Wie kämpfe Ich gegen Frauen*unterdrückung?

06.03.2016, Lesezeit 8 Min.
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Nachdem die Autorin dieses Textes in einer durchwachten Nacht über die Probleme ihrer Unterdrückung als Frau grübelt, begibt sie sich auf die Suche nach einer Lösung. Sie landet bei Hillary Clinton und Repräsentation, Manuela Schwesig und #ausnahmslos und bei den kapitalistischen Interessen der bürgerlichen Feministinnen. Schließlich kommt sie zu dem Gedanken, dass diese Welt von Grund auf verändert werden muss.

Ich habe schon wieder schlecht geschlafen, denn ich bin traurig und mache mir Sorgen: Während viele meiner männlichen Studienkollegen gut bezahlte Promotionsstellen haben, bekomme ich auf meine Bewerbungen eine Absage nach der anderen – auch wenn ich einen mindestens so guten Abschluss habe wie sie. Ich habe aber früher nicht mit meinem Chef sonntags Fußball gespielt und ihn an seine eigene Jugend erinnert. Und ich traue mir weniger zu, weil ich dazu erzogen wurde, brav und bescheiden zu sein.

Außerdem habe ich schon wieder Probleme mit meinem Körper, selbst wenn ich intellektuell begreife, dass die Schönheitsnormen, denen ich entsprechen möchte, im Interesse der kapitalistischen Unternehmen existieren. Aber die Gleichung „schön gleich wertvoll“ wurde mir schon eingetrichtert, seit ich denken kann. Und ich werde ja auch tatsächlich für jede Abweichung bestraft.

Heute geht es mir besonders dreckig. Da kommen noch Erinnerungen an sexuelle Gewalt als Jugendliche dazu, die ich mich nie getraut habe anzuzeigen, geschweige denn meinen Eltern zu erzählen. Oder an diese Fehlgeburt, die mich erleichtert hat und gleichzeitig mit so viel Trauer erfüllt, weil ich damit immer alleine zurecht kommen musste, voller Schuldgefühle – Überbleibsel einer katholischen Erziehung.

Dabei weiß ich, dass mir viele Probleme erspart bleiben, weil ich als weiße, heterosexuelle, akademisch gebildete Cis-Frau privilegiert bin. Aber es bleibt die Frage: Wie kann ich mich gegen diese Unterdrückung, die mir mein Leben jeden Tag aufs Neue schwer macht, wehren? Wie kann ich dafür kämpfen, dass auch andere Frauen nicht mehr unterdrückt werden?

Clinton und die Frage der Repräsentation

Eine Antwort, die mir angeboten wird, ist: Repräsentation. Es müssten nur genug Frauen in Führungspositionen in Staat und Wirtschaft kommen. Durch ihre bloße Existenz würden sie unsere kollektiven Vorstellungen von Weiblichkeit transformieren. In den USA unterstützen deshalb viele prominente bürgerliche Feministinnen, wie Lena Dunham oder Gloria Steinem, die Präsidentschaftskandidatur von Hillary Clinton. Selbst linke Feministinnen wie Laurie Penny begrüßen sie. Mit einer feministischen Kampagne soll Clinton zur Fürsprecherin aller Frauen gemacht werden.

Damit wird die falsche Vorstellung geschürt, dass Frauen der herrschenden Klasse im Interesse aller Frauen handeln. Empirische Beweise für das Gegenteil gibt es genug: Clinton stimmte im Senat immer wieder für Kriegseinsätze und war als Außenministerin direkt für militärische Interventionen verantwortlich, zum Beispiel in Libyen. Als imperialistische Kriegstreiberin hat sie die Frauen in den zerstörten Ländern zu Elend, Flucht und Tod verdammt.

Auch für die Abschaffung von Sozialleistungen ist Clinton mitverantwortlich, mit katastrophalen Auswirkungen für alleinerziehende – oft schwarze – Frauen in den USA. Ähnliches gilt in Deutschland für Angela Merkel: Sie handelt direkt gegen die Interessen von Millionen Frauen, wenn sie die Prekarisierung vorantreibt und mit immer weiteren Asylrechtsverschärfungen die Abschiebung geflüchteter Frauen erleichtert.

Ich bin unter Merkel erwachsen geworden. Ich weiß: Das sind nicht meine Retterinnen.

Hoffnungsschimmer #ausnahmslos?

Ist es dann vielleicht ein Hoffnungsschimmer für mich, dass nach der sexuellen Gewalt an Frauen in der Kölner Silvesternacht ein neuer feministischer Aufruf gestartet wurde? Unter #ausnahmslos sollte gegen sexistische Gewalt, aber auch gegen die Instrumentalisierung der Vorfälle durch Rassist*innen vorgegangen werden.

Einige Forderungen, die unter #ausnahmslos aufgestellt werden, finde ich richtig, zum Beispiel die Stärkung von Beratungsstellen oder ein Ende der Täter*innen-Opfer-Umkehrung. Der Aufruf richtet sich gegen sexistische Bilder in den Medien und die rassistische Vorstellung, dass nur Nicht-Weiße Täter sind. Allerdings sind sie keinesfalls ausreichend: Ein sofortiger Abschiebestopp wird eben nicht gefordert. Es gibt kein Wort über Lohndiskriminierung und Prekarisierung weiblicher Arbeit. Genauso wenig über Abschaffung aller Gesetze, die in das körperliche Selbstbestimmungsrecht von Frauen eingreifen.

