Wer waren die K-Gruppen? Kleine Geschichte des deutschen Maoismus (Teil 4)

26.01.2017, Lesezeit 4 Min.
1

Im vierten Teil der Artikelserie behandeln wir die maoistische Drei-Welten-Theorie und seine Politik gegenüber dem Imperialismus.

Teil 4: Drei Welten und Vaterlandsverteidigung

„Dritte Welt“ ist ein gängiger Begriff im bürgerlichen Mainstream. Doch Mao entwickelte auch eine Theorie der „drei Welten“, die die Welt etwas anders aufteilte:

1. Welt: Supermächte USA und UdSSR
2. Welt: europäische Länder unter deren Einfluss
3. Welt: sogenannte Entwicklungsländer

Das heißt, er sah die USA (ein imperialistisches Land unter Führung von kapitalistischen Monopolen) und die UdSSR (ein degenerierter Arbeiter*innenstaat mit einer bürokratischen Planwirtschaft) als mehr oder weniger gleich an. Die „antihegemoniale“ Außenpolitik der Volksrepublik war darauf orientiert, eine Bewegung der „blockfreien“ Staaten aufzubauen, die von beiden Supermächten unabhängig waren. Mao bemühte sich um enge Beziehungen zu fortschrittlichen bürgerlichen Regierungen in den halbkolonialen Ländern, beispielsweise zu Sukarno in Indonesien.

Aber im Laufe der 70er Jahre proklamierten Mao und sein Nachfolger Hua Guofeng, dass beide „Supermächte“ nicht mehr gleich schlimm waren. Die „sozialimperialistische“ und „sozialfaschistische“ UdSSR wurde nun zum Hauptfeind erklärt. Vor diesem Hintergrund traf sich Mao 1972 mit dem US-Präsidenten Richard Nixon und seinem Außenminister Henry Kissinger.

Die antisowjetische Politik Chinas ab 1972 – d.h. als Mao noch die aktive Führungsfigur des chinesischen Regimes war – blieb nirgendwo auf der Welt ohne Auswirkungen.

– China unterstütze die roten Khmer von Pol Pott in Kambotscha gegen die vietnamesische Armee, die mit der Sowjetunion verbunden war.

– Chinesische Hilfe gab es auch für die UNITA in Angola, die gleichzeitig von der CIA unterstützt wurde.

– Die Volksrepublik ging so weit, die Junta von Pinochet in Chile nach dessen Putsch am 11. September 1973 diplomatisch anzuerkennen. Der Grund war, dass Pinochet Handelsverträge mit der Sowjetunion kündigte und Chinas Anspruch auf Taiwan unterstützte. Dafür sollen chilenische Maoist*innen, die Zuflucht vor den Putschist*innen in der chinesischen Botschaft in Santiago gesucht haben, sogar am Tor abgewiesen worden sein!

– Bei einem Treffen zwischen Mao und US-Präsident Ford wurde auch vereinbart, dass Spanien und Portugal in die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft eingegliedert werden sollten.

Für die deutschen Maoist*innen – vor allem für diejenigen, die Maos Politik die Treue hielten – führte diese Theorie zu immer absurderer Politik. Besonders nach einem Treffen Anfang 1975 in Peking schwenkten die K-Gruppen zu einer Politik der „Vaterlandsverteidigung” um. Sie wollten eine “Volksfront” gegen den “Sozialimperialismus” im Osten, und liebäugelten mit Franz-Josef Strauß (CSU) und der Forderung nach der nuklearen Aufrüstung der Bundesrepublik. Die Vehemenz der „Vaterlandsverteidigung“ war bei jeder deutschen maoistischen Gruppe unterschiedlich stark ausgeprägt:

– die KPD/AO forderte eine Stärkung der Bundeswehr und der NATO als „Bollwerke gegen die hegemonialen Großmachtinteressen der Sowjetfaschisten“. Sie schrieben: „je schwächer die NATO, um so einfacher die Aggression des Sozialimperialismus“.

– die KPD/ML war ebenfalls für die „Vaterlandsverteidigung“, aber nur im Fall eines sowjetischen Angriffs. Sie schwankte aber noch in der Frage, welche der beiden Supermächte den „Hauptfeind“ darstellte.

– der KBW unterstützte die „Vaterlandsverteidigung“ nicht, war aber dennoch bereit, die Politik der chinesischen Führung zur Stärkung des deutschen Militarismus positiv zu erwähnen. (12)

Andere K-Gruppen schwiegen zu dieser Politik oder kritisierten sie offen. Aber da muss man auch die Frage stellen, inwiefern sie an der Stelle als „maoistisch“ gelten können, wenn sie sich gegen die Politik Maos gestellt haben.

Im Rahmen ihrer antiimperialistischen Politik mussten die maoistischen Gruppen in Deutschland nach antiimperialistischen und antisowjetischen Gruppen suchen – und davon gab es nicht viele. So wurden die roten Khmer zum wichtigsten Bezugspunkt. Joschma Schmierer berichtete begeistert von seinem Besuch bei Pol Pott. (Und man darf nicht vergessen, dass Pol Pott gegen jene vietnamesische Armee kämpfte, die Schmierer wenige Jahre zuvor im Rahmen der Studentenbewegung unterstützt hatte.) Ein weiterer Bündnispartner der deutschen Maoist*innen war die ZANU-PF in Simbabwe.

Fußnoten
(12) Frank D. Karl: Die K-Gruppen. Kommunistischer Bund Westdeutschland, Kommunistische Partei Deutschlands, Kommunistische Partei Deutschlands/Marxisten-Leninisten. Entwicklung, Ideologie, Programme. 1976.

Im fünften Teil beschäftigten wir uns mit dem Untergang der K-Gruppen.

Mehr zum Thema