Wie der Kampf für TVStud mit dem Kampf gegen Militarismus zusammenhängt

13.07.2023, Lesezeit 7 Min.
1
Foto: Urban Müller

TV-Stud-Stand an der TU München, oder: Wie hängen Eurofighter-Antriebe, Carbon-Rennräder und schlechte Arbeits- und Lehrbedingungen zusammen?

Am Freitag, den 30. Juli, haben ein Genosse und ich an der Messe der Maschinenwesen-Fakultät der TU München (LOIFT) teilgenommen. Dort präsentieren die verschiedenen Lehrstühle jährlich sich selbst und ihre Forschungsziele. Auf Einladung der Fachschaft Maschinenbau, mit der wir bereits seit einigen Monaten zusammenarbeiten, hatten wir die Gelegenheit, durch einen Stand der GEW mit den Studierenden und Mitarbeiter:innen in Kontakt zu kommen. Mir ist aufgefallen, dass das Konzept eine super Idee ist, die Studierenden auf die verschiedenen (teils relativ unbekannten) Lehrstühle aufmerksam zu machen. Das wirft die Frage auf: Was hält zum Beispiel unser Soziologie-Institut davon ab, ein ähnliches Event zu veranstalten?

Denn bei uns kommt hauptsächlich nur formaler Kontakt zwischen Studierenden und Mitarbeiter:innen im Seminar zustande, anstatt zum Beispiel mal in einem offenen Treffen aller Institutsgruppen über die aktuell laufenden Forschungsprojekte wie „pairfam“ (Beziehungs- und Familienpanel, Brüderl Lehrstuhl), „Gesellschaftliche Andockstellen für Flüchtlinge“ (Nassehi-Lehrstuhl) oder „Co-Care“ (Reinigung als Fürsorgearbeit, Villa-Lehrstuhl) zu diskutieren. Ich frage mich: Wie soll man als Erstsemester aktiver Teil eines Instituts werden, wenn man bestimmte Lehrstühle erst sehr spät im Studium kennenlernt, geschweige denn überhaupt von deren Forschungsschwerpunkten erfährt. Als Teil der Fachschaft finde ich, dass wir uns von der Idee der Fachschaft Maschinenbau inspirieren lassen und etwas Ähnliches an unserem Institut organisieren sollten.

Auf unserem Stand hatten wir ein breites Materialangebot: Von kleinen „Streik-ABCs“, diversem Infomaterial über Förderbedingungen zu Promovierenden, Jutebeuteln bis hin zu Stickern für TVStud und gegen Berufsverbote war alles dabei. Das ist auch sehr gut bei den Besucher:innen angekommen, die begeistert mit uns ins Gespräch gekommen sind. Von studentischen Hilfskräften, die wir durch Gespräche für die Kampagne gewinnen konnten, haben wir oft erschreckende neue Informationen über Arbeitsbedingungen an der TUM erfahren. So berichteten mehrere Personen, dass viele SHKs an der TUM zu Beginn ihrer Arbeit immer eine gewisse Zeit, teilweise bis zu zwei Monaten, ohne Arbeitsvertrag arbeiten müssen. Das bedeutet dann ganz einfach: Gehaltszahlungen mit zwei Monaten Verspätung. Bei durschnittlichen WG-Mieten von 720 Euro in München möchte man sich gar nicht die Existenzängste ausmalen, die durch die fehlenden Einnahmen entstehen, denn welcher Studierende hat schon 1.400 Euro auf Tasche, um diesen Lohnausfall mal eben auszugleichen?

Es wird aber noch brisanter. Als SHK im Maschinenwesen arbeitet man nicht nur am PC oder in einem Seminarraum, sondern muss oft auch mal kleine Teile in der fakultätseigenen Werkstatt fräsen oder drehen. Offensichtlich sind diese Orte hinsichtlich des Arbeitsschutzes weitaus riskanter als ein Büro. Bisher interessiert sich aber kein Mensch dafür, dass dort also teilweise Studierende ohne Arbeitsvertrag an Geräten stehen, die schon mal gefährlich werden können, vor allem wenn man noch nicht so viel Erfahrung hat. Meiner Meinung nach ist das ein Skandal, der an die Öffentlichkeit getragen werden und dem man vor allem durch gewerkschaftliche Organisierung entgegenwirken muss.

