Wilder Streik nun auch bei der Deutschen Post?
Eine*r von zehn Briefträger*innen in Berlin ist aktuell krankgemeldet. Grund ist der hohe Leistungsdruck. Durch Einsparungen ist die Personaldecke immer dünner geworden und der Druck auf die einzelnen Beschäftigten immer weiter gestiegen.
Manche Haushalte in Berlin warten seit mehreren Wochen vergeblich auf Post. Solche Meldungen kennen wir vom letzten großen Streik bei der Deutschen Post, nur hat diesmal gar keine Gewerkschaft zum Streik aufgerufen. Ganze zwölf Prozent der etwa 3.000 Briefzusteller*innen in Berlin sind derzeit krankgeschrieben. In manchen Bezirken fallen gar 20 Prozent der Briefzusteller*innen mit Attest aus. Normal seien fünf Prozent.
Während der Krankenstand seit Februar kontinuierlich zunimmt, wurde jetzt offenbar ein Hoch erreicht. Das Problem ist, dass bei Krankheitsausfällen andere Kolleg*innen oft die Gebiete der ausgefallenen Kolleg*innen übernehmen. Dadurch steigen die Belastungen bei den verbliebenen Beschäftigten, was wiederum zu weiteren Ausfällen führt.
Eine ähnlich stressige Belastung erlebten die Beschäftigten bei Air Berlin. Das insolvente Unternehmen hatte kurzfristig geleaste Langstreckenflugzeuge an ihre Leasingpartner zurückgegeben. Die Langstreckenpilot*innen fürchteten um ihre Anstellungen. Auch ein Sozialplan fehlte vollständig. Angesichts ihrer unsicheren Zukunft sahen sich viele Pilot*innen nicht in der Lage, ein Flugzeug zu steuern. Zwischen 100 und 200 Pilot*innen meldet sich spontan krank. Mehr als 100 Flüge mussten daraufhin abgesagt werden.
Wie auch bei den Krankheitsausfällen bei der Post war der Gewerkschaft der Druck bekannt, unter dem die Beschäftigten stehen. Dennoch riefen sie nicht zu Streiks auf. Doch das wäre der einzige Weg, um dem Stress einen organisierten Ausdruck zu geben und Druck auf die Bosse auszuüben. Nur leider setzen die hauptamtlichen Führungen der Gewerkschaften lieber auf Verhandlungen und das Aussitzen von Konflikten, als auf die Kampfkraft der Beschäftigten.
Auch dürften die Illusionen bei den Beschäftigten der Post in den bürokratischen Apparat von Ver.di nicht all zu groß sein. Die Vergangenheit lehrte die Briefzusteller*innen, wie weit die Bürokratie bereits ist zu gehen, um ihren sozialpartnerschaftlichen Kurs beizubehalten.
Im Sommer 2015 nahmen rund 30.000 Beschäftigte an der Auseinandersetzung teil. Sie kämpften gegen die Zersplitterung der Belegschaft in viele Einzelunternehmen. Nachdem die hauptamtliche Führung von Ver.di den Kampf und seine Ziele anfänglich unterstützten verrieten sie bald den Streik, um mit den Bossen der Post einen schlechten Kompromiss auszuhandeln.
Statt eine kämpferischen anti-bürokratische Strömung in den Gewerkschaften aufzubauen, die sich für eine Demokratisierung in den Gewerkschaften einsetzt, wie wir es bevorzugen würden, setzen die Beschäftigten nun auf die Kampfform des wilden Streiks, um sich gegen schlechte Arbeitsbedingungen zu wehren.
Auch wenn wir als Marxist*innen diese Kampfform als legitimen und notwendigen Widerstand der Kolleg*innen ausnahmslos verteidigen, sehen wir umso dringlicher die Notwendigkeit, die Gewerkschaftsführung aufzufordern, öffentlich zum Streik aufzurufen. Wir müssen für eine bessere Bezahlung, für Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich, gegen Abschiebungen und ein Aufenthalts- und Arbeitsrecht für alle kämpfen!
Die Post beklagt oft, dass sie keine neuen Briefzusteller*innen mehr findet. Dabei gibt es genug Menschen, die gerne einer regulären Arbeit nachgehen würden, aber aufgrund der rassistischen Politik der BRD daran gehindert werden. Wir denken, dass Ver.di sich für die Rechte von allen geflüchteten Menschen einsetzen muss – und zwar mit den Kampfmitteln der Arbeiter*innenbewegung, wie es kürzlich die Beschäftigten einer Klinik in Augsburg taten, deren Kollege Anwar die Abschiebung droht.