„Wir lassen nicht zu, dass die Rechten sich als einzige Opposition gegen die neue Regierung darstellen“
Gegen die Querdenken-Bewegung gingen in München gestern erneut Hunderte auf die Straße. Leonie, Hebamme und Gewerkschafterin, machte in ihrer Rede die Regierungspolitik für das Erstarken der Rechten verantwortlich. Sie rief Linke, Arbeiter:innen und Gewerkschafter:innen auf, einen Gegenwind gegen die Regierung zu schaffen.
Während in der Münchner Innenstadt gestern weniger „Querdenker:innen“ als in den Vorwochen zu ihren „Spaziergängen“ aufbrachen, fanden sich auf dem Platz vor der Feldherrnhalle rund 350 Menschen zusammen, um ein Zeichen gegen die Rechten zu setzen. Unter dem Motto „München Solidarisch“ demonstrierten neben vorwiegend jungen Mitgliedern von Grünen und SPD auch linke Gruppen.
Während die Redner:innen von Jusos und Grüner Jugend jedoch vor allem den Egoismus der „Querdenker:innen“ in den Vordergrund stellten und immer wieder zur Impfung und zum Tragen von Masken aufriefen, schwiegen sie zu den Verfehlungen der Ampel-Regierung bei der Pandemiebekämpfung.
Anders Leonie, die für Klasse Gegen Klasse auf der Kundgebung eine Rede hielt. Die junge Hebamme hob das Versagen der alten wie der neuen Bundesregierungen hervor, das der Querdenken-Bewegung erst den Boden bereitet habe. Die Rechten dürften sich nicht als die einzige Opposition gegen die neue Regierung darstellen. Es habe bislang viel zu wenig Gegenwind von links gegeben. Deshalb rief die bei ver.di organisierte Krankenhausarbeiterin auf: „Lasst uns als Linke, als Arbeiter:innen, als Gewerkschafter:innen gemeinsam diesen Gegenwind schaffen. Nur so können wir eine Kraft gegenüber den Querdenker:innen haben.“
Leonies Beitrag ist ein gutes Beispiel, welchen Inhalt die Proteste gegen „Querdenken“, die vielerorts gerade entstehen, brauchen. Denn um uns den „Querdenker:innen“ in den Weg zu stellen, brauchen wir uns nicht mit der Regierungspolitik gemein machen.
Hier dokumentieren wir den Text der Rede im Wortlaut:
„Ich bin die Leonie, ich arbeite als Hebamme am Krankenhaus in München und ich bin bei Klasse Gegen Klasse organisiert und auch gewerkschaftlich.
Wir demonstrieren heute, weil wir den Rechten und denen, die ihnen nachlaufen, nicht die Straßen überlassen dürfen. An mehreren Orten hat ‚Querdenken‘ angebliche Solidaritätskundgebungen vor Krankenhäusern abgehalten. Als Beschäftigte im Krankenhaus sage ich: Eure Solidarität brauchen wir nicht!
Wir sind aber auch auf der Straße, weil wir nicht zulassen wollen, dass die Rechten sich als die einzige Opposition gegen die neue Regierung darstellen. Denn es ist die Politik der alten und der neuen Bundesregierung, die den Nährboden für Querdenken geschaffen hat. In gut zwei Jahren Pandemie ging es immer als Erstes darum, die Wirtschaft am Laufen zu halten, damit weiter Profite gemacht werden können. Zur Eindämmung der Pandemie wurde immer zuerst das Privatleben eingeschränkt, während sich alle weiterhin auf der Arbeit oder auf dem Weg dahin anstecken dürfen. Rettungspakete gab’s für die Lufthansa, während kleine Selbstständige oder Künstler:innen kaum Hilfe bekommen haben.
Die Debatte um die allgemeine Impfpflicht ist aktuell nicht mehr als ein Ablenkungsmanöver. Impfungen sind natürlich ein sehr wichtiges Mittel in der Bekämpfung der Pandemie und wir dürfen nicht aufhören mit den Menschen in unserem Umfeld, in unseren Betrieben, in unseren Familien, die immer noch skeptisch sind, über den Nutzen einer Impfung zu sprechen. Aber: Seit einem Jahr wird in Deutschland gegen Corona geimpft und in der ganzen Zeit ist es der Regierung nicht gelungen, eine vernünftige Kampagne aufzustellen. Mit einfachem Zugang zu den Impfungen, mit klarer Information, mit aufsuchenden Angeboten an jeder Haustür. Das alles hat gefehlt und fehlt immer noch. Und dieses Versagen soll jetzt mit der Repression ausgeglichen werden.
Wir Beschäftigten im Gesundheitswesen haben den Kopf hingehalten und machen seit bald zwei Jahre unsere Arbeit unter erschwerten Bedingungen. Dass die Arbeitsbedingungen und die Löhne im Gesundheitswesen auch vor der Pandemie schon nicht tragbar waren, ist ja immerhin inzwischen allgemein bekannt – nur geändert hat sich nichts zum Guten. Zum Dank gilt ab Mitte März dafür bei uns schon die Impfpflicht, obwohl im Gesundheitswesen die Impfquoten sowieso höher sind als im Durchschnitt. Kolleg:innen droht die Kündigung oder sie gehen selbst. Und diese zusätzliche Spaltung können wir im Krankenhaus am wenigsten gebrauchen. Noch nicht einmal den Corona-Bonus, der im Koalitionsvertrag der Ampel versprochen wurde, werden wir alle bekommen, wie uns der Gesundheitsminister Lauterbach erklärt hat.
Und während wir uns mit ein bisschen Applaus in der ersten Welle begnügen mussten, haben vor allem Politiker:innen der Union an der Krise verdient. Der ehemalige Gesundheitsminister Spahn bleibt heute ungestraft, obwohl er in der Maskenaffäre seine Position missbraucht hat.
Gegen diese ganze Regierungspolitik gab es viel zu wenig Gegenwind von links. Die Führungen unserer Gewerkschaften waren viel zu lange viel zu kompromissbereit. In den letzten Tarifrunden im öffentlichen Dienst mussten wir uns mit Lohnerhöhungen zufriedengeben, die von der Inflation schnell wieder aufgefressen sind. Das darf nicht so bleiben!
Lasst uns als Linke, als Arbeiter:innen, als Gewerkschafter:innen gemeinsam diesen Gegenwind schaffen. Nur so können wir eine Kraft gegenüber den Querdenker:innen haben.
Für die sofortige Freigabe aller Patente, damit die Pandemie weltweit wirksam bekämpft werden kann! Für ein verstaatlichtes Gesundheitssystem unter Kontrolle der Beschäftigten, ohne Outsourcing und mit einem guten Tarifvertrag für alle! Gegen staatliche Repression gegen Ungeimpfte und für eine wirkliche Impfkampagne an jeder Haustür!“
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„Aufstehen. Streiken. Sein Gehirn benutzen und sich organisieren.“
Protest gegen die Querdenken-Bewegung muss nicht heißen, die Regierungspolitik zu unterstützen. Das beweist ein Krankenhaus-Azubi mit seiner Rede, die er auf einer Gegenkundgebung in Memmingen gehalten hat. Darin rechnet er mit den Versprechen der Regierung an die Pflege ab und ruft dazu auf, sich zu organisieren.