Wie weiter mit der Palästina-Solidarität an den Münchner Universitäten?

30.01.2024, Lesezeit 10 Min.
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Bild: Ricarda Julia / Klasse Gegen Klasse

Seit Monaten macht Waffen der Kritik gemeinsam mit dem Unikomitee für Palästina in München die Solidarität mit Palästina stark – doch die universitären Gremien ignorieren alle Forderungen, während die extreme Rechte stärker wird. Wie kann der Kampf erfolgreich sein?

Es war ein seltsames Schauspiel, das ein paar Studierende Ende Januar vor dem Hauptgebäude der Ludwig-Maximilians-Universität aufführten. Mit ernster Miene und einem Plakat mit der Aufschrift „Kein Platz für Antisemtismus an der LMU“ standen sie da und stellten ihr „Statement“ vor. Der Stein des Anstoßes: Die Kundgebung des Unikomitees für Palästina München (UKP) am selben Ort am 6. Dezember vergangenen Jahres. Damals demonstrierten Studierende verschiedener Münchner Hochschulen gegen den anhaltenden Genozid der israelischen Streitkräfte im palästinensischen Gaza. Seitdem sind weitere tausende Menschen in Gaza getötet worden, Hunderttausende leiden dramatischen Hunger und Seuchen breiten sich aus.

Wollten die Studierendenvertreter:innen mit ihrem Statement also ihre Solidarität mit den Betroffenen des Massakers ausdrücken? Schließlich sind auch die Universitäten in Gaza systematisch zerstört worden. Nein, ganz im Gegenteil: Auf der Kundgebung sei es zu einem antisemitischen Vorfall gekommen, erklärte Stefan Reifberger von der Fachschaft Philosophie.

Ihm folgte ein Vertreter der sogenannten Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (RIAS). Die Institution RIAS verwendet, wie ihr Redner erklärte, die Antisemitismusdefinition der International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA) – einer erwiesenermaßen unwissenschaftlichen Definition, deren Hauptzweck darin besteht, Antizionismus und die Kritik am Staat Israel mit einer Feindschaft gegen Jüd:innen in eins zu setzen. Dies betrifft auch den Protest vor der LMU: RIAS habe die gesamte Kundgebung als antisemitischen Vorfall registriert.

Als marxistische Hochschulgruppe Waffen der Kritik stellen wir uns ebenso wie das gesamte Unikomitee für Palästina entschieden gegen Antisemitismus wie gegen jede andere Form von Rassismus und Unterdrückung. Auch deshalb haben wir kürzlich an der Massendemonstration gegen Rechts in München teilgenommen – ohne aber zu verschweigen, dass die Repression gegen die Palästina-Solidarität in Deutschland und international Teil des Rechtsrucks ist.

Wie ernst es den angeblichen Vertreter:innen mit ihrem Einsatz für die Interessen der Studierendenschaft der LMU hingegen ist, lässt sich auch daran ablesen, dass sie bis zu dem hetzerischen Statement gegen die Palästina-Solidarität seit 2021 nicht ein einziges öffentliches Statement herausgegeben haben.

Die Palästina-Solidarität an den Münchner Universitäten bis heute

Die Aktivitäten des Unikomitees für Palästina München, an dem wir uns als marxistische Hochschulgruppe Waffen der Kritik von Beginn an beteiligen, zeigen Wirkung. Die pro-zionistischen Kräfte an der LMU sind unter Druck und müssen sich positionieren.

Gegründet wurde das Komitee Mitte November vergangenen Jahres, als die Massaker der israelischen Armee in Gaza bereits in vollem Gang waren. Über Wochen hinweg wurden Versammlungen in Solidarität mit den Betroffenen in Gaza in München und vielen weiteren deutschen Städten erst verboten und später mit drakonischen Auflagen überzogen, die eine offene Meinungsäußerung nahezu unmöglich machten.

Gut 50 Studierende waren bei dem ersten Treffen des Komitees in München zusammengekommen. Wir folgten damit dem Beispiel von Studierenden in Ländern wie Frankreich, Spanien, Chile, Argentinien und Italien. Gemeinsam wollten wir mit dem Mythos der Universitäten als Elfenbeintürme, die außerhalb der gesellschaftlichen Auseinandersetzungen stehen, brechen, uns an unseren Orten selbst organisieren und so von der Uni aus den Kampf für ein freies Palästina unterstützen.

Als demokratische Versammlung stellte das erste Treffen des Komitees Forderungen auf. Als Komitee fordern wir das Ende des Genozids in Gaza und das Ende der Besatzung und der Siedlungen in Palästina sowie die Verurteilung aller Kriegsverbrechen. Wir setzen uns für den Stopp der militärischen Forschung in Zusammenarbeit mit israelischen Unis und für den Stopp des Bruchs demokratischer Rechte und der Repression pro-palästinensischer Stimmen. Wir sagen ganz klar: Keine Abschiebungen wegen politischem Aktivismus!

