„Wir sollten jetzt möglichst bald im April wieder die Arbeit niederlegen“
Vor drei Wochen fand der letzte Warnstreik der angestellten Lehrer*innen in Berlin statt. Wie soll es jetzt in ihrem Arbeitskampf weitergehen? Wir sprachen mit Tony Tacconi (Name geändert), Lehrer an einer Berliner Schule und Mitglied der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW).
Du hast gerade als Lehrer in Berlin angefangen und warst vor Kurzem zum ersten Mal bei einem Warnstreik. Wie war es?
Ein bisschen aufgeregt bin ich schon gewesen, schließlich hatte ich an diesem Tag das erste Mal eine Streikweste angezogen. Die Kolleg*innen wie auch der Schulleiter gingen aber ziemlich routiniert mit der ganzen Sache um. Trotzdem war es erst einmal etwas ungewohnt, dass meine Schüler*innen wegen mir an diesem Tag zu Hause blieben. Mir war es wichtig, mich daran zu beteiligen, weil der Streik gerade für die Zukunft eine wichtige Bedeutung haben wird.
Bisher ist es so, dass der Senat allein eine Regelung entworfen hat, nach welcher neue Lehrer*innen „eingruppiert“ werden, also wie viel Lohn sie bekommen. Die Gehälter in der Schule sind sehr unterschiedlich. Im Streik fordern wir daher „Gleichen Lohn für gleiche Arbeit“, und dass die Eingruppierung verbindlich durch einen Tarifvertrag geregelt wird.
In den letzten drei Jahren hat die Berliner GEW insgesamt 19 Streiktage organisiert. Wie schätzt du ihre Strategie ein?
Im Rahmen der Bundes GEW gilt der Berliner Landesverband als „kämpferisch“. Schließlich versuchen sie nun allein in Berlin die Entgeltordnung durchzusetzen, nachdem das auf der Bundesebene letztes Jahr gescheitert ist. Nach einer Streikkonferenz im Herbst 2015 gab es im Januar einen ersten Warnstreik, zu dem zunächst nur Lehrer*innen der berufsbildenden Einrichtungen sowie von zwölf allgemeinbildenden Schulen zum Streik aufgerufen waren. Am 17. März waren dann alle angestellten Lehrer*innen in Berlin aufgerufen. Dabei konnte oft auch die „Basis“ zu Wort kommen, wie bei der Streikkonferenz oder bei der Kundgebung, bei der einfach das Mikrophon herumgereicht wurde. Ich finde das sind sehr gute Ansätze, die die GEW auch im positiven Sinne von anderen Gewerkschaften unterscheidet.
Nur, es könnte auch einiges besser laufen. Bei der Streikkonferenz im Herbst meinten Einige, dass wir nun nicht mehr „langsam an Fahrt aufnehmen“ müssten, wie dies die GEW-Führung vorschlug. Sie sagten, wir sollten gleich mit höherem Tempo streiken, denn letzten Endes ist dies nur die Weiterführung der Auseinandersetzung aus dem Frühling 2015. Strategisch hat die GEW-Führung zwar diese Kritik diskutiert, aber sich nicht beirren lassen und ist bei ihrem langsamen Vorgehen geblieben.
Von der GEW-Führung wurde dort gesagt, dass man nicht sofort alle mobilisieren könne und daher sich langsam steigern müsse, auch im Hinblick auf die Tarifverhandlungen, um wirksam den Druck erhöhen zu können. Ich finde das aber nicht überzeugend. Ich glaube, dass das langsame Vorgehen eher die Mobilisierung einschränkt, denn nur in der Zeit vor und nach dem Streik wurde beispielsweise an meiner Schule darüber geredet. Wenn zu viel Zeit dazwischen liegt, findet keine wirkliche Auseinandersetzung statt, was die Beteiligung schwächt.
Was wäre deiner Meinung nach nötig, um die Forderungen durchzusetzen?
Wir sollten den Druck und die Mobilisierung der Lehrer*innen jetzt schnell erhöhen. Dazu müssen wir häufiger streiken, um so auch die Auseinandersetzung in den Kollegien zu fördern. Darüber hinaus sollten wir nicht nur Eltern und verbeamtete Kolleg*innen um Unterstützung bitten, sondern auch aktive Schüler*innen und Studierende.
Vor allem wäre es aber wichtig, dass die Lehrer*innen nicht nur angehört werden, sondern auch über das Geschehen, wie zum Beispiel wie oft gestreikt werden soll, in Streikversammlungen bestimmen können. Die Streikversammlungen, die es in der GEW aktuell gibt, finden erstens nicht an den Streiktagen selbst statt, und zweitens können die Basismitglieder nicht direkt über den Streikverlauf entscheiden, selbst wenn sie an den Versammlungen teilnehmen. Ein solches System sorgt dafür, dass diese Versammlungen systematisch wenig Zulauf haben. Denn wer geht schon zu Treffen, bei denen man zwar angehört wird, aber eigentlich nichts zu entscheiden hat?
Deshalb sollten die Streikversammlungen direkt beim Streik stattfinden. Dort sind alle Streikenden schon an einem Ort und sind motiviert, über die nächsten Schritte zu diskutieren. Alle Streikenden sollten also zusammen kommen und beispielsweise zuerst das Thema der Häufigkeit der Streiks diskutieren. Natürlich sollte hier jeder das Recht haben, etwas zu sagen und einen Vorschlag zu machen. Nach einer gewissen Zeit können dann die Streikenden über einen oder mehrere Vorschläge abstimmen.
Wie können die nächsten Schritte aussehen?
Wir sollten jetzt möglichst bald im April wieder die Arbeit niederlegen. Ich fand es sehr wichtig, dass Robert von Jugend gegen Rassismus bei der Kundgebung gesprochen hat. Dort hat er dazu aufgerufen, Schüler*innen am Tag des Schulstreiks zu entschuldigen oder gar einen Streik stattfinden zu lassen. Das kann ich nur unterstützen! Bei dieser Gelegenheit könnten wir anschließend gleich eine Streikversammlung abhalten, auf der wir über das weitere Vorgehen diskutieren!