„Sonnenbrillen, Schals und Regenjacken wurden beschlagnahmt“ – Interview zur Polizeischikane in Stolpe

13.07.2017, Lesezeit 4 Min.
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Am Sonntag wurden acht Busse von Hamburg nach Berlin stundenlang von der Polizei aufgehalten und kontrolliert. Die Polizei warf dabei mit Beleidigungen und haltlosen Anschuldigungen um sich. Tabea Winter berichtet von ihren persönlichen Erfahrungen an diesem Nachmittag.

Am Sonntag wurdet ihr stundenlang von der Polizei auf dem Rasthof Stolpe festgehalten. Was hast du dabei erlebt?

Wir mussten alle einzeln den Bus verlassen. Ich war die erste, die ihr gesamtes Gepäck mitnehmen musste. Zwei Polizist*innen begleiteten mich dann zur Personalienaufnahme, wo ich einen Buchstaben und eine Nummer bekam und mein Perso fotografiert wurde. Weiter ging es zur Taschendurchsuchung. Angefangen von meinem Portemonnaie über meine Schminktasche bis zu meinen dreckigen Klamotten und meinem gesamten Rucksackinhalt. Alles lag auf dem Boden verteilt da und ich musste es wieder einpacken. Immerhin haben sie bei mir – anders als bei anderen – drauf verzichtet das Zelt auszupacken.

Besonders spannend fanden sie meine Regenjacke und meine Mütze, die Regenjacke haben sie auch einmal zu irgendwelchen anderen Polizist*innen gebracht und dann zurück. Mir haben sie zwei Schablonen abgenommen, mit der Aussage: „Na, dann kriegen wir dich immerhin wegen Sachbeschädigung ran.“ Die Schablonen stammen von einem legalen Graffiti-Workshop, den ich letzte Woche besucht habe, und waren in Hamburg die gesamte Zeit in meinem Rucksack.

Während der Beschlagnahmung saß ich neben Aktivist*innen deren Sonnenbrillen, Schals und Regenjacken beschlagnahmt wurden – alles Gegenstände, die auch ich in meiner Tasche hatte – ebenso wie wahrscheinlich jede Person, die am Wochenende nicht in Hamburg, sondern auf dem Feel-Festival war.

Hat die Polizei dir erklärt, warum sie diese Maßnahmen durchführen?

Im Bus wurde uns von unserem Anwalt gesagt, dass unsere Personalien aufgenommen werden, weil wir Zeug*innen sein könnten. Warum man von potentiellen Zeug*innen die Taschen durchsuchen muss, keine Ahnung.

Mir haben sie klar gemacht, dass sie der Meinung sind, dass ich in Hamburg an Straftaten beteiligt war und sie Beweise dafür suchen. Während wir vom Bus zur Personalienaufnahme liefen haben sie mich gefragt, ob ich bei Straftaten dabei war. Ich habe geschwiegen, denn Anna und Arthur halten’s Maul. Darauf sie: „Ihr Schweigen bedeutet schon Zustimmung. Das wird für Sie Konsequenzen haben“. Bei anderen habe ich gehört, wie sie gesagt haben, dass sie die Durchsuchungen und Beschlagnahmungen durchführen, weil für Sonntagabend Straftaten in Berlin angekündigt gewesen sein.

Dass die Aussagen einander widersprechen, hat die Polizist*innen scheinbar nicht interessiert.

Viele Aktivist*innen berichteten bei diesen Kontrollen von Polizeigewalt und rassistischen sowie sexistischen Beleidigungen. Hast du etwas Ähnliches erlebt?

Zu mir waren sie sehr freundlich – auf einer Ebene von „Warum bist du denn mit solchen Menschen unterwegs? Du kannst doch so viel aus deinem Leben machen!“ So haben sie mir zu verstehen gegeben, dass ich für sie ein unschuldiges Mädchen bin. Ihr Sexismus hat mir da nicht geschadet. Viele meiner Freund*innen berichten von scheiß Kommentaren wie „Also wir konnten immerhin gut schlafen“, was auf den Schlafentzug durch den Helikopter über den Camp angespielt hat. Auch von homophoben Beschimpfungen habe ich gehört.

Kannst du dir erklären, was die Polizei damit bewirken wollte?

Ich denke, sie wollten uns einschüchtern. Es war ja die zweite Kontrolle für uns, am Samstag wurden von allen, die vom Camp zur Großdemo sind, schon mal die Personalien aufgenommen. Polizeikontrollen bedeuten psychischen Stress. Sie sollen wohl auch nach Drogen gesucht haben, also irgendwas, womit sie Leute noch festnehmen können. Vielleicht hatten die auch wirklich die Hoffnungen benutzte Molotowcocktails in unseren Taschen zu finden.

Naja, und alle Daten von so vielen Aktivist*innen zu haben ist ja auch im Interesse der Polizei.

Was würdest du gerne Aktivist*innen auf dem Weg geben, die auch Betroffene von diesen Kontrollen waren?

Wir haben den Tag überstanden, wir haben die Scheiße an Kontrollen und Heli-Lärm überstanden, wir haben die Repression in Hamburg überstanden! Die können uns das nicht kaputt machen. Wir sind viele und für uns ist Widerstand Pflicht!

Lasst uns zusammen halten und gemeinsam gegen die kommende Repression kämpfen. Wenn wir nächste Woche unsere gefangen genommenen Sonnenbrillen und Jacken abholen, dann lasst uns dort gemeinsam hin.

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