anderen Gruppen mit organisierten Gorillas-Soli-Demonstration am 16. November kundgetan.

Unsere Richtigstellung wurde von der aktion ./. arbeitsunrecht e.V. schließlich am 15. November akzeptiert. Auch an diesem Punkt wäre der Rückzug der anwaltlichen Kostenforderung von Seiten der aktion ./. arbeitsunrecht e.V. noch möglich gewesen – insbesondere vor dem Hintergrund dessen, dass der Gorillas-Kampf, in dem sowohl die aktion ./. arbeitsunrecht e.V. als auch wir aktiv sind, weiterhin finanzielle Unterstützung braucht. Denn da keine große DGB-Gewerkschaft zum Kampf aufruft, bekommen die Kolleg:innen auch kein Streikgeld. Sie finanzieren sich deshalb bereits seit längerem mit einer Streikkasse, die auch wir durch Spendensammlungen und eigene Beiträge bisher mit rund 1.500 Euro unterstützten.

Umso absurder erscheint es uns, dass wir aufgrund dieser Abmahnung von aktion ./. arbeitsunrecht e.V. nun 800 Euro für ihren Anwalt zahlen sollen, die wir genauso gut in die Unterstützung des Gorillas-Kampfes oder anderer Kämpfe in Zukunft investieren könnten. Die Anwaltskosten von aktion ./. arbeitsunrecht e.V. wären im Übrigen auch gar nicht entstanden, wenn sie einfach mit uns geredet hätten.

Leider hat sich die aktion ./. arbeitsunrecht e.V. nicht darauf eingelassen, dass jede Seite ihre Anwaltskosten selbst trägt, und bestand darauf, dass wir ihre Kanzlei bezahlen. So blieb uns nichts anderes übrig als die 800 Euro zu bezahlen. Hinzu kommen die Kosten für unseren eigenen Rechtsanwalt, ebenfalls 800 Euro.

Spenden für Anwaltskosten – und für den Gorillas-Kampf!

Die Stärkung des Kampfes der Gorillas-Beschäftigten ist für uns weiterhin zentral und sollte hier im Mittelpunkt stehen. Gerade hier zeigt sich, wie notwendig es ist, möglichst viele Gruppen in diesen Kampf einzubinden.

Einerseits politisch, um den Kampf zu stärken und Druck auf die DGB-Führungen auszuüben, diesen Kampf offensiv zu unterstützen, ohne die Mitgliedschaft der Kolleg:innen in einer DGB-Gewerkschaft vorher zur Bedingung zu machen. Andererseits wie bereits erwähnt auch finanziell. Wir würden uns wünschen, dass auch aktion ./. arbeitsunrecht e.V. diesen Aspekt wahrnimmt. Das Geld ist bei den Gorillas-Beschäftigten wirklich besser angelegt.

Wir fordern aktion ./. arbeitsunrecht e.V. hier noch einmal auf, solch ein Vorgehen in Zukunft zu unterlassen – nicht nur gegenüber uns, sondern auch gegenüber anderen linken und gewerkschaftlichen Organisationen. Wir sollten uns nicht gegenseitig politisch und finanziell schwächen, sondern solidarisch diskutieren, wie wir am besten kämpferische Gewerkschaften aufbauen können. Dazu braucht es einen offenen Austausch von politischen Positionen anstatt anwaltlicher Unterlassungsaufforderungen – nicht zuletzt auch deshalb, damit die kämpfenden Beschäftigten ihre eigenen Schlussfolgerungen ziehen können.

Sowohl aktion ./. arbeitsunrecht e.V. als auch wir unterstützen immer wieder ähnliche Aktionen und Kämpfe. So haben wir uns in der Vergangenheit häufig gemeinsam an Aktionen beteiligt, wie zum Beispiel bei den „Black Friday“-Aktionen oder dem Kampf bei wombats – und wollen das auch weiterhin tun. Wir müssen wohl kaum erwähnen, dass 1600 Euro für uns eine Menge Geld sind. Klassegegenklasse.org ist ein unabhängiges Medium und wird vollständig ehrenamtlich getragen. Niemand von uns verdient mit diesem Projekt auch nur einen Cent. Zumal auch wir zu großen Teilen prekäre Studierende, Beschäftigte und Azubis sind, die nicht beliebig viel Geld zur Verfügung haben.

Wir arbeiten darüber hinaus unabhängig von Parteien und Stiftungen. Wir finanzieren uns ausschließlich durch Beiträge unser Mitglieder oder kleinere Spenden von solidarischen Unterstützer:innen. Deshalb sind 1600 Euro für uns keine Kleinigkeit.

Wir wollen eine politische Alternative aufbauen, zum kapitalistischen Staat und zur Macht der Unternehmen. Was wir brauchen, sind dann aber gemeinsame Fronten gegen die Angriffe auf die Lebens- und Arbeitsbedingungen von Arbeiter:innen und kein gegenseitiges Zerfleischen durch juristische Auseinandersetzungen.

Damit der Gorillas-Kampf nicht unter dieser Geldforderung leidet, rufen wir zu Spenden zur Deckung der Anwaltskosten auf. 50 Prozent der Spende nutzen wir für die Deckung der Anwaltskosten. 50 Prozent fließt in die Gorillas-Streikkasse.

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