Widerstand gegen den Ausnahmezustand in Frankreich
Am Samstag demonstrierten in ganz Frankreich Zehntausende gegen den Ausnahmezustand und die Einschränkung demokratischer Freiheiten. In der Woche zuvor standen kämpferische Proteste der Arbeiter*innen im Mittelpunkt. Die Regierung antwortet mit harter Repression.
Trotz strömenden Regens demonstrierten am vergangenen Wochenende 20.000 Menschen in der Pariser Innenstadt gegen den Ausnahmezustand. Dieser wurde Mitte November von der sozialdemokratischen Hollande-Regierung als Antwort auf die Attentate von Paris verhängt. Auch in anderen Städten wie in Toulouse im Süden des Landes gingen Tausende gegen die Einschränkung demokratischer Freiheiten auf die Straßen.
Die Proteste richteten sich auch gegen den institutionellen Rassismus und die zunehmende Islamophobie, sowie gegen den französischen Kriegseinsatz im Irak und in Syrien.
Auch in der Woche davor kam es trotz des Ausnahmezustandes zu großen Mobilisierungen und Protesten. Zeitgleich streikten die Lehrer*innen, Fluglots*innen, Taxi-Fahrer*innen und die Beschäftigten des Öffentlichen Dienstes für ihre Forderungen in ihren jeweiligen Arbeitskämpfen. Im Öffentlichen Dienst kam es zu den größten Streikaktionen seit dem Beginn der Hollande-Regierung. Forderung waren substanzielle Lohnerhöhungen, gegenüber den rein symbolischen Erhöhungen, die die Regierung vorgesehen hat.
Die Fluglots*innen blockierten die Zufahrten zu einigen Flughäfen und protestierten damit für mehr Investitionen in neuere Technik und mehr Personal. Die Lehrer*innen wandten sich mit einem Streik, der eine Beteiligung von 50 Prozent erreichte, gegen die Bildungsreform der Regierung. Und die Taxi-Fahrer*innen bildeten Straßenblockaden auf wichtigen Einfahrtsstraßen in die Hauptstadt, um gegen den Verlust von Arbeitsplätzen durch private Fahrdienste wie Uber zu protestieren. Dabei kam es zu harter Repression und 19 Festnahmen.
Doch jede Demonstration im Rahmen des Ausnahmezustandes, auch wenn sie nur rein gewerkschaftliche Forderungen hat, ist gleichzeitig ein Ausdruck einer zunehmenden Unzufriedenheit mit der Regierung und ein Zeichen des Widerstands gegen die Einschränkung demokratischer Freiheiten.
Noch befürwortet eine Mehrheit der Französ*innen den Ausnahmezustand. Das liegt zum Einen an der enormen medialen Kampagne von Seiten der Regierung und der rechten Opposition nach den Anschlägen von Paris. Zum Anderen liegt es aber auch daran, dass es bisher keine strukturierte Bewegung gegen die reaktionären Maßnahmen der Regierung gab. Im Gegenteil unterstützte selbst die linksreformistische Linksfront von Jean-Luc Melenchon den Ausnahmezustand.
Dabei wurde der Ausnahmezustand von der Regierung auch dazu benutzt, soziale Mobilisierungen anzugreifen. So wurden bei den ersten Demonstrationen Ende November mehr als 300 Aktivist*innen festgenommen. Vor wenigen Wochen wurden dann 8 Arbeiter von Goodyear, die 2013 am Kampf gegen die Schließung ihrer Fabrik beteiligt waren, zu mehreren Jahren Gefängnis verurteilt. Hollande möchte dem Ausnahmezustand jetzt Verfassungsrang verleihen, sodass er auf unbegrenzte Zeit per Dekret verlängert werden kann.
Dieser reaktionäre Kurs führte auch schon zum Rücktritt der Justizministerin. Der Ausnahmezustand kann der Hollande-Regierung weder dauerhafte Stabilität geben, noch die Proteste von der Straße vertreiben. Die Streiks und Proteste von vergangener Woche und die großen landesweiten Demonstrationen eröffnen die Möglichkeit einer Gegenoffensive der Arbeiter*innen und Jugendlichen gegen die Einschränkung demokratischer Freiheiten, gegen den Krieg und gegen die Repression.