Seitdem hat das Komitee zahlreiche Aktionen veranstaltet. Wir nahmen an den regelmäßigen Demonstrationen und Mahnwachen gegen den Genozid teil, die Palästina Spricht in München veranstaltet. Zusammen besuchten wir den Warnstreik der Universitätsbeschäftigten im Tarifvertrag der Länder und ließen uns dort auch nicht von den Drohungen von Seiten der sogenannten „Gewerkschaft der Polizei“ einschüchtern. An der LMU wie auch Technischen Universität München (TUM) waren wir auch vor der Kundgebung am 6. Dezember bereits präsent, indem wir in einer Protestaktion unsere Kommiliton:innen auf den Genozid in Gaza aufmerksam machten.

Im Konvent der Fachschaften der LMU brachten Vertreter:innen der Fachschaft Soziologie, die bei Waffen der Kritik aktiv sind, mit Unterstützung des UKP einen Antrag unter dem Titel „Break the Silence“ ein, nachdem die Hochschulleitung über Wochen hinweg zur Situation in Gaza und zur Lage palästinensischer Studierender geschwiegen hatte. Darin forderten wir von der Hochschulleitung, sich „dem weltweiten Ruf eines Waffenstillstands anzuschließen und einen demokratisch wissenschaftlichen Diskurs mit unterschiedlichen Perspektiven zu fördern“. Der Antrag wurde zwar mit einzelnen Veränderungen beschlossen. Nur wurde er bis heute nicht veröffentlicht – anders als das eingangs erwähnte Statement der sogenannten Studierendenvertretung.

Die politische Lage spitzt sich zu

Derweil spitzt sich die politische Lage weiter zu – nicht nur in Gaza. Hierzulande ist die extreme Rechte stark im Aufwind. Die AfD führt die Umfragen zu den kommenden Landtagswahlen in Sachsen, Brandenburg und Thüringen an. Dabei steht die AfD wie große Teile der internationalen Rechten von Donald Trump in den USA bis Javier Milei in Argentinien stramm an der Seite der rechten Netanjahu-Regierung in Israel. Die Kriminalisierung von Palästinenser:innen in Deutschland, die das gesamte parlamentarische Spektrum mitträgt, ist untrennbarer Bestandteil des Rechtsrucks.

Nach den Enthüllungen der Recherche-Plattform Correctiv über die Vertreibungspläne der Rechten gingen in Deutschland Millionen Menschen auf die Straße. In München waren wir gemeinsam mit dem UKP und den Genoss:innen von Palästina Spricht auf der Großdemonstration. Doch statt den Betroffenen antipalästinensischer Hetze eine Bühne zu geben, versuchten die Versammlungsleitung erfolglos, politische Äußerungen des Palästina-Blocks zu unterdrücken. Auf der Demonstration selbst kam es zu einem physischen Angriff von pro-zionistischen „Linken“ auf den Block. Das sogenannte „Linke Bündnis gegen Antisemitismus“, in dem neben der Linksjugend [’solid] auch grüne und sozialdemokratische Jugendorganisationen zusammengefunden haben, feierte diesen Angriff im Nachgang sogar öffentlich.

Der Regierungsnachwuchs passt sich damit der Politik der Großen an. Zu dieser Politik gehört auch, dass die Ampelregierung die Abschiebegesetze mit dem sogenannten „Rückführungsverbesserungsgesetz“ massiv verschärft hat, nachdem bereits im Herbst auf EU-Ebene das Asylrecht weiter ausgehöhlt wurde. Die Behauptung ist: Um die AfD zu schwächen, muss man beweisen, dass man selbst „im großen Stil abschieben“ kann, wie der Bundeskanzler im Spiegel getönt hat. Das Gegenteil ist richtig: Die Regierung verschiebt selbst die politische Stimmung immer weiter nach rechts, setzt in abgeschwächter Form die Forderungen der AfD um und bereitet damit dem weiteren Aufstieg der Rechten den Boden.

Auch an den bayerischen Universitäten weht der Wind von rechts. Mit einem neuen Gesetz will die bayerische Staatsregierung der Bundeswehr noch einfacher Zugang zu den Hochschulen verschaffen. Es sieht ein Kooperationsgebot bis hin zu einer Kooperationspflicht von Bildungseinrichtungen mit der Bundeswehr vor. Die CSU-geführte Landesregierung ist damit auf Kurs mit der „Zeitenwende“ der Ampelregierung im Bund, die selbst die Aufrüstung der Bundeswehr mit etlichen Milliarden vorantreibt, um bei Klima, Gesundheit und Sozialem radikal zu kürzen.

