Wir haben uns Jens Spahn bei „Hart aber Fair“ angesehen, damit ihr es nicht tun müsst
Am Montag um 21 Uhr lief die populäre Talkshow „Hart aber Fair“. Diesmal diskutierte der neue Gesundheitsminister Jens Spahn über Probleme im Deutschen Gesundheitssystem – und verteidigte die Zwei-Klassen-Medizin.
Zu Beginn der Diskussion berichtet eine Mutter aus Dresden über ihre Suche nach einem*r neuen Kinderarzt*ärztin. Parallel dazu wurde bei ihr ein Tumor festgestellt. Erst nach einer Wartezeit von einigen Monaten wurde ihr mitgeteilt, dass es sich dabei um eine gutartige Mutation des Bindegewebes handelte – sie erhielt also keine Krebsdiagnose. Die Zeit des Wartens und der Unsicherheit beschrieb sie jedoch als sehr schlimm. Bei langen Wartezeiten handelt es sich nicht bloß um ein „Komfortproblem“: Eine Studie aus Finnland zeigte, dass während solcher Wartezeiten die Selbstmordrate steigt.
In der Diskussion ging es dann um das Zwei-Klassen-System im deutschen Gesundheitswesen. Gesundheitsminister Jens Spahn ist ein Verfechter von privater Krankenversicherung, neben der gesetzlichen, und predigt den Wettbewerb. Er verliert kein Wort über das Geld, das dringend gebraucht wird, um die gravierenden Probleme zu lösen. Wie will er zum Beispiel gegen Ärzt*innenmangel auf dem Land vorgehen? Er nennt nur die Vorzüge des Landlebens.
Als Beispiel für die Zwei-Klassen-Gesellschaft im Gesundheitswesen werden zwei Grippe-Impfstoffe präsentiert: ein besserer für Privatpatient*innen und ein schlechterer für Kassenpatient*innen. Lediglich die bessere Impfung, mit Vierfachschutz, half bei der aktuellen Grippewelle. Anette Dowideit, Wirtschaftsjournalistin im Gesundheits- und Pflegebereich, gibt zu bedenken, dass es gerade die sozial schwächer gestellten Kassenpatient*innen sind, die an einer Grippe sterben.
Eine private Krankenversicherung kann viele Probleme bringen, denn im Alter steigen die Beiträge. Das resultiert aus dem Umstand, dass sich die Beiträge einer privaten Krankenversicherung nach dem Risiko richten, dass der*die Versicherte eine*n Arzt*Ärztin aufsuchen muss. Dagegen bemessen sich die Beiträge einer gesetzlichen Krankenkasse nach dem Aufwand, der insgesamt geleistet werden muss, um alle Menschen gesundheitlich zu versorgen. Diese Last wird dann auf alle Schultern verteilt, je nach Einkommen. Dadurch bleiben auch bei älteren Menschen die Beiträge gleich.
Ziehen sich die Privatpatient*innen aus dieser Solidargemeinschaft zurück? Auf diesen Vorwurf antwortet Spahn:
Von den gut acht Millionen Privatversicherten sind die meisten Beamte und Pensionäre. Wir können den Polizisten auf der Straße ja mal fragen, ob der reich ist. Wir haben viele Selbstständige die da drin sind, das sind Taxifahrer, Kioskbesitzer, kleine Solo-Selbstständige, und die Unterstellung, die entsolidarisieren sich alle mit ihrem riesen Einkommen, die hat einfach mit der Realität der privaten Krankenversicherungen nichts zu tun.
Dabei sind die Einstiegsgehälter von Polizeibeamt*innen schon um einiges höher als zum Beispiel von Krankenpfleger*innen. Die Einkommen von Politiker*innen wie Jens Spahn reichen erst recht aus, um sich problemlos eine gute medizinische Versorgung zu leisten. Allein die Diäten als Bundestagsabgeordnete*r oder die Gehälter als Minister*in sind mehr als hoch genug dafür.
An dem Abend agiert Spahn sehr zurückhaltend – eher auf Kompromiss als auf Konfrontation ausgelegt. Der Moderator Jens Plasberg versucht, Spahn auf seine Äußerungen zu Hartz IV anzusprechen. Doch er reagiert gelassen und ließ sich nicht zu weiteren solchen Aussagen verleiten. Und die Petition, dass Spahn einen Monat lang von Hartz IV leben sollte? Der Gesundheitsminister meint, dass er mit der Erstellerin der Petition telefoniert und mit ihr ein konstruktives Gespräch geführt habe.
Der Spiegel nennt das zentrale Problem bei diesem Gesundheitsminister: „Er kann sich kaum vorstellen, was es bedeutet, monatelang auf einen Arzttermin zu warten.“