Wiesn-Bosse jammern auf höchstem Niveau
Das Münchner Oktoberfest ist Münchens großer Stolz und dabei ein lukratives Geschäft. Und trotzdem beklagen sich die Wiesn-Bosse. Wegen der niedrigen Löhne finden sie nur schwer Arbeiter*innen.
Über die Hälfte des 184. Oktoberfests ist bereits vorüber und es ist eigentlich alles wie jedes Jahr. Die öffentlichen Verkehrsmittel zur Theresienwiese sind voller Betrunkener in Tracht oder Trachtenkostüm, die lokalen Zeitungen berichten über Polizeieinsätze und Besucher*innenzahlen und auch die Diskussion über die horrenden Bierpreise – bis zu 10,95 Euro kostet die Maß heuer! – sind inzwischen abgeebbt. Zur Wiesn-Halbzeit waltete Zweiter Bürgermeister, Josef Schmid von der CSU, seines Amtes als Chef der Wiesn (viel mehr hat er in der Stadt nicht zu sagen), und ließ verlauten: „Einfach a scheene Wiesn!“ Doch gerade diejenigen, die sich mit dem riesigen Volksfest die Taschen vollmachen, finden Grund zum Jammern.
Edmund Radlinger ist Vorstand des Münchner Schaustellervereins und er hat ein Problem: Er und seine Vereinsmitglieder finden nicht genug Arbeiter*innen. Oder wie er es gegenüber dem BR-Magazin Quer formuliert: „Die Personalstruktur fehlt.“ Selbst den Rumän*innen, die bisher vor allem die vielen Buden und Fahrgeschäfte aufgebaut haben, sind die Löhne inzwischen zu niedrig. Ein Grund, die Löhne zu erhöhen? Nicht für Radlinger. Lieber will er sich in noch ärmeren Ländern umsehen. Schließlich würde ansonsten alles teurer. Klar.
Schon vor zwei Jahren, als die Einführung des Mindestlohns zum Tragen kam, jammerten die Wirte. Der Verwaltungsaufwand, der nötig sei, um die Einhaltung der Pausenzeiten der Arbeiter*innen zu überprüfen, bezeichnete manch einer als „mehr als dramatisch“, die Kosten müssten auf die Preise umgelegt werden. Und schon war ein Grund gefunden für den nächsten Preissprung.
Radlingers Titel „Vereinsvorstand“ klingt wohl nach bewundernswertem Ehrenamt. Die Wiesn und ihre Profiteur*innen sind in Bayern und in München sowieso Objekt nostalgischer Verklärung. Tatsächlich ist Radlinger aber auch Geschäftsführer mehrerer Gastronomie- und Veranstaltungsunternehmen. Von Quer auf den Gewinn angesprochen, den man in 16 Tagen Wiesn erwirtschaften kann, reagiert er säuerlich: Eine „Kasperltheaterfrage“ sei das.
Ähnlich geht es den Bossen der großen Festzelte, die aus ebenjener Verklärung noch immer Wirte heißen, als stünden sie hinter der Theke einer Boazn. Anton Roiderer, von der Lokalpresse liebevoll Toni genannt, ist nicht nur seit 1989 Chef des Hacker-Zelts und dank Horst Seehofer Träger des Bundesverdienstkreuzes, sondern auch der Sprecher dieser Wiesn-Bosse. Und auch er ist wenig begeistert auf die miesen Löhne angesprochen zu werden:
Wir haben das bedeutendste Volksfest der Welt. Die ganze Welt neidet uns das. Und ihr macht das nur madig.
Als Erklärung für die Einkommensgefälle auf der Wiesn hat er derweil einen simplen Vergleich parat. Er spiele halt in der Bundesliga und wer das Geschick und das Talent nicht habe, spiele halt in der C-Klasse, verdiene auch so und das sei ja auch richtig. Die Frage nach seinem Wiesn-Gewinn versucht Roiderer mit Humor zu nehmen: „Es ist nicht viel, sonst könnt ich’s mir merken“, sagt er im Dialekt, der wohl bodenständig wirken soll, und setzt ein schmieriges Lächeln auf. Er scheint es für verschmitzt zu halten.
Hätten sie nicht so klangvolle Namen wie Sepp, Wiggerl oder Christl, man könnte fast den Eindruck bekommen, die Wiesn-Wirte seien auch nur gewöhnliche Bosse.