Neben Hilfskräften und Tutor:innen sprachen wir auch mit Beschäftigten aus dem Mittelbau, vor allem aber mit Promovierenden, die an ihren Ständen ihre aktuellen Forschungsprojekte vorstellten. An einem Stand beschäftigte sich eine Arbeitsgruppe mit der Optimierung von Carbon-Laufrädern für Rennräder. Sie versuchen durch Materialeinsparungen der „Steife“ von Carbon-Rädern zu begegnen, da diese zwar im Vergleich zu Alurädern leichter, aber nicht so sicher beim Fahren sind. Ihre Forschung soll dann Unternehmen dienen, die mehr auf Aluräder setzen wollen, mit gleichzeitiger Verbesserung der Fahrsicherheit. Nachdem wir darüber sprachen, dass die Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (kurz: GEW) für Hochschulbeschäftigte zuständig ist, erzählte die Arbeitsgruppe von ihren Arbeitsbedingungen. „Wieso gibt es eigentlich in der Wissenschaft keine Stempelkarten? Das wäre doch mal was!“, erzählt uns einer. Auch bei ihnen machen sie die Erfahrung, dass vor allem Nachwuchsforscher:innen extrem viele unbezahlte Überstunden machen, was sich auch mit einer Studie des DZHW (Deutschen Zentrums für Wissenschafts- und Hochschulforschung) deckt, bei der 2019 herauskam, dass wissenschaftliche Mitarbeiter:innen im Schnitt zwölf unbezahlte Überstunden pro Woche machen.

Aber damit nicht genug. Ein drastisches Problem besteht für sie und ihre Kolleg:innen vor allem in ihrer allgemeinen Projektgebundenheit. Sie berichten, dass fast keine neuen Stellen an Maschinenbau-Lehrstühle mehr durch grundfinanzierte Stellen entstehen, wodurch Promovierende von Tag 1 ihrer Promotion schon an die Akquise von Drittmitteln gebunden werden, die im Normalfall dann einen Arbeitsvertrag von höchstens zwei bis drei Jahren ermöglichen. Da wird es zunehmend schwer, in den für die Promotion vorgesehen sechs Jahren Höchstdauer mit der Dissertation fertig zu werden, auch wenn vor allem in technischen Fächern mittlerweile nicht mehr Monografien, sondern eher eine Sammlung von Papers in ausgewählten Fachzeitschriften als Anforderung gilt. Aber die müssen ja auch geschrieben und peer reviewed werden, was alles Zeit braucht, die man eigentlich nicht hat.

Eine weitere Erfahrung machten wir in einem Gespräch mit einer Gruppe Luftfahrtingenieur:innen, die gerade an Druckluftoptimierungen an einem Triebwerk forschen. Es stellte sich schnell heraus, dass das nicht irgendein Triebwerk war, sondern das Triebwerk des Eurofighters – ein Kampfjet der NATO. Flugzeuge dieses Typs waren und sind momentan im aktiven Einsatz, insbesondere beim NATO-„Verteidigungsmanöver“ Air Defender 23 im Juni.  Vor diesem Hintergrund muss man sich aber schon fragen: Welche Forschung für welche Welt?

Als Gewerkschafter möchten wir betonen, dass wir jegliche militärische Forschung an Hochschulen ablehnen. Wir fordern die strikte Einhaltung einer Zivilklausel, die auch schon an vielen Hochschulen im Bundesgebiet Standard ist, und die Forschung ausschließlich zur Erfüllung friedlicher Ziele praktiziert wird. Auch die TU München muss sich diesen Zielen verpflichten. Unserer Meinung nach sollte an der TUM eher überlegt werden, wie man die Kompetenzen der Forschenden für die Bekämpfung der Klimakrise einsetzen kann. Denn effizientere, treibstoffsparende Triebwerke sind ja beispielsweise sehr wünschenswert, wenn es um den sozialen und ökologischen Umbau der zivilen Luftfahrtbranche geht. Dabei geht es uns keineswegs um eine Moralisierung der Handlungen der Forscher:innen und Techniker:innen in diesem Feld. Vielmehr wäre wichtig zu überlegen, wie Forscher:innen der TUM und Arbeiter:innen gemeinsam demokratisch planen können, wie man bisherige Innovationen für den Umbau der Luftfahrtbranche statt für die Militarisierung der Bundeswehr nutzen kann. Aktuell geht es den Unternehmen wie Airbus, die beispielsweise die genannte Arbeitsgruppe finanzieren, nämlich nur um Vorteile im Wettbewerb um den Verkauf von Kriegsmaschinerie an Staaten, die durch bessere Triebwerke dann schneller Bomben abwerfen können. Diesem Wahnsinn gilt es entschieden entgegenzutreten, weshalb wir auch innerhalb der TVStud-Kampagne und den Gewerkschaften für einen Anti-Militarismus kämpfen wollen, der unsere Hochschulforschung an der Befreiung des Menschen, und nicht an der Auslöschung unserer Spezies orientiert.

Mehr zum Thema