Berlin: „Wir sind diese Universität und wir müssen uns hier gegen den Genozid stellen“

03.12.2023, Lesezeit 7 Min.
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Trotz klirrender Kälte kamen am Freitagnachmittag über 80 Personen zusammen, um gegen die Jubiläumsfeier der „Freien“ Universität Berlin zu protestieren.

Unter dem Motto „75 Jahre FU – Kein Grund zu feiern“ versammelten sich gestern mehr als 80 Menschen an der Freien Universität. Als Waffen der Kritik haben wir die Kundgebung gemeinsam mit unabhängigen Studierenden organisiert, um gegen die Politik der Universitätsleitung zu protestieren, die sich unbekümmert für ihr 75-jähriges Bestehen feiert, während sie die 75 Jahre andauernde Nakba, die momentan im Vernichtungskrieg gegen die Palästinenser:innen mündet, weiterhin ignoriert.

Angehörige verschiedener Religionen und Ethnien, sowie Mitglieder verschiedener politischer Gruppen sind unserem Aufruf gefolgt und unterstützten die Kundgebung unterstützt haben. So sprach beispielsweise Udi Raz von der Jüdischen Stimme für gerechten Frieden in Nahost, die selbst Doktorandin an der Freien Universität ist. Sie berichtete darüber, wie antizionistische jüdische Akademiker:innen, im Klima der allgemeinen Hetze ihre „akademische Heimat“ verlieren, weil ihre Stimmen mundtot gemacht werden sollen. Tatsächlich wird im Schatten der Gleichsetzung von israelkritischen und insbesondere antizionistischen Positionen mit Antisemitismus und der Unterstützung des palästinensischen Widerstandes gegen die Besatzung mit der Hamas ein Frontalangriff auf kritische Intellektuelle aller Religionen und teilweise ganzer Fachrichtungen wie die postcolonial studies gefahren. Diese werden nun als „Brutstätte des Antisemitismus“ diffamiert, wodurch Teile des akademischen Diskurses, die das Vorgehen des israelischen Staates und dessen siedlerkolonialen Charakter kritisieren, mit reaktionären Scheinargumenten zum Verstummen gebracht werden sollen. Diese Entwicklungen zeigen, wie wichtig es ist, den Kampf um Palästina auch direkt an den Universitäten zu führen, die keineswegs neutrale und offene Räume des intellektuellen Austauschs sind, sondern eine unterstützende Rolle in der kapitalistischen Gesellschaft einnehmen. In diesem Fall drückt sie sich in einer unbedingten Anerkennung der Deutschen Staatsräson in Bezug auf Israel aus, was an den einseitigen Statements der Freien Universität klar erkennbar ist. Neben einem Kampf für den Stopp von Rüstungsexporten und aller Militär- und Sicherheitskooperationen mit Israel, bedeutet der Kampf für Palästina in Deutschland eben auch einen Kampf gegen „alle ideologischen Produktionen, die den israelischen Staat schönreden und seine Verbrechen verschleiern“, die auch an den Universitäten hervorgebracht werden, wie es der Genosse Georg von der Gruppe ArbeiterInnenmacht in seinem Beitrag richtigerweise feststellte.

Dass sich die Freie Universität in diesen Zeiten den Kampf gegen Antisemitismus auf die Fahnen schreibt, ist doppelt zynisch, wenn wir uns anschauen, wo die große 75-Jahres-Party am Freitag stattgefunden hat. Das Gebäude, in dem dort auf das Bestehen und die „Werte“ der FU angestoßen wurde, ist der Henry-Ford-Bau. Wie auf der Kundgebung mehrfach angesprochen wurde, ist es eine absolute Dreistigkeit der Universität, sich als Institution gegen Antisemitismus darzustellen (und damit das eigene Schweigen zum Leid der Palästinenser:innen und der Kriegsverbrechen Israels zu rechtfertigen), während eines der wichtigsten Gebäude der Uni nach einem glühenden Antisemiten benannt ist. Henry Ford hat zu seinen Lebzeiten eine Reihe von antisemitischen Büchern mit Titeln wie „Der internationale Jude: Ein Weltproblem“ geschrieben und Adolf Hitler persönlich zu seinem 50. Geburtstag 35.000 Reichsmark geschenkt. In einem Gebäude, das nach einem Mann benannt ist, der ein so enger Verbündeter der Nazis war, dass in Hitlers privatem Büro in Berlin ein Foto von ihm hang, feiert also die FU ihre Gründung und will sich als Ort hochstilisieren, an dem es keinen Platz für Antisemitismus gäbe.

Die Kundgebung hat also gezeigt, dass es viel zu tun gibt. Von der Verteidigung akademischer Freiheit, über den Kampf gegen die Ideologie des Zionismus bis zur praktischen Umbenennung der Gebäude, in denen wir studieren. Weitere Redner:innen haben außerdem die rassistische Hetze angeprangert, der palästinasolidarische Studierende ausgesetzt sind, was auch an diesem Tag wieder direkt spürbar war. Das Bündnis „Fridays For Israel“, welches aus einer reaktionären Koalition von zionistischen Studierendengruppen, der CDU und den Grünen besteht, hatte zu einer Gegenkundgebung aufgerufen. Angeblich, weil unsere Veranstaltung eine „Pro-Hamas Demonstration“ wäre, was nur ein weiteres Beispiel für das rassistische Narrativ ist, dass alle Formen der Unterstützung Palästinas in einen Topf wirft und sie unmittelbar mit der Hamas oder ihrer Unterstützung gleichsetzt. Auch wenn kaum mehr als 30 Gestalten diesem verwirrten Aufruf nachgekommen sind, zeigt auch dieser Versuch uns einzuschüchtern oder mundtot zu machen, dass wir uns an den Universitäten gemeinsam organisieren müssen, um laut zu werden gegen die widerliche Hetze, die uns entgegengebracht wird.

So hat auch unser Genosse Fabio von Waffen der Kritik in seinem Redebeitrag darauf hingewiesen, dass unser Kampf für die Befreiung Palästinas als Studierende genau hier an der Universität anfangen muss: Denn auch unsere Uni ist in diesen Krieg verstrickt. Während sie in ihrem Aktienportfolio in Rheinmetall investiert und durch Kriege sogar noch Geld macht, hat sie mit der Hebrew University gleich eine Partneruni auf völkerrechtswidrig besetzten Gebiet. Gemeinsam mit „jede:r Student:in, jedem WiMi, jede:r Mensabeschäftigten, mit dem Reinigungspersonal und den Professor:innen“ müssen wir also auch an der FU konkret dafür kämpfen den Genozid zu stoppen. Wir wollen uns als Waffen der Kritik dafür einsetzen, an den Universitäten koordinierende Strukturen gegen den Krieg aufzubauen, in denen wir alle palästinasolidarischen Gruppen und Einzelpersonen sammeln können und dann gemeinsam mit voller Stärke auf unsere Unis, aber auch auf den Senat und die Bundesregierung Druck zu machen. Wir haben große Aufgaben vor uns, um in allen Schulen, Unis und Betrieben eine internationale Bewegung gegen die Kriegsverbrechen Israels und für ein Ende der Besatzung aufzubauen. Wie Fabio sagte:

„Wir müssen unsere Gewerkschaften auffordern, den internationalen Beispielen aus Kent und anderen Orten zu folgen, und als Beschäftigte Waffenlieferungen verhindern. Wir müssen uns den weltweiten Massenbewegungen anschließen, denen in UK mit einer Millionen Menschen auf den Straßen, dem internationalen Streik für Palästina, mit den Studierenden aus Harvard, mit jüdischen Menschen weltweit die keinen Völkermord vermeintlich in ihrem Namen mittragen wollen. Wir müssen auch hier die Solidarität mit dem palästinensischen Befreiungskampf stark machen – und zum 1000x Mal, das heißt nicht, dass wir die Strategien und Methoden der Hamas teilen – im Gegenteil. Wir stehen an der Seite der Unterdrückten und Arbeiter:innen in Palästina und Israel, und möchten mit ihnen gemeinsam kämpfen. Wir sind diese Uni und wir dürfen nicht zulassen, dass unsere Arbeit, unser Wissen, unsere Uni für einen Krieg missbraucht werden.
Wir sind diese Universität und wir müssen uns gegen diesen Genozid stellen als eine geeinte Kraft, dafür brauchen wir ein Solidaritäts-Komitte was alle diese Kräfte bündelt, wenn wir dem deutschen Imperialismus ein Messer ins Herz stechen wollen.
In diesem Sinne: Hoch die internationale Solidarität, Freiheit für Palästina!“

Wenn auch du dich für politische Arbeit an der Uni in Solidarität mit Palästina vernetzen möchtest, komm nächsten Mittwoch zu unserer Veranstaltung:

Wie weiter mit der Palästinasolidarität an der FU Berlin?

Wie können wir an der FU gegen den Genozid in Gaza und die pro-zionistische Ausrichtung der Universitätsleitung kämpfen?
Wir laden alle interessierten Einzelpersonen und Gruppen ein, mit uns über mögliche Allianzen und Strukturen für Politik zu Palästina an der Uni zu diskutieren und zu vernetzen.

Wann? Mittwoch, der 6.12.23 um 18 Uhr
Wo? Ort auf Anfrage

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