Es soll keine Zivilklauseln geben, die Forschung zu militärischen Zwecken verbieten würden. Davon profitiert auch der Staat Israel und sein Militär. So unterhält etwa die TUM eine Kooperation mit der israelischen Universität Technion, um gemeinsam Kriegsforschung zu betreiben. Kurz gesagt: Auch bayerische Universitäten helfen der israelischen Armee, die Waffen für ihre Massaker zu entwickeln

Wie können wir weitermachen?

Die Solidarität mit Palästina, der Kampf gegen Rechts und gegen die innere und äußere Militarisierung ist eins.

Die Einstellung dieser Rüstungskooperationen zwischen deutschen und israelischen Hochschulen ist eine zentrale Forderung des UKP. Wir müssen aber weitergehen und unsere Selbstorganisierung nutzen, um eine breite Opposition gegen die Militarisierung unserer Universitäten zu organisieren. Das Militarisierungsgesetz der Staatsregierung muss zurückgeschlagen werden.

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) Bayern hat das Gesetz in einer Stellungnahme scharf kritisiert. Eduard Meusel, Wissenschaftler und Sprecher der Fachgruppe Hochschule und Forschung (HuF) in der GEW Bayern, erklärte dazu: „Ein Zwang zur Militärforschung ist ein Angriff auf die Freiheit der Wissenschaft sowie auf das Friedensgebot im Grundgesetz.“

Daran gilt es anzuschließen und als Studierende und Beschäftigte der Hochschulen gemeinsam einen Plan zu diskutieren und abzustimmen, wie das Vorhaben der bayerischen Regierung verhindert werden kann: Von Vollversammlungen über Kundgebungen und Demonstrationen bis hin zu Streiks.

Das Bündnis von aktiven Studierenden und Arbeiter:innen ist nicht nur für den Kampf gegen dieses eine Gesetzesvorhaben von entscheidender Bedeutung. Die Arbeiter:innen haben vielmehr international die Kraft, dem Rechtsruck und dem Genozid in Gaza Einhalt zu gebieten. Zum Beispiel dadurch, dass von Gewerkschafter:innen in Kent gemeinsam mit den pro-palästinensischen Aktivist:innen das Werk von Instro Precision, der Tochtergesellschaft eines der größten israelischen Waffenhersteller Elbit Systems, blockiert wurde, um die Lieferungen von Drohnen und Waffen zu verhindern. Oder die Luftfahrtgewerkschaft in Belgien, die ihre Mitglieder aufforderte, Waffenexporte nach Israel zu boykottieren. Auch die Hafenarbeiter:innen in Barcelona verkündeten, auf Schiffen, die Waffen nach Israel transportieren sollten, nicht zu arbeiten.

Wir denken, dass der nicht umgesetzte Beschluss im Konvent eines zeigt: „Hochschuldemokratie“ ist hier nichts weiteres als eine Scheindemokratie, die uns Studierenden vorgaukeln soll, dass wir im autoritären System LMU etwas mitzuentscheiden hätten. Beschämend ist es, dass es rechte Studierende gibt, die dieses Spiel mitspielen, behaupten gegen Antisemitismus zu kämpfen und doch selbst nur dem Rechtsruck Vorschub leisten.

Daraus müssen wir Schlüsse ziehen. Orte wie den Konvent der Fachschaften können wir als Plattformen nutzen, um für unsere Positionen zu kämpfen und ihnen Gehör zu verschaffen. Doch wir dürfen nicht die Illusion haben, dass unsere Forderungen dort umgesetzt werden könnten. Appelle und Bitten an die Hochschulleitungen bringen uns ebenso wenig weiter.

Wir brauchen eine ganz andere Universität. An den Universitäten, an denen wir studieren, lehren und arbeiten, sollten wir das Sagen haben. Die Universitäten sollten unter der demokratischen Kontrolle der Beschäftigten und Studierenden stehen und jede:r von uns sollte dasselbe Stimmrecht haben. Auf dem Weg dorthin müssen wir dafür kämpfen, dass die existierenden Gremien wie der Konvent der Fachschaften mit seinen Referaten selbst zu einem Organ der Selbstorganisierung wird, der in echten Vollversammlungen die Studierenden zusammenbringt, um für ihre Interessen zu kämpfen.

Mit dieser Perspektive wollen wir als Waffen der Kritik am 17. Februar auf die Demonstration gegen die Sicherheitskonferenz in München gehen: Gegen die Militarisierung unserer Universitäten, gegen die Unterstützung der deutschen Regierung und ihrer Institutionen für den Genozid in Gaza und gegen den Aufstieg der Rechten, die von Frieden sprechen und Aufrüstung planen. Bauen wir gemeinsam eine revolutionäre Kraft an den Universitäten auf, die Seite an Seite mit der Arbeiter:innenklasse für eine Gesellschaft ohne Krieg, Ausbeutung und Unterdrückung kämpft.

Demonstration gegen die Münchner Sicherheitskonferenz

17. Februar 2024, 13 Uhr
Karlsplatz/Stachus

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