Wie wählten die Arbeiter:innen und Gewerkschafter:innen?
Viele Parteien geben vor Politik für Arbeiter:innen machen zu wollen und nutzen deren prekären Lebenssituationen für den eigenen Wahlkampf. Doch wie haben Arbeiter:innen nun gewählt?
Die Wahlstatistik der Arbeiter:innen unterscheidet sich in mehreren Punkten von der allgemeinen.
Als erstes fällt auf, dass die SPD mit großem Abstand zur CDU die meistgewählte Partei ist (28 Prozent der Arbeiter:innen wählen SPD, 23 Prozent wählten CDU). Die drittstärkste Partei ist mit 16 Prozent die AfD. Im Vergleich zu Beamt:innen, Angestellten und Selbstständigen stellen die Arbeiter:innen hierbei mit Abstand die größte Wähler:innengruppe dar. Neun Prozent der Arbeiter:innen wählten die FDP, womit sie gemeinsam mit den Beamt:innen die kleinste Wähler:innengruppe sind. Die Linke holte sich nur fünf Prozent der Arbeiter:innenstimmen und die Grünen acht Prozent. Dies macht die Arbeiter:innen mit großem Abstand zur kleinsten Wähler:innengruppe der Grünen.
Die Trennung zwischen Arbeiter:innen und Angestellten ist zwar recht weit verbreitet. Für uns fallen jedoch auch Angestellte und teilweise auch Beamt:innen, allen voran verbeamtete Lehrer:innen, unter den Begriff der Arbeiter:innen. Die Grundaussage der Statistik bleibt jedoch die gleiche.
Gewerkschafter:innen haben, wie auch die Arbeiter:innen insgesamt, überdurchschnittlich häufig SPD gewählt (32 Prozent im Vergleich zu den allgemein erreichten 25,7 Prozent). Die Grünen sind hier jedoch nicht ganz so unbeliebt und erreichten 13 Prozent, was über vier Prozent mehr sind als noch 2017. Auch die FDP legte an Stimmen zu. Die restlichen Parteien verloren Stimmen, am meisten die Linken mit 5,2 Prozent weniger im Vergleich zu 2017.
Jedoch bleibt die AfD trotz 3,7 Prozent weniger bei den Gewerkschafter:innen stärker als in der Durchschnittsbevölkerung. Mit 12,2 Prozent nimmt sie den vierten Platz ein, nur knapp hinter den Grünen.
Welche Konsequenzen ziehen wir daraus?
Daraus lässt sich schließen, dass Parteien mit vermeintlich linken Inhalten, die Arbeiter:innen und Gewerkschafter:innen, an die sich ihre Politik eigentlich wenden sollte, nicht repräsentieren. Die Tatsache, dass die Arbeiter:innen mit Abstand den geringsten Teil der Grünen-Wähler:innen ausmacht, lässt tief blicken. Denn für die Grünen geht es vor allem um eine kapitalistische Erneuerung – nur grün angestrichen. Klimaneutralität ist dabei für die Partei heutzutage nur eine notwendige Voraussetzung, um international wettbewerbsfähig zu bleiben. Dass die Kosten schon heute auf die Arbeiter:innenklasse abgewälzt werden, nehmen sie hingegen gerne hin. Direkt nach der Wahl hat Annalena Baerbock sogar angekündigt, zuerst ausgerechnet mit der FDP über mögliche Koalitionen zu reden.
Dabei müssen sich soziale Gerechtigkeit und Klimaneutralität keineswegs ausschließen. Ganz im Gegenteil bedingen sich die Klimakrise und die soziale Krise gegenseitig und sollten gemeinsam bekämpft werden. Ein gutes Beispiel hierfür bietet der Kampf gegen die Schließung eines Bosch-Werks in München. Hier schlossen sich die Arbeiter:innen des Werks mit Klimaaktivist:innen zusammen und kämpften gemeinsam für einen Umbau des Werks auf klimafreundliche Produktion, anstelle der Schließung.
Doch die Grünen kratzen mit ihrer Klimapolitik lediglich an der Oberfläche und verhindern somit echte Veränderung. Schlimmer noch: Mit ihrer Konsumkritik und dem Androhen von Arbeitsplatzverlusten treiben sie einen Keil zwischen Klimabewegung und Arbeiter:innen.
Die SPD liegt bei den Arbeiter:innen und Gewerkschafter:innen ganz vorne. Der Schein der Arbeiter:innenpartei hält also bis heute an, obwohl die SPD für viele Reformen, wie beispielsweise Hartz IV, verantwortlich ist, die die Lebensumstände der Arbeiter:innen stark verschlechtert haben.
Beunruhigend ist, dass sich vergleichsweise viele Arbeiter:innen gut von der AfD vertreten fühlen. Auch bei den Gewerkschafter:innen liegt der prozentuale Anteil der AfD über dem Durchschnitt. Dies zeigt abermals, dass es in der Vergangenheit nicht geglückt ist, linke Inhalte in den Betrieben und Gewerkschaften zu etablieren. Vor allem die Gewerkschaftsbürokratien spielen dabei eine unrühmliche Rolle. Themen wie Rassismus oder Sexismus werden oft nicht von ihnen thematisiert, aus Angst davor, dass das Kontroversen in der Belegschaft hervorrufen könnte. Dabei ist gerade der Kampf für die Einheit der Klasse – unabhängig von Herkunft, Geschlecht usw. – das beste Mittel, um die AfD auch in den Betrieben zurückzudrängen. Darüber zu schweigen, ist Wasser auf die Mühlen der AfD, die gerade nicht schweigt.
Die Arbeit von Linken innerhalb der Betriebe und Gewerkschaften muss weiter angekurbelt werden, um von der sogenannten “Alternative für Deutschland” zu einer echten revolutionären Perspektive zu kommen.
Das schlechte Ergebnis der Linken ist auch nicht weiter verwunderlich. Besonders in der Pandemie hat die Linke ihre staatstragende Rolle nur untermauert und sich eher als Sozialdemokratie 2.0 inszeniert. Kaum Kritik an der Regierung, speziell in der ersten Monaten. Und das obwohl sich die soziale Situation für Millionen von Beschäftigten quasi über Nacht drastisch verschärft hat. Die Anbiederung an SPD und Grüne im Wahlkampf, um unbedingt mitzuregieren, war nur die Spitze des Eisbergs. Doch wer Sozialdemokratie will, wählt lieber das Original SPD und nicht DIE LINKE. Die Niederlage ist eine schallende Ohrfeige für die Regierungssozialist:innen. Aber eben auch eine Chance, eine wirkliche revolutionäre Alternative aufzubauen.