Wie wir Bolsonaro und die extreme Rechte besiegen können
Die sozialistischen Kandidat:innen Marcello Pablito und Maíra Machado diskutieren in diesem Interview welches auf unserer US-amerikanische Schwesterseite Left Voice erschien im Vorfeld über die Wahl und die Herausforderungen für die Arbeiter:innenklasse und die Unterdrückten.
Am Sonntag gehen die Brasilianer:innen in der ersten Runde der weltweit mit Spannung verfolgten Wahlen an die Urnen. Der amtierende Präsident Jair Bolsonaro musste angesichts der verheerenden Auswirkungen der Corona-Pandemie, der steigenden Inflation und hohen Lebensmittelkosten, zunehmender Armut und starker Abholzung im Amazonasgebiet einen Rückgang seiner Unterstützung hinnehmen. Sein bekanntester Herausforderer ist der ehemalige Präsident und Führer der Arbeiter:innenpartei, Luis Ignacio „Lula“ da Silva. Inmitten der vielen Krisen, mit denen die Regierung Bolsonaro konfrontiert ist, sind verschiedene Vertreter:innen der brasilianischen Bourgeoisie zur Lula-Kampagne übergelaufen. Unter ihnen sind viele Beteiligte des Amtsenthebungsverfahrens (in Wirklichkeit ein institutioneller Putsch) gegen Dilma Rouseff, Lulas Nachfolgerin. Die größte Partei links von der Arbeiter:innenpartei, die Partei des Sozialismus und der Freiheit (PSOL), hat ebenfalls beschlossen, keinen eigenen Präsidentschaftskandidaten aufzustellen und wird stattdessen Lula in der ersten Runde unterstützen, obwohl Lula versprochen hat, alle Privatisierungen und Arbeitsreformen, die unter Bolsonaro durchgeführt wurden, beizubehalten. Es gibt jedoch eine Wahlfront, die die Unabhängigkeit der Arbeiter:innenklasse aufrechterhält und die Rücknahme aller Maßnahmen Bolsonaros fordert: der Sozialistische Revolutionäre Pol (PSR). Left Voice sprach mit Marcello Pablito und Maíra Machado, zwei Mitgliedern der Partei Revolutionäre Arbeiterbewegung (MRT), die auf dem Wahlzettel der PSR für die nationale Legislative kandidieren.
Left Voice: Wie beschreibt ihr die nationale Situation inmitten der diesjährigen Wahlen?
Marcello Pablito: Die diesjährigen Wahlen in Brasilien finden in einem stark polarisierten politischen Szenario statt. Auf der einen Seite steht der derzeitige Präsident Jair Bolsonaro, ein Vertreter der brasilianischen extremen Rechten, der Frauen, Schwarze und die LGBTQ-Gemeinschaft verabscheut. Auf der anderen Seite steht Luiz Inacio „Lula“ da Silva, der ehemalige Präsident und Anführer der Arbeiterpartei (PT). Lula konnte bei den letzten Wahlen aufgrund eines äußerst antidemokratischen Urteils des Obersten Gerichtshofs nicht antreten. Bei diesen Wahlen kandidiert Lula, der in den Umfragen derzeit vorne liegt, zusammen mit Geraldo Alckmin, einem Vertreter des brasilianischen Neoliberalismus. Es ist wichtig zu wissen, dass Bolsonaro nach dem institutionellen Putsch von 2016 an die Macht kam, der vom Kongress und der Justiz angeführt wurde. Nach der Verabschiedung von Maßnahmen wie einer Arbeitsreform, einer Sozialreform und dem Gesetz zur uneingeschränkten Auslagerung von Arbeitsplätzen stellen sich dieselben Sektoren, die die völlig autoritären Maßnahmen, die Bolsonaro an die Macht gebracht haben, befürwortet haben, nun gegen ihn und rufen demogmatisch zur „Verteidigung der Demokratie“ auf. Sie sind jedoch mit Bolsonaro in ihrer Verteidigung aller ultraliberalen und Arbeitnehmer:innen feindlichen Wirtschaftsmaßnahmen der letzten Jahre vereint.