Andere Forderungen bei #ausnahmslos sind einfach falsch: Es wird gefordert, dass Polizei und Justiz besser geschult werden müssen – als ob Polizist*innen und Richter*innen als Teil des Problems je Teil der Lösung sein könnten. Das beweisen sie mir jedes Mal, wenn sie die Sexist*innen, die meinen Körper und den meiner Freundinnen durch Abtreibungsverbote kontrollieren wollen, bei ihren Demonstrationen „schützen.“

Auch jenseits der unzureichenden Forderungen hat #ausnahmslos ein gewichtiges Problem: Es wird nicht benannt, wer für die Umsetzung sorgen soll und wie. Letztlich heißt das, wir sollen den Regierungspolitiker*innen und dem Staatsapparat vertrauen. Nicht umsonst unterstützt auch Manuela Schwesig von der SPD den Aufruf. Und Malu Dreyer, SPD-Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz, macht munter Landtagswahlkampf mit diesem Hashtag.

Also auch hier wird mir gesagt: Hoffe auf Repräsentantinnen, die schon lange bewiesen haben, dass sie feministische Forderungen gar nicht umsetzen wollen. Auch die Medienunternehmen, die aufgerufen werden, Frauen anders darzustellen, haben keinen Grund, das nach langen Jahren mit hohen Profiten auf einmal zu tun. Sie produzieren einfach weiter ihre sexistischen Plakatkampagnen, die mir bei jedem Ausflug vor die Haustür vor Augen führen, wie unzureichend ich bin.

Ihre Interessen und unsere

Der Grund dafür ist einfach: Bürgerliche Feministinnen haben ein direktes materielles Interesse an der Weiterexistenz des Systems, das von unserer Unterdrückung als Frauen profitiert. Wir gehören anderen sozialen Klassen an und haben deswegen andere Interessen.

Während ich und andere Frauen wahrscheinlich unser Leben lang weniger verdienen werden als unsere männlichen Freunde und uns von einem prekären Job zum nächsten hangeln, beruht ihr Reichtum auf der Ausbeutung der Arbeitskraft anderer und damit auch auf der Abwertung weiblicher Arbeit. Während von uns erwartet wird, uns um Kinder und Haushalt zu kümmern, bezahlen sie meist Hungerlöhne, damit andere Menschen, oft migrantische Frauen, diese Aufgaben für sie erledigen. Dazu profitieren sie noch von dem Krieg und der Ausbeutung, die der Imperialismus den Frauen der halbkolonialen Länder bringt.

Denn unsere Unterdrückung dauert nicht einfach ohne Grund an, sondern sie ist funktional für das Kapital (und oft auch bequem für Männer): Frauen leisten zu niedrigen Kosten enorm wichtige Arbeit, wie das Gebären und Aufziehen von Kindern oder die alltägliche Haus- und Sorgearbeit. Außerdem werden die Ausgebeuteten durch die Teilung in Männer und Frauen gespalten und können sich schlechter wehren. Auch wenn bürgerliche Politikerinnen wie Clinton oder Merkel ihre Portion Frauenfeindlichkeit abbekommen – zum Beispiel, wenn sie bestimmten Schönheitsvorstellungen nicht entsprechen – so stehen sie doch auf der Seite der Kapitalist*innen und sichern dadurch ihre materielle Besserstellung.

Gegen Unterdrückung und Ausbeutung

So gerne ich daran glauben würde, dass ich weiter im Bett liegen kann und eine andere, machtvollere, Frau das Problem für mich löst – ich weiß, dass es so nicht gehen wird. Wenn wir feministische Forderungen umsetzen wollen, müssen wir sie uns erkämpfen. Und wenn unsere Errungenschaften Bestand haben sollen, dürfen wir nicht dabei stehen bleiben: Die kapitalistischen Interessen der bürgerlichen Feministinnen können uns gestohlen bleiben, wir greifen auch die materielle Grundlage der Frauenunterdrückung an, den Kapitalismus.

Zum Glück bin ich nicht alleine: Ich habe Genossinnen an meiner Seite. Ich weiß von den revolutionären Arbeiterinnen, Studentinnen und Schülerinnen in Argentinien, im Spanischen Staat, in Mexiko oder in Brasilien, die sich in der sozialistischen Frauengruppe Pan y Rosas organisieren. Sie wehren sich gegen Frauenmorde, gegen Alltagssexismus und gegen Machismus in der Linken und der Arbeiter*innenbewegung. Sie leisten Solidarität mit Arbeitskämpfen und helfen den Arbeiterinnen, sich innerhalb ihrer Kämpfe selbst zu organisieren und ihre Probleme als Frauen zu artikulieren.

Dieses Vorbild gibt mir Kraft: So etwas möchte ich auch aufbauen. Damit wir als Frauen mit unseren eigenen Forderungen auftreten können, uns gegenseitig ermutigen und selbstorganisiert miteinander kämpfen können. Und gleichzeitig organisiere ich mich auch gemeinsam mit Männern, um mit ihnen für die Revolution der Arbeiter*innen zu kämpfen. Aber ich kämpfe auch dafür, dass Genossen ihren Sexismus überwinden.

Also stehe ich auf und bereite mich mit meinen Genossinnen auf den Frauen*kampftag vor. Wir werden uns heiser schreien mit Parolen gegen Sexismus und Rassismus. Wir werden gegen den imperialistischen Krieg demonstrieren, der unsere Klassenschwestern im Nahen Osten gerade so heftig trifft. Wir mobilisieren gemeinsam mit unseren Genossen zum Schulstreik gegen Rassismus, bei dem wir offene Grenzen, gute Arbeit, selbstbestimmte Bildung und gutes Wohnen für alle fordern. Und wir unterstützen Arbeiter*innen in ihren Kämpfen, denn mit ihnen an unserer Seite können wir unsere Befreiung erlangen.

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