Wir wollen als Hebammen so arbeiten und nicht nach wenigen Jahren völlig ausgebrannt die Geburtshilfe verlassen!

22.12.2022, Lesezeit 5 Min.
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Quelle: Ricarda Julia

Die Hebammen und Kinderkrankenpfleger:innen aus der Geburtsstation Neuperlach organisierten am Montag, dem 19. Dezember, eine Kundgebung gegen die Schließung ihres Arbeitsplatzes. Dort hielten die Hebammen und Vertrauensleute Charlotte und Leonie Lieb folgende Rede.

Am Montag, den 19. Dezember, gab es eine Kundgebung für den Erhalt der geburtshilflichen Abteilung in Neuperlach, organisiert vom Solikomitee und den Kolleginnen. Charlotte und Leonie Lieb, Hebammen und Vertrauensleute aus der Gewerkschaft ver.di, hielten folgende Rede. Sie arbeiten im Kreißsaal und auf der Wochenbettstation im Krankenhaus Neuperlach. Aus wirtschaftlichen Gründen sollen diese mit der Abteilung im Krankenhaus Harlaching zusammengelegt werden.

Sie erklären, warum sie diese Entscheidung nicht verstehen und nicht hinnehmen wollen.

Hallo liebe Leute, schön, dass ihr alle da seid, wir freuen uns sehr!
Wir sind Leonie und Charlotte, wir sind Hebammen im Kreißsaal und auf der Wochenbettstation im Klinikum Neuperlach. Danke, dass ihr alle trotz Weihnachtsstress gekommen seid. Wir sind hier, weil wir die geplante Schließung unserer Abteilung verhindern wollen! Wir haben als Team aus Hebammen, Kinderkrankenschwestern und Krankenschwestern vor ungefähr einem Monat eine Petition dagegen gestartet, die inzwischen mehr als 20.000 Unterschriften hat!

Diese Unterstützung hat uns gezeigt, dass das Thema von wohnortnaher und guter Geburtshilfe alle angeht! Das motiviert uns sehr und gibt und die Energie, weiter dranzubleiben. Auch einige Parteien sind durch diese Öffentlichkeit auf das Thema aufmerksam geworden und haben darauf reagiert, was auch genau das ist, was wir brauchen, da letztendlich der Stadtrat entscheiden wird, ob wir weiter offenbleiben. Trotz aller Unterstützung und Befürwortung: Laut dem jetzigen Stand soll die Abteilung noch immer geschlossen werden. Es gibt noch keine eindeutige Positionierung aus dem Stadtrat und wir wissen nicht, wie sie darüber entscheiden werden.

Unsere geburtshilfliche Abteilung ist für ein großes Einzugsgebiet da: Nicht nur einen großen Teil des Münchner Ostens decken wir ab, sondern auch viele Bereiche des Umlands, wo in den letzten Jahren viele Kreißsäle geschlossen worden sind. Wie wir wissen, wächst München auch genau hier sehr stark: Beispielsweise wird der Bezirk Ramersdorf-Perlach bis 2040 um 11,6% wachsen. Hier werden mehr Kreißsäle benötigt und nicht weniger. Auch der geplante Neubau in Harlaching mit 4000 Geburten reicht dafür nicht aus. Wenn wir weg sind, bedeutet das für viele Familien sehr weite Wege – und das ist unter Geburt nicht nur sehr anstrengend, sondern unter Umständen auch gefährlich. Vor allem für Familien, die kein Auto haben, ist auch eine große Herausforderung, um 3:00 Uhr morgens den nächsten Kreißsaal zu erreichen.

Außerdem sind wir sehr stolz auf die Geburtshilfe, die wir machen. Wir betreuen gesunde Frauen und Schwangerschaften und denken, dass es auch sehr wichtig ist, dass es Abteilungen gibt, die einen Fokus auf ganz physiologische Verläufe haben und nicht große Zentren für alle Risiken gibt. Dadurch haben wir eine sehr niedrige Kaiserschnittrate, können sehr individuell betreuen und kriegen viele positive Rückmeldungen von den Familien, die zu uns kommen. Wir haben keinen Personalmangel und sind ein stabiles, motiviertes Team – das ist im ganzen Gesundheitssystem eine Seltenheit! Wir wollen als Hebammen so arbeiten und nicht, wie die meisten unserer Kolleginnen nach wenigen Jahren völlig ausgebrannt die Geburtshilfe verlassen! Wir wollen, dass Frauen sich selbst aussuchen können, wo sie gebären wollen. Wie die gesundheitliche Versorgung von Frauen funktioniert, betrifft uns die im Gesundheitssystem arbeiten, aber auch alle potentiellen Patientinnen. Deshalb ist das nicht nur ein Thema für unser Team von 50 Kolleginnen, sondern ein feministisches Thema für hunderttausende Frauen in München.

Es kann nicht sein, dass der Stadt München das egal ist! Wir können nicht glauben, dass wir geschlossen werden sollen, obwohl wir gut funktionieren!
Ganz klar geht es hier nicht um eine qualitative Entscheidung, sondern um Geld. Nach der neuen Gesundheitspolitik von dem Gesundheitsminister Lauterbach für 2025 sollen nur große Kreißsäle, die eine Kinderklinik haben, zusätzlich Geld bekommen, um rentabel zu sein. Das wird dazu führen, dass immer mehr kleine Abteilungen geschlossen werden, da die Geburtshilfe im Fallpauschalensystem eh keine Gewinne bringt. Damit wird Zentralisierung in einem Bereich gefördert, der eigentlich überall verfügbar sein sollte.

Daraus lässt sich ableiten, was für ein riesiges Problem das DRG-System, mit dem die Krankenhäuser sich finanzieren und rechnen sollen, ist. Auch in anderen Bereichen führte es zu schlechteren Behandlungs- und Arbeitsbedingungen, Personalabbau und Abteilungsschließungen. Gute Gesundheitsversorgung lässt sich nicht in Geld aufrechnen – deshalb: Fallpauschalen abschaffen!

Wir sprechen hier direkt die Politiker:innen im Stadtrat, vor allem die größten Fraktionen Die Grünen und die SPD und insbesondere den Oberbürgermeister Dieter Reiter, der auch Vorsitzender des Aufsichtsrates der MÜK ist an: Erhalten Sie unsere Abteilung für die Familien in München und für uns Hebammen, die weiter in München in der Geburtshilfe und Wochenbettbetreuung arbeiten wollen!

Voraussichtlich wird Ende März im Stadtrat über das neue Medizinkonzept für die MÜK verhandelt und auch über den Erhalt unserer Abteilung. Bis dahin wollen wir weiterhin Druck machen, um die Schließung zu verhindern.
Davor wollen wir eine öffentliche Petitionsübergabe machen.
Wir freuen uns, wenn ihr uns auf Instagram auf @geburtshilfe_neuperlach folgt, die Petition weiterhin teil und in eurem Umfeld darüber redet, weil es und alle angeht.

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