Maíra Machado: Bolsonaros Regierung war nicht nur für mehr als 700.000 Tote in Brasilien während der Pandemie verantwortlich, sondern brachte auch mehr Hunger, Arbeitslosigkeit und Elend in ein Land, das seit 2013 von der Wirtschaftskrise gebeutelt wird. Die Pandemie verschlechterte in allen Hinsichten die soziale Lage für die Armen, die zudem mit unzähligen wirtschaftlichen Sparmaßnahmen der Putschregierung von Michel Temer ab 2016 und später der Regierung Bolsonaro konfrontiert sind. Die weltweite Inflationskrise und der Anstieg der Lebensmittelpreise im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine haben schwerwiegende Auswirkungen auf Brasilien und schaffen eine wirtschaftliche Instabilität. Dies hat direkte Auswirkungen auf die Wahlen. Trotz einer teilweisen Erholung des BIP bleibt die strukturelle Krise bestehen und wird von Millionen von Menschen gespürt, die in prekären Arbeitsverhältnissen arbeiten und von den steigenden Lebensmittelpreisen betroffen sind. Es ist bezeichnend, dass der Fleischkonsum in Brasilien auf den niedrigsten Stand seit 1994 gesunken ist, dass 33 Millionen Menschen an Hunger leiden und 120 Millionen Menschen von Ernährungsunsicherheit betroffen sind und das in dem Land, welches die meisten Nahrungsmittel der Welt erzeugt.
Lula verspricht unterdessen, das Land wieder in die wirtschaftliche Blütezeit der 2000er Jahre zu führen. Angesichts der aktuellen Wirtschaftsprognosen ist das eine totale Illusion. Das Szenario unterscheidet sich grundlegend von der Zeit, in der Lula sein Amt antrat. Vor zwei Jahrzehnten waren die Rohstoffpreise hoch und es gab einen Zustrom von Dollars ins Land, der sowohl auf das Wachstum der chinesischen Wirtschaft, das sich seither erheblich verlangsamt hat und jetzt auf dem niedrigsten Stand seit 30 Jahren liegt, als auch auf Investitionen westlichen Kapitals zurückzuführen war. Lula warnt bereits, dass er im Falle eines Wahlsiegs „keine Wunder vollbringen kann“. Dies ist ein Euphemismus für die Fortsetzung vieler der seit dem Putsch von 2016 eingeführten wirtschaftspolitischen Maßnahmen, wie die Arbeits- und Sozialversicherungsreform, einer Agenda, die er mit der liberalen Rechten teilt.
Left Voice: Warum hat der MRT beschlossen, dieses Jahr zu kandidieren? Wie würdet ihr die wichtigsten Ideen und Vorschläge der MRT zusammenfassen?
Maíra Machado: Wir haben beschlossen, zu kandidieren, um landesweit eine linke Perspektive zu vertreten. Wir haben an vorderster Front gegen den institutionellen Putsch gekämpft und uns dabei immer unabhängig von der Arbeiter:innenpartei (PT) organisiert. Unsere Kandidat:innen kandidieren auf der Liste des Sozialistischen Revolutionären Pols, der sich aus mehreren Organisationen der brasilianischen Linken wie der PSTU, dem CST und anderen linken Aktivist:innen zusammensetzt. Wir haben uns bei diesen Wahlen mit anderen linken Verbündeten und Intellektuellen zusammengetan, um unsere revolutionären Positionen und die derUnabhängigkeit der Arbeiter:innenklasse zu vertreten.
Marcello Pablito: Sowohl Maíra als auch ich kandidieren im Bundesstaat São Paulo, aber auch in anderen Bundesstaaten bringen wir die gleichen Vorschläge ein. Unsere Genossinnen Flávia Valle in Minas Gerais, Carolina Cacau in Rio de Janeiro und Valéria Muller in Rio Grande do Sul kandidieren zusammen mit anderen, um den Kampf gegen Bolsonaro und die Rechten zu verstärken und gegen die Arbeitsreformen, Privatisierungen und andere Angriffe auf die Arbeiter:innen zu kämpfen. Als Teil des Sozialistischen Revolutionären Pols, der verschiedene sozialistische Organisationen zusammenbringt, die die Unabhängigkeit der Arbeiter:innenklasse verteidigen, rufen wir dazu auf, Vera Lucia von der PSTU als Präsidentin und die indigene Aktivistin Raquel Tremembé als Vizepräsidentin zu wählen. Wir lassen uns von der Einheitsfront der Arbeiter:innen und Linken (bekannt als FIT-U) in Argentinien inspirieren, die für unsere Genossen Nicolas Del Caño, Myriam Bregman und Alejandro Vilca von unserer Schwesterorganisation, der Sozialistischen Arbeiter:innenpartei (PTS), Sitze im Kongress errungen hat. Wie die FIT-U sind wir der Meinung, dass die Kapitalist:innen für diese Krise bezahlen müssen, und wir werden unsere Kandidaturen nutzen, um die Stärke der Arbeiter:innenbewegung und der Jugend zu stärken. In diesem Sinne ist unsere Teilnahme an diesen Wahlen eine Vorbereitung auf die Auseinandersetzungen, die in der nächsten Periode unvermeidlich sind, in der Lula und Alckmin wahrscheinlich regieren werden, aber die extreme Rechte trotz der Wahlergebnisse weiter bestehen wird.
