Wie die 30-Stundenwoche unser Klima und unsere Gesundheit rettet
Die 40-Stundenwoche ist in den meisten Branchen die Regelarbeitszeit, trotz gewaltiger technologischer Fortschritte. Andere Beschäftigte sind hingegen arbeitslos oder gezwungen, befristet oder in Teilzeit zu arbeiten. Wir brauchen die Aufteilung der Arbeit auf alle Schultern: 30 Stunden bei vollem Lohn- und Personalausgleich.
Die Kolleg:innen der Berliner Krankenhausbewegung streiken momentan für ein Tarifvertrag Entlastung. Zentrale Forderungen sind ein Belastungsausgleich in Form von freien Tagen, aber auch der Kampf für mehr Personal. Denn die Überlastung der Pfleger:innen gefährdet die Gesundheit der Beschäftigten und letztlich auch die der Patient:innen, wenn diese nicht mehr versorgt werden können. Fast die Hälfte aller Kolleg:innen in Krankenhäusern in Deutschland arbeitet schon nicht mehr Vollzeit. Ohne Lohnausgleich. Kolleg:innen befürchten selbst, dass sich das Problem noch verschärft, weil viele Pfleger:innen den Job nicht mehr aushalten und vielleicht sogar ganz aufhören.
Für unsere Gesundheit
Die Pandemie hat den Stachel noch tiefer in die Wunde getrieben. Um die Überbelastung der Kolleg:innen zu beenden, brauchen wir deshalb schon heute sofortige und grundlegende Maßnahmen. Die Forderungen der Streikenden der Krankenhausbewegung sind ein wichtiger Schritt in diese Richtung. Dennoch muss diese Bewegung verbunden werden mit der politischen Forderung nach einer Arbeitszeitverkürzung für alle bei vollem Lohnausgleich.
Die Durchsetzung von Forderungen nach mehr Personal kann nur gehen, wenn der Pflegeberuf überhaupt wieder attraktiver wird für junge Menschen. Die Verkürzung der Arbeitszeit auf 30 Stunden die Woche für alle ohne Ausnahmen bei vollem Lohnausgleich ist dabei ein wichtiger Schritt. Ungenügendes Personal führt dazu, dass seit Jahren Krankenhäuser geschlossen werden, Betten gestrichen werden und so die Gesundheitskrise weiter verschärft wird, um ihre Profite zu sichern.
Solch eine Kampagne muss vor allem von den Gewerkschaften getragen werden. Umso mehr, weil die Fragen nach einer Arbeitsverkürzung bei vollem Lohnausgleich eine der ureigensten Forderung der Arbeiter:innenklasse in Deutschland ist. Besonders die IG Metall hat lange für eine Angleichung der Arbeitszeiten von Ost an West gekämpft – auch mit Streiks. Auch in aktuellen Kämpfen von Beschäftigten muss eine Arbeitszeitverkürzung eine zentrale Forderung sein.
Für das Klima
Denn der Strukturwandel in der Industrie hat für viele Beschäftigte fatale Folgen. Nicht etwa, weil ihre Arbeit nicht mehr nötig ist, sondern weil die Bosse – oft in Zulieferbetrieben zu großen Konzernen – die Produktion ins Ausland verlagern wollen, letztlich um billiger zu produzieren. Die Kolleg:innen bei Bosch in München wehren sich jedoch gegen solche Pläne. Statt der Verlagerung der Produktion im Sinne der Bosse müssen die Gewerkschaften dafür kämpfen, dass es Umschulungen für alle Beschäftigten auf Kosten der Bosse gibt. Das muss verbunden werden mit einem Verbot von Schließungen und Massenentlassungen. Die größte Hürde für diesen Kampf sind dabei nicht die Beschäftigten, sondern vor allem die Gewerkschaftsführungen. Arbeitsverkürzungen hieß für die Bürokratie meist auch Lohnverlust für die Beschäftigten, “um das Werk zu erhalten”. Bei anderen Kämpfen hat die IG Metall-Bürokratie gleich ganz darauf verzichtet, überhaupt für den Erhalt von Werken zu kämpfen, sondern von Beginn an auf das Ausverhandeln von Sozialplänen abgezielt, wie beispielsweise bei Voith in Sonthofen im letzten Jahr. Gerechtfertigt wird das gerne damit, dass das ja realistisch sei. Doch der “Realismus” der Bürokratien ist vor allem daraus geboren, dass die Interessen der Bosse nicht zu sehr angetastet werden sollen.
Natürlich ist es günstiger für die Bosse, irgendwelche Sozialpläne auszuhandeln, als die Kosten Umschulungen aller Beschäftigten und die Umstellung auf umweltfreundliche Produktion zu übernehmen. Gerade deshalb muss diese Umstellung von Beschäftigten selbst in Planungskommissionen in Zusammenarbeit mit der Wissenschaft und der Klimabewegung organisiert werden. Nicht nur, um Arbeitszeitverkürzungen durchzusetzen, sondern auch um klimafreundlich zu produzieren, ohne Rücksicht auf die Profite der Bosse.
Für eine sozialistische Gesellschaft
Eine Verkürzung der Arbeitszeit bei vollem Lohnausgleich würde also vor allem unsere Gesundheit und das Klima schützen. Doch in Zeiten mit Millionen Beschäftigten, die keine reguläre Arbeit haben oder in Teilzeit und Befristung gezwungen wäre, während auf der anderen Seite Beschäftigte in Krankenhäusern völlig überlastet sind, ermöglicht uns diese Forderungen auch eine Aufhebung der Spaltung der Klasse in dutzende verschiedene Beschäftigungsverhältnisse. Denn Arbeitszeitsverkürzung bedeutet für Bosse vor allem Arbeitsverdichtung bei gleichem Lohn. Für reformistische Parteien oder Gewerkschaftsführungen bedeutet es vor allem ein Auffangen der Krisentendenzen, die die Interessen der Bosse nicht allzu sehr gefährdet. Symbolisch dafür steht, dass die IG Metall-Führung die Angleichung der Arbeitszeit im Osten auf 35 Stunden wie im Westen flächendeckend Anfang dieses Jahres aufgegeben hat und dafür Unternehmen mit Betriebsräten nun selbst entscheiden können sollen, ob sie solche Maßnahmen ergreifen – was vorher allerdings auch schon möglich war.
Für uns bedeutet es jedoch die Möglichkeit, die Gesamtzahl an Arbeitsstunden auf alle Arbeiter:innen aufzuteilen. Die notwendigen Maßnahmen, Leute auszubilden und zu schulen, um entsprechende Jobs machen zu können, müssen von den Bossen bezahlt werden. Dabei bedeutet es für uns vor allem, die Produktion grundsätzlich im Interesse von uns Arbeiter:innen umzustellen und nicht weiter für die Profite der Bosse zu schuften – egal wie umweltfreundlich sie sich geben. Die Umstellung der Produktion in der Industrie kontrolliert von Planungskommissionen der Kolleg:innen sowie eine Pflege allein im Interesse unser Gesundheit kontrolliert von Beschäftigten und Patient:innen wären beides wichtige Schritte um diesen Übergang hin zu einer sozialistischen Gesellschaft zu schaffen.