Wir trauern um Leo
// NACHRUF: Am 12. März starb Leo Norniella in Buenos Aires. Er war ArbeiterInnenführer bei Pepsico und Anführer der Partei Sozialistischer ArbeiterInnen (PTS). //
Mit 39 Jahren nahm sich Leo Norniella Mitte März in Buenos Aires das Leben. Sein Selbstmord traf seine WeggefährtInnen sehr hart: seine Familie und FreundInnen, seine GenossInnen der PTS und der Trotzkistischen Fraktion – Vierte Internationale (FT-CI), und auch die ArbeiterInnen des Industriegürtels im Norden von Buenos Aires, wo auch die Pepsico-Fabrik liegt. Dort hatte er seit 17 Jahren gearbeitet, wichtige Kämpfe geführt und die ArbeiterInnen gegen die KapitalistInnen und die Gewerkschaftsbürokratie organisiert. Zu seiner Beerdigung versammelten sich deshalb zahlreiche ArbeiterInnen aus den verschiedenen Fabriken des ganzen Landes in Trauer.
So waren die KollegInnen von Lear anwesend, die seit neun Monaten gegen Entlassungen kämpfen, und die ArbeiterInnen aus Madygraf, einer von ihnen besetzten und in Betrieb gesetzten Druckerei, die für die entschädigungslose Enteignung und die Verstaatlichung unter ArbeiterInnenkontrolle kämpfen. Die ArbeiterInnen von Pepsico setzten einen arbeitsfreien Tag durch, um ihrer Trauer um den Verlust nachgehen zu können. Zuvor hatten die KapitalistInnen ihren grenzenlosen Zynismus gezeigt, indem sie einerseits den Lohnverzicht für diesen Tag forderten und gleichzeitig einen „Trauer“strauß an die Familie Norniella sendeten. Doch dieser fand seinen Weg nicht zum Grab von Leo.
Ein Held seiner Klasse
Leo geht in die Geschichte als jemand ein, der sich und die Interessen seiner Klasse nie verriet. In den „dunklen Neunzigern“ der neoliberalen Offensive trat der damals 19-Jährige in die PTS ein, in der er lange Zeit Teil des Zentralkomitees sein sollte. Drei Jahre später fing er an, bei Pepsico zu arbeiten und war damit einer der PionierInnen der PTS innerhalb der IndustriearbeiterInnenklasse. Schnell machte er sich einen Ruf als Organisator innerhalb der Fabrik, unterstützte zuerst den Betriebsrat und wurde danach als Teil desselben gewählt. 2002 versuchte die Gewerkschaftsbürokratie ihn aus der Fabrik zu schmeißen. Seine damalige Lebensgefährtin Catalina Balaguer, ebenfalls ein wichtiges Gesicht der Belegschaft, trat für seine Verteidigung ein, wofür auch sie entlassen wurde. Die darauf folgende Kampagne führte zur Wiedereinstellung der beiden und setzte einen juristischen Präzedenzfall für BasisaktivistInnen.
Leo war eine der herausragenden Figuren der klassenkämpferischen Basisgewerkschaftsbewegung des letzten Jahrzehnts, zu der auch Poke Hermosilla, Betriebsrat von Kraft Foods und enger Freund von Leo, gehörte. Doch er war nicht nur ein Arbeiter, der auf der gewerkschaftlichen Ebene aktiv war – er vertrat auch offensiv politische Positionen und debattierte mit einigen der wichtigsten HistorikerInnen der ArbeiterInnenbewegung Argentiniens und Großbritanniens in der Zeitschrift Ideas de Izquierda.
Rotes Gedenken
Als persönliche und politische WeggefährtInnen, und vor allem als RevolutionärInnen trauern wir um Leo und wollen sein Erbe weiterführen. Wir wollen aus ihm keine Ikone ohne Makel machen, sondern aus seinen Stärken Kraft schöpfen und aus seinen – und unseren – Fehlern lernen. Das Leben von Leo lässt uns viele wertvolle Lehren ziehen. Anders als viele ließ er sich nie kaufen oder von seinen revolutionären Prinzipien abbringen.
Er hat sich und seine Klasse nie verraten und im Gegenteil die schwere Herausforderung, in der ArbeiterInnenbewegung eine revolutionäre Tradition zu säen und gegen den Strom zu schwimmen, angenommen und in seinem gesamten Leben verfolgt. Lenin sagte, dass es am Schwersten ist, in nicht-revolutionären Situationen revolutionär zu sein, wo nur wenige die eigenen Ideen teilen. Diese Erschöpfung und Isolation auszuhalten, bedarf einer einzigartigen revolutionären Moral, die Leo verkörperte. Dennoch konnte diese barbarische Welt, durchzogen von Krieg und Ausbeutung, Leos Kampfmoral am Ende brechen. Wir waren nicht in der Lage, ihn in unseren Reihen zu halten. Umso mehr müssen wir nun sein Erbe weitertragen, seinen Kampf zu Ende führen.
Nachdem zahlreiche ArbeiterInnenführerInnen, VertreterInnen verschiedener politischer Organisationen und der PTS ihre Trauerworte sprachen, wurde auf der Beerdigung die Internationale angestimmt und danach von allen in Trauer „Leo, presente!“ („Leo ist hier“) gerufen. Auch wenn Leo ein weiteres Opfer dieses unmenschlichen Systems geworden ist, müssen wir die Lehren seines Lebens ziehen und den Kampf für Leo, für das Erreichen des Kommunismus, weiterführen.