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„Wir verschaffen Geflüchteten Gehör“

17.11.2015, Lesezeit 4 Min.
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SCHULSTREIK: Am kommenden Donnerstag planen Schüler*innen in Berlin und anderen Städten einen Streik. Sie wenden sich gegen die Verschärfungen des Asylrechts und Angriffe von rechts. Ein Interview mit Max (17), Schüler an der Sophie-Scholl-Oberschule in Berlin und aktiv im Bündnis "Refugee Schul- und Unistreik".

Vergangene Woche demonstrierten 5.000 Menschen in Berlin mit der AfD gegen Geflüchtete. Wie wollt ihr als Schüler*innen darauf antworten?

Wir planen einen Streik an Schulen und Universitäten am kommenden Donnerstag. Damit fordern wir volle Staatsbürger*innenrechte für alle Geflüchteten und ein Ende der rechten Angriffe.

Vergangenen Samstag hat die Polizei die Demonstration der AfD geschützt und 79 Gegendemonstrant*innen festgenommen. Freund*innen von mir wurden geschlagen, weil sie sich angeblich zu langsam von der Straße entfernt hätten. Ich selbst wurde auch verhaftet.

Daran sieht man wieder, dass die Polizei nicht gewillt ist, gegen die rechte Gewalt vorzugehen. Bei Brandanschlägen auf Heime von Geflüchteten wird oft – absurderweise – nicht von einem fremdenfeindlichen Hintergrund ausgegangen. Auf die Polizei kann man sich nicht verlassen. Deswegen setzen wir auf eigene Mobilisierungen. Unser Ziel sind Selbstverteidigungsstrukturen, gebildet aus Geflüchteten, linken Aktivist*innen und Jugendlichen.

Was plant ihr?

Am Donnerstag werden wir unsere Klassenzimmer und Hörsäle verlassen. Aus verschiedenen Bezirken kommen „Zubringerdemos“ zur Auftaktkundgebung am Potsdamer Platz. Beim letzten Streik im April waren wir 7.000 – hoffentlich können wir die Zahl noch erhöhen.

Unser Bündnis hat im Februar 2014 zum ersten Mal einen Schulstreik organisiert, damals gegen die Räumung der Geflüchteten am Oranienplatz. Das ist jetzt unser vierter Streik. Zeitgleich wollen Schüler*innen in Frankfurt am Main und Bremen ähnliche Aktionen organisieren.

Wir richten uns gegen Pegida und den Rassismus auf der Straße. Aber auch gegen die Verschärfung der Asylgesetze und die katastrophale Unterbringung der Geflüchteten, also den Rassismus des Staates. Denn der institutionelle Rassismus ist kein bisschen besser. Ein Beispiel ist, dass jetzt darüber diskutiert wird, Menschen nach Afghanistan abzuschieben – während die Bundesregierung mehr Soldat*innen hinschicken will.

Warum organisiert ihr einen Streik und nicht etwa eine Kleiderspende?

Die Schule ist der Ort, wo Jugendliche die meiste Zeit verbringen und auch ihre Meinungen bilden – hier wollen wir den Stimmen der Geflüchteten Gehör verschaffen. Wir holen die jungen Leute ab, wo sie sind. Außerdem ist die Schule ein kapitalistisches Instrument, um junge Menschen zu disziplinieren und dem System gefügig zu machen. Wenn der Staat merkt, dass die Schüler*innen wegen der rassistischen Gesetze keinen Bock mehr haben, entsteht ein Schaden in diesem Kreislauf. Damit wollen wir Druck aufbauen.

Ich habe den Eindruck, dass die rassistische Hetze in den Schulen nicht so stark ist wie anderswo. Bei Pegida- und AfD-Demos sieht man, dass der Altersdurchschnitt bei 50 Jahren liegt, während die Gegendemonstrant*innen eher jung sind. Junge Menschen sind oft offener und linker, und wir finden es wichtig, dass der Jugend im öffentlichen Diskurs zugehört wird.

In den vergangenen Wochen haben wir Zehntausende Flyer verteilt und vor vielen Schulen Kundgebungen gemacht. Eine Lehrerin meinte vergangene Woche, der Schulstreik sei unnötig, weil sie in Deutschland keinen Rassismus erkennen könne. Ich wollte ihr ein paar Beispiele geben, aber dann hat sie das Thema abgebrochen.

Oft sind Lehrer*innen und Schulleiter*innen gegen solche Streiks.

Viele sagen, dies sei verboten. Aber wir wissen, dass das Recht auf freie Meinungsäußerung über der Schulpflicht steht. Auch wenn es in der Schulzeit ist, lassen wir uns das Versammlungsrecht nicht verbieten. Bei jüngeren Schüler*innen können Drohungen wirken. Deswegen klären wir sie über ihre Rechte auf.

Auch die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, GEW, hat in der Vergangenheit unsere Streiks begrüßt und ihre Mitglieder aufgefordert, keine Sanktionen gegen streikende Schüler*innen zu verhängen. Wir hoffen, sie macht das nochmal. Denn es ist für Schüler*innen hart, gegen die Lehrer*innen aufzustehen.

dieses Interview in der jungen Welt

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