Maíra Machado: Wir haben einige Aspekte eines Programms definiert, welches wir für notwendig halten, um der aktuellen Situation zu begegnen, in der die brasilianische Arbeiter:innenklasse (insbesondere Schwarze, Frauen, LGBTQ-Personen und Immigrant:innen) enorm leidet. Mehr als 33 Millionen Menschen hungern, Millionen sind arbeitslos oder haben unsichere Arbeitsplätze, und junge Menschen sehen immer weniger Zukunft für sich. Unser Programm fordert die Rücknahme aller Gegenreformen, die seit dem institutionellen Putsch stattgefunden haben, einschließlich der Arbeitsreform, der Reform der sozialen Sicherheit und der Deckelung der Ausgaben für Gesundheit und Bildung. Wir sagen, dass Konzerne und Banken nicht weiter profitieren sollen, während die arbeitenden Menschen leiden. Unser Programm fordert die Nichtbezahlung der betrügerischen internationalen Schulden, die unsere Gesundheits- und Bildungshaushalte ausbluten lassen, um die Profite ausländischer Kapitalisten zu steigern. Wir fordern eine radikale Agrarreform, die die Macht der Agrarindustrie in Frage stellt und das Problem des Hungers an der Wurzel packt. Wir kämpfen für eine drastische Städtereform, die das Problem der Wohnungskosten und der Immobilienspekulation angeht. Wir fordern ein Ende der prekären Arbeitsverhältnisse, der Uberisierung und des Outsourcings und wir fordern die Legalisierung aller Arbeitnehmer:innen, einschließlich der Gigworker, mit vollen Rechten und Leistungen. Dieses Programm kann nur durch eine unabhängige politische Organisation der Arbeiter:innenklasse umgesetzt werden, die in den Betrieben, Schulen und Universitäten verankert ist. Deshalb fordern wir die Gewerkschaftsverbände, die Nationale Studenten:innengewerkschaft und die Jugendorganisationen weiterhin auf, ihre Passivität zu durchbrechen und sich Bolsonaro und der Rechten entgegenzustellen. Die Strategie des Abwartens und der Konzentration auf die Wahlen allein wird die extreme Rechte im Land weiter stärken. Die Rechten werden auf der Straße gewinnen, wenn wir sie nicht herausfordern.
Left Voice: Warum ist es wichtig, von der PT und ihren Koalitionen unabhängige Kandidaten aufzustellen?
Maíra Machado: Viele Arbeiter:innen und junge Menschen haben einen völlig berechtigten Hass auf Bolsonaro und die extreme Rechte und wollen diese Regierung und ihre Angriffe besiegen. Es ist jedoch unmöglich, Bolsonaro ernsthaft entgegenzutreten, indem man Bündnisse mit Sektoren des rechten Flügels wie dem ehemaligen Gouverneur von São Paulo, Geraldo Alckmin (der jetzt auf einer Liste mit Lula kandidiert) oder dem ehemaligen Präsidenten Fernando Henrique Cardoso oder Institutionen wie dem Obersten Gerichtshof eingeht. Das sind genau die Persönlichkeiten und Institutionen, die Bolsonaro den Weg an die Macht geebnet haben und die seine neoliberalen Angriffe unterstützen. Um der extremen Rechten ernsthaft entgegenzutreten, brauchen wir ein unabhängiges Programm, was die Arbeiter:innen gegen das Großkapital und die Banken vereint.
