“Wer sich als Rentner:in mit kämpfenden Arbeiter:innen verbündet, trägt zur übergreifenden Solidarität bei”

27.07.2021, Lesezeit 6 Min.
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Foto: PakulinSergei / Shutterstock.com

Wer sein ganzes Leben hart gearbeitet hat, bekommt beim Blick auf die Rentenzahlung Tränen in den Augen. Altersarmut ist die Konsequenz eines unsozialen Rentensystems und niedriger Löhne. Unser Gastautor plädiert in seinem Erfahrungsbericht für einen generationsübergreifenden Kampf von Jugendlichen, Beschäftigten und Rentner:innen für gute Renten und gegen Niedriglöhne.

In Deutschland ist die Rente eine wichtige finanzielle Grundlage für das Leben im Alter, oder besser gesagt, nach dem Arbeitsleben. Trotzdem habe ich mir kaum Gedanken über meine Rente gemacht, solange ich beschäftigt war. Der Lohn war ja so halbwegs in Ordnung 1.900 Euro netto, es hätte natürlich generell mehr sein können. Hat soeben noch die Gewerkschaft zum Streik aufgerufen, um Lohnverbesserungen zu erkämpfen, war das Ergebnis dessen mal nicht so prickelnd. Und nun der Ruhestand!

Wer freut sich nicht, wenn es endlich geschafft ist, den täglichen Gang zur Arbeit beendet zu haben. Freude auf die Enkel, Freude auf ausgedehnte Spaziergänge oder aber Freude auf etwas mehr Ruhe