„Wir brauchen keinen Hillary-Clinton-Feminismus!“

19.06.2019, Lesezeit 5 Min.
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Am 11. Juni veranstalteten die antikapitalistische Hochschulgruppe organize:strike und die sozialistisch-feministische Gruppe Brot und Rosen an der Alice-Salomon-Hochschule Berlin eine Debatte zum Thema “Feminismus auf der richtigen Seite der Barrikade – Warum muss unser Feminismus antikapitalistisch sein?”.

25 Menschen waren trotz Hitze und Schienenersatzverkehr dabei und haben mit uns diskutiert, welchen Feminismus wir heute brauchen, welche Kämpfe von Arbeiterinnen – vor allem gegen Outsourcing – heute schon existieren und wie dies an die ASH getragen werden kann.

In ihrer Einleitung stellte die Moderatorn Inés, Studentin an der ASH, anhand ihrer Erfahrung im Arbeitskampf dar, dass Unis nicht nur ein Ort des Studierens, sondern auch ein Ort des Arbeitens und Kämpfens ist. Gerade die Auseinandersetzung um den studentischen Tarifvertrag TVStud war für viele ein Moment, in dem sie gemerkt haben, dass ihre Interessen sich mit denen anderer Arbeiter*innen überschneiden. Deshalb handelt es sich ausgehend von diesen Erfahrungen darum, zum Einen verschiedene Arbeitskämpfe miteinander zu verbinden, aber auch demokratische Kämpfe für mehr Rechte.

Lilly schloss an diese Ausführungen an und beschrieb zunächst die neue feministische Welle weltweit, mit der sich die Frauen als erste soziale Bewegung gegen den internationalen Rechtsruck der letzten Jahre gestellt haben. Jedoch steht diese Bewegung vor der Herausforderung, die Grenzen des liberalen Feminismus zu überwinden und zu einer tatsächlichen Systemalternative zu werden. Lilly argumentierte für einen antikapitalistischen Feminismus der Arbeiterinnen, der sich von einem liberalen Feminismus abgrenzt. Dazu stellte sie das Buch “Brot und Rosen” von Andrea D’Atri vor, das in diesem Jahr auf Deutsch erschienen ist, und nahm fünf Lehren zur Hilfe, die sie anhand des Buches für die Anwesenden illustrierte: Erstens, dass Frauen kämpfende Subjekte sind, verbunden mit der sozialen Position, die der Kapitalismus ihnen zuweist. Dieser Kampf ist zweitens kollektiv und verbunden mit gesamtgesellschaftlichen Bewegungen, in denen Rechte erkämpft oder verloren werden. Drittens haben dennoch nicht alle Frauen die gleichen Interessen, da im Kapitalismus die formelle Gleichheit der Rechte immer mit einer anhaltenden Ungleichheit der Lebensbedingungen verbunden ist. Viertens muss deshalb die Frauenbewegung mit der Arbeiter*innenbewegung gemeinsam kämpfen. Voraussetzung dafür ist die Überwindung der Trennung zwischen Frauen- und Arbeiter*innenbewegung, die in den vergangenen Jahrzehnten durch Bürokratien in beiden Bewegungen durchgesetzt wurde. Und fünftens müssen wir für eine tatsächliche Befreiung den Kapitalismus stürzen, denn ein liberaler Feminismus à la Hillary Clinton verspricht zwar einige Verbesserungen für einige Frauen, bietet jedoch keine Lösung für die breite Masse der Frauen und der Unterdrückten an.

Im Anschluss stellte Charlotte, Hebamme aus München, die Arbeitssituation an Krankenhäusern und den Kampf dagegen dar. Sie beschrieb, warum dieser Kampf gegen Prekarisierung ein feministischer Kampf ist. Denn zum Einen betreffen die prekären Arbeitsbedingungen an Krankenhäusern, genauso wie in vielen anderen Care-Bereichen, vor allem Frauen. Zum Anderen ist ein Kampf für die Verbesserung von Arbeitsbedingungen in Krankenhäusern immer auch ein Kampf für bessere Gesundheitsversorgung und deshalb aufs Engste mit Kämpfen für reproduktive Rechte wie das Recht auf Abtreibung verbunden. Dazu thematisierte Charlotte auch die Notwendigkeit, mit einem Frauenstreik die Methoden der Arbeiter*innenbewegung zur Durchsetzung von Forderungen aufzunehmen, und damit zugleich die Kämpfe der Frauenbewegung in die Arbeiter*innenbewegung hinein zu tragen – denn für Hebammen, Krankenpflegerinnen, Ärztinnen usw. sind die Kämpfe um ihre Arbeitsbedingungen und um ihre Rechte (und die aller Frauen) nicht voneinander getrennt.

Ruth, Betriebsrätin am Wombat’s Hostel, erzählte von der Organisierung in ihrem Hostel und den Union Busting-Versuchen der Geschäftsführung, die nicht vor krassestem Sexismus und dem Outsourcing der Reinigung zurückschreckte. Sie rief dazu auf, die Beschäftigten im Kampf gegen Betriebsschließung zu unterstützen und sich an einer Kampagne dafür zu beteiligen, dass Outsourcing verboten wird. Am folgenden Tag fand eine große Protestaktion vor dem Hostel statt, um gegen die Schließung zu protestieren, bei der zahlreiche Unterstützer*innen – unter anderem von organize:strike und Brot und Rosen – ihre Solidarität zeigten.

Tabea, Studentin an der ASH, erklärte, was diese Verhältnisse mit der Situation von Studierenden, besonders Studierenden der Sozialen Arbeit, zu tun hat. Gerade diese Hochschule mit ihrem hohen Anteil an weiblichen Studierenden bereitet auf ein ebenfalls sehr weiblich geprägtes Arbeitsumfeld vor, in dem die Abwertung und Nicht-Anerkennung von weiblicher Arbeit alltäglich ist. Tabea betonte auch, wie die Verschlechterung der Arbeitsverhältnisse Teil des Rechtsrucks ist: Der Rechtsruck greift zuerst einzelne an (Geflüchtete, Nicht-Weiße, LGBTIQ), dann immer mehr Sektoren – auch direkt an der Hochschule. So berichtete sie auch, dass Outsourcing auch in der Reinigung an der ASH Alltag ist. Während der Diskussion entstand auch ein Kontakt zu den betroffenen Beschäftigten, und die Anwesenden debattierten im Anschluss, wie ihr Protest gegen die prekären Arbeitsbedingungen unterstützt werden kann.

In der Diskussion wurde klar: Der Kampf gegen Prekarisierung ist ein feministischer Kampf, denn es ist kein Zufall, dass gerade migrantische Frauen besonders betroffen sind. Als Studierende und Hochschulmitarbeiter*innen wollen wir diese Kämpfe in die Frauenbewegung und an die Unis bringen.

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