Man braucht nur ansehen, wer Lulas Unterstützer:innen sind. Abgesehen davon, dass er mit Alckmin einen Vizepräsidenten hat, der ein Symbol der neoliberalen Rechten ist, die die Lehrer:innen, U-Bahn-Beschäftigten und Universitätsmitarbeiter unterdrückte, als er Gouverneur war, hat Lula Unterstützer wie Fernando Henrique Cardoso, der in den 90er Jahren die von Washington diktierten Sparmaßnahmen durchsetzte und den historischen Streik der Ölarbeiter:innen von 1995 unterdrückte. Lula wird auch von Henrique Meirelles unterstützt, einem ehemaligen Vertreter des internationalen Finanzkapitals. Meirelles war Finanzminister unter dem Putschisten Michel Temer und sagte kürzlich, dass seine Unterstützung für die Lula-Alckmin-Liste an die Bedingung geknüpft ist, dass die Regierung die Arbeitsreformen beibehält. Lula hat auch öffentliche Unterstützung von verschiedenen Anführer:innen der Operation Carwash und des institutionellen Putsches gegen die ehemalige Präsidentin Dilma Rousseff erhalten.
Der Sieg der Lula-Alckmin-Liste bei diesen Wahlen wird nicht das Ende von Bolsonaros Erbe oder des autoritären politischen Regimes bedeuten. Im Gegenteil, die reaktionäre Opposition wird landesweit weiterhin mindestens 30-35 Prozent Unterstützung erhalten, und das Militär und die Justiz werden weiterhin eine Schlüsselrolle in der brasilianischen Politik spielen. Es genügt zu erwähnen, dass den Streitkräften vor kurzem das Recht eingeräumt wurde, die Wahlergebnisse zu bewerten, was eine äußerst antidemokratische Einmischung in den politischen Prozess darstellt. Die extreme Rechte kann nur durch Streiks und Massenmobilisierungen besiegt werden, wie unsere historische Tradition beweist. Die Bewegung des Integralismo in Brasilien zum Beispiel wurde nur durch eine starke Einheitsfront der Arbeiter:innen besiegt, indem die Trotzkist:innen auch andere Kräfte der Linken in der Schlacht von Praça da Sé 1934 organisierten und vereinten.
Left Voice : Welche Rolle spielen soziale Bewegungen wie die schwarze, indigene, studentische und LGBTQ-Bewegung, um nicht nur Bolsonaro, sondern die extreme Rechte im Allgemeinen zu besiegen?
Marcello Pablito: Die frauenfeindliche und homophobe Rhetorik von Bolsonaro und der extremen Rechten dient dazu, die Unterdrückung von Menschen weiterhin aufrecht zu halten und die Angriffe gegen die gesamte Arbeiter:innenklasse, die Frauenbewegung, die Schwarze Befreiungsbewegung, die LGBTQ-Befreiungsbewegung und die Jugend zu vertiefen. Diese Rhetorik spricht auch seine soziale Basis an, zu der die meisten reaktionären Sektoren der Gesellschaft gehören: das Agribusiness, das Militär und die Evangelikalen. Es war kein Zufall, dass das Symbol für Bolsonaros Aufstieg die Ermordung des schwarzen Capoeira-Meisters Moa do Katendê war. Vor kurzem ist eine schwarze die als Hausangestellte arbeitet, beim Kochen mit Alkohol verbrannt, weil sie kein Geld hatte, um Gas für ihr Haus zu kaufen.
Es ist eine Regierung, die Hass gegen Einwander:innen schürt und Venezoelaner:innen diskriminiert, die ihr Land verlassen und versuchen, in Brasilien zu überleben. Ein Symbol für den Hass dieser extremen Rechten war der Mord an Moise Kabagambe, einem kongolesischen Einwanderer, der von seinem Chef verprügelt wurde, als er seinen unbezahlten Lohn abholen wollte. Die extreme Rechte richtet ihre Angriffe auch gegen Frauen, die sich für das Recht auf Abtreibung eingesetzt haben. Hinzu kommen die barbarischen Morde an Indigenen, Bewohner:innen der Quilombos [Gemeinschaften von Nachkommen entkommener Sklav:innen – Anm. d. Red.] und Aktivist:innen für die Rechte der Indigenen wie Bruno Araújo Pereira und Don Phillips, die getötet wurden, nachdem sie die brutale Gewalt der Kapitalist:innen des Bergbausektors gegen die Indigenen angeprangert hatten.
Left Voice: Was sind die nächsten Schritte nach dem Oktober? Was ist notwendig, um die Jugend und die Arbeiter:innenklasse in der kommenden Periode zu organisieren?
Maíra Machado: Die Wahlen sind ein wichtiger Moment in unserem Kampf. Sie sind ein Moment, in dem es möglich ist, mit viel mehr Menschen zu debattieren und politische Vorschläge zu machen, als wir es im Alltag können. Deshalb verstehen wir die Wahlen als einen Raum, in dem wir sein müssen, um die Kämpfe der Arbeiterklasse, der Armen, der Jugend und all derer zu stärken, die die extreme Rechte bekämpfen und besiegen wollen. Aber wir müssen uns auch auf die wahrscheinlichen Sparmaßnahmen einer Regierung Lula und Alckmin vorbereiten. Kürzlich haben wir in Chile einen weiteren Beweis dafür gesehen, wie die Versöhnung der Klassen die Rechten nur stärkt. Eine Strategie der Versöhnung, wie sie von Lula und Alckmin vertreten wird, ist keine Alternative und wird die strukturellen Probleme des Landes nicht angehen. In der Tat hat Lula bereits gesagt, dass er die Reformen, die während der Regierungen Temer und Bolsonaro durchgeführt wurden, nicht rückgängig machen wird, und die Möglichkeit, Privatisierungen rückgängig zu machen ablehnt. Nur durch Kampf und Organisierung werden wir in der Lage sein, unsere demokratischen Rechte zu sichern und die strukturellen Probleme des brasilianischen Kapitalismus in Angriff zu nehmen.
Left Voice: Hier in den Vereinigten Staaten haben die DSA, Jacobin und andere Teile der Linken die Kandidatur Lulas gegen Bolsonaro als einen wichtigen Schritt zum Sieg über die extreme Rechte verteidigt. Was ist eure Meinung dazu?
Maíra Machado: Wie wir schon sagten, versuchen derzeit verschiedene Sektoren des brasilianischen politischen Regimes, die ganze Unzufriedenheit mit Bolsonaro auf einen Weg der Klassenversöhnung zu lenken und jede Kraft links von der PT zu neutralisieren. Es ist bedauerlich, dass ein wichtiger Teil der brasilianischen Linken sich vollständig in Koalitionen aufgelöst hat, die auf der Klassenversöhnung basieren. In Brasilien hat sich ein großer Teil der PSOL, die sich seit ihrer Gründung an breite Parteien wie Syriza in Griechenland oder Podemos in Spanien angelehnt hat, programmatisch und politisch in der Koalition von Lula und Geraldo Alckmin aufgelöst. Als wäre das nicht genug, hat die Mehrheit der PSOL-Führung die Partei in eine Sackgasse geführt, indem sie eine Föderation mit der Partei des Nachhaltigkeitsnetzwerks einging, der bürgerlichen Partei von Marina Silva, welche von Banken gefördert wird und gegen das Recht auf Abtreibung ist. Dieser Rechtsruck der PSOL-Führung führte dazu, dass wichtige parlamentarische Persönlichkeiten aus der Partei zur PT oder zur PSB gingen (wie der ehemalige PSOL-Vorsitzende Marcelo Freixo, der jetzt in derselben Partei wie Alckmin ist), aber auch zu Abspaltungen nach links, durch eine relevante Gruppe von AktivistInnen und Intellektuellen. Die PSOL war schon immer eine Partei, die sich vom Klassenkampf entfernt hat, ohne eine Vision von der Arbeiter:innenklasse als revolutionärem Subjekt und mit einem breiten Parteikonzept, das die Grenzen zwischen Reform und Revolution verwischt. Die Krise der Neuen Antikapitalistischen Partei in Frankreich wirft trotz ihrer Unterschiede zur PSOL ein Licht auf das Scheitern des Konzeptes von linken Sammelparteien. Die Krise der PSOL ist ein wichtiger Aspekt des Wahlszenarios und eine Gelegenheit für die revolutionäre Linke, strategische Schlussfolgerungen zu ziehen, die die brasilianische Linke umgestalten können.