Wiederholungswahl Berlin: Klatsche für die Ampel, Reichsbürgerin gewinnt Stimmen
Aufgrund von schweren Fehlern musste die Bundestagswahl 2021 in Berlin teilweise wiederholt werden. Die Ergebnisse zeigen, dass der Rechtsruck nicht an der Wahlurne bekämpft werden kann.
Lange Schlangen vor Wahllokalen, Unterbrechungen von über 100 Minuten, verlorene und falsche Stimmzettel – die Wahlen für den Bundestag und das Abgeordnetenhaus in Berlin 2021 verliefen alles andere als reibungslos. Nachdem das Abgeordnetenhaus bereits im Februar 2023 erneut gewählt werden musste, beschloss das Bundesverfassungsgericht, dass auch die Bundestagswahl teilweise wiederholt werden müsse. Am 11. Februar waren Berliner:innen in etwa einem Fünftel der Stimmbezirke des Bundeslandes zur Wiederholungswahl aufgerufen.
Im Bundestag werden künftig vier Abgeordnete weniger für Berlin sitzen, abgesehen davon sind die direkten Auswirkungen der Wahl minimal. Aus den Ergebnissen lassen sich jedoch einige Schlüsse über die aktuelle politische Lage ziehen. Vor allem sind sie ein bitteres Zeugnis für die Politik der Ampelparteien. Die SPD verlor knapp 8 Prozent und die FDP erhielt mit 3,3 Prozent weniger als die Hälfte der Stimmen, die sie noch 2021 bekommen hatte. Lediglich die Bündnis 90/Grünen konnten ihr Ergebnis in etwa halten. Mit ihrer arbeiter:innenfeindlichen, miltaristischen und rassistischen Kürzungs-, Migrations- und Aufrüstungspolitik hat die Ampelregierung jeglichen Glauben an das Versprechen einer „Fortschrittskoalition” verpuffen lassen. Sie befeuert den Rechtsruck, indem sie die soziale Krise verschärft und immer weiter auf die Forderungen der Rechten eingeht.
Reichsbürgerin in U-Haft gewinnt Stimmen
Dementsprechend waren die CDU und AfD die großen Gewinner der Wahl und konnten ihre Stimmanteile um 6,9 (CDU) und 5,6 (AfD) Prozent steigern. Im Wahlkampf setzte die CDU in erster Linie auf rassistische Hetze und forderte eine noch restriktivere Migrationspolitik und einen Ausbau des staatlichen Repressionsapparates. Der durch die Correctiv-Recherche ausgelöste Skandal über die Deportationspläne der AfD und ihre Verbindungen mit Neonazis, haben ihren elektoralen Aufstieg anscheinend kaum gebremst. Selbst die extrem rechte AfD-Politikerin Birgit Malsack-Winkemann, die sich als Teil einer militanten Reichsbürger:innengruppierung einen Namen machte und sich in U-Haft befindet, konnte Stimmen dazu gewinnen.
Eine kleine Überraschung bereitete die Partei DIE LINKE. Auch wenn der Berliner LINKEN-Politiker Pascal Meiser aus dem Bundestag flog, konnte sie ihr Ergebnis, entgegen des allgemeinen Trends, um 0,7 Prozent verbessern. Von einer Veränderung ihrer verräterischen Politik ist bei der LINKEN Berlin jedoch nichts zu spüren. Vielmehr trat sie im Wahlkampf zahmer auf denn je zuvor und druckte auf Plakaten inhaltslose Gemeinplätze wie „Bezahlbare Mieten sind genau dein Ding?„. Über die Enteignung großer Wohnungskonzerne, für die sich Partei angeblich einsetzt, verlor sie kein Wort. Außerdem signalisierte sie mit ihrer Teilnahme an pro-israelischen Demonstrationen ihre Billigung des Genozids in Gaza.
Für den Aufbau einer unabhängigen revolutionären Alternative wie in Argentinien
Die Wahlbeteiligung fiel mit etwa 40 Prozent sehr gering aus. Ein Zeichen dafür, dass immer mehr Menschen sich richtigerweise von keiner der Parteien im Bundestag und Abgeordnetenhaus vertreten fühlen, aber auch für die Ernüchterung und das Desinteresse an einer Wiederholungswahl. Die Wahl hat auch das Versagen des Ansatzes „Wählen Gegen Rechts” demonstriert. Um den Aufstieg der Rechten zu bekämpfen, können wir uns nicht auf die Kräfte verlassen, die der AfD den Nährboden bereiten und selbst AfD-Forderungen umsetzen. Eine Politik im Sinne der Arbeiter:innen und Unterdrückten, gegen rassistische Spaltung, die nötig ist, um die Rechten zu besiegen, kann nicht einfach herbeigewählt werden. Dafür braucht es Organisierung und eine politische Kraft, die nicht in erster Linie in den Parlamenten, sondern im Klassenkampf verankert ist. In diesem Sinn schlagen wir den Aufbau einer unabhängigen revolutionären Alternative vor, die die Parlamente als Bühne des Klassenkampfes nutzt.
Ein Beispiel für revolutionären Parlamentarismus liefern aktuell unsere Genos:innen in Argentinien, die im Kongress am entschiedensten gegen die Pläne des ultrachten Präsidenten Milei sprechen und gleichzeitig an vorderster Front der Bewegung auf der Straße, in den Betrieben und Nachbarschaften stehen, die Mileis Gesetzesvorhaben zum Erliegen brachten.