Wir sind alle Goodyear!
Acht Arbeiter des Reifenherstellers Goodyear stehen am 19./20. Oktober vor Gericht. Ihnen droht wegen einer angeblichen Freiheitsentziehung ihrer Bosse eine Haftstrafe. Zehntausende werden zu den Gegenprotesten erwartet, im Vorhinein wurde massiv mobilisiert.
Die acht Goodyear-Arbeiter stehen vor der Klassenjustiz, weil sie für ihre Arbeitsplätze gekämpft haben. Trotzdem: Viele Arbeiter*innen und Jugendliche wissen gar nicht, wofür dieser Tage die Kleinstadt Amiens nördlich von Paris steht, wo sich das Goodyear-Werk befindet. Was der nun neun Jahre andauernde Kampf der Kolleg*innen bedeutet, welche Geschichte und welche Lehren er für sie beinhaltet. Es ist ein Kampf, der so ziemlich alles enthält, was den Klassenkrieg zwischen Bourgeoisie und Proletariat ausmacht: Streiks, Blockaden, beeindruckende Demonstrationen auf der einen, Entlassungen, Drohungen und schließlich die Fabrikschließung auf der anderen Seite. Der Kampf zweier unversöhnlicher Lager, und nur folgerichtig: Ein Kampf auf Leben und Tod.
Die blutigen Lehren unserer Klasse
Als das Geschäftsjahr 2015 abgeschlossen wurde, rieben sich die Kapitalist*innen von Goodyear freudig die Hände: Satte 270 Millionen Euro an Gewinnen konnte verzeichnet werden. Das Werk in Amiens, einer typischen und alten Industriestadt, stand schon längst still. Auch die ehemaligen Malocher*innen der Fabrik hatten ihre Bilanz zu verzeichnen: 12 Todesfälle gab es seit der Fabrikschließung, davon drei durch Suizid. 1173 Arbeiter*innen verloren ihren Job!
Es war vor über zwei Jahren, als sich die Arbeiter*innen im Zuge des Kampfes gegen die Schließung des Werkes entschlossen, zwei ihrer Manager in einem Raum gefangen zu halten, damit sie mit ihnen verhandeln würden. Dieses Ereignis wurde auch als “Bossnapping” bezeichnet. Doch war dies wirklich so schlimm, dass die 8 von Goodyear nun ins Gefängnis müssen? Es sei daran erinnert, dass den beiden Managern, dem Werksdirektor Michel Dheilly und dem Personalchef Bernard Glessar, keinerlei Gewalt zugefügt wurde und die tagende Betriebsversammlung schon beschlossen (!) hatte, dass sie Verhandlungen aufnehmen sollten. Dennoch weigerte sich die Führung von Goodyear, es gingen fortan nur noch Beleidigungen an die Adresse der Werktätigen, die dagegen einwandten, dass ein gesundes (!) Werk geschlossen wurde!
In einem Schandurteil wurden die Arbeiter im Januar dieses Jahres jedoch zu jeweils 9 Monaten Haft und weiteren 15 Monaten zur Bewährung verurteilt. Nun erfolgt die Revisionsverhandlung vor der spektakulären Kulisse von Zehntausenden, womöglich gar 100.000 solidarischen Unterstützer*innen. Das Urteil wird so oder so eine Signalwirkung für das französische Proletariat entfalten: Zum ersten Mal seit über 50 Jahren versucht die Regierung, kämpferische Gewerkschafter*innen zu inhaftieren.
Gegen Kriminalisierung, für unsere Rechte!
Ein Angriff auf unsere Klasse, der in einer Situation stattfindet, wo das Kapital eine Offensive der Repression gegen uns startet: Die Kriminalisierung von Aktivist*innen, die gegen das Loi El Khomri protestierten, der Polizeimord an Adama Traoré sowie der Polizeiangriff auf den Revolutionär Guillaume Vadot sind Beweise eines Verhaltens der Hollande-Regierung, die mit allen Mitteln versucht, den Widerstand zu erwürgen.
Aber es gibt inmitten dieser Generation an kämpferischen Arbeiter*innen und Jugendlichen keine Attacke der Regierung, die nicht gekontert wird. Und so formiert sich derzeit auch eine bemerkenswerte Front zwischen Gewerkschafter*innen wie Mickael Vamen (der seit jeher an vorderster Front bei Goodyear steht) und antirassistischen Aktivist*innen wie Assa Traoré oder Amal Bentounsi gegen die Repression des Staates.
Diese Formen der Selbstorganisierung müssen auch nach den Aktionstagen aufrecht erhalten und weitergeführt werden, denn mit einer Verbindung der gewerkschaftlichen mit den antirassistischen Kämpfen können wir unsere Stärke verdoppeln und die Reihen zum Kampf gegen den Staat schließen. Wir werden es nicht akzeptieren, dass Arbeiter*innen ins Gefängnis gehen müssen, während die Kapitalist*innen eine Schließung nach der anderen durchführen. Wir werden nicht hinnehmen, dass Arbeiter*innen dafür bestraft werden, dass sie gegen die Schließung ihrer Fabrik gekämpft haben.
An diesen Tagen werden die 8 von Goodyear vor Gericht stehen, aber ebenso gemeint sind auch wir! Denn „nous sommes tous Goodyear“ – Wir sind alle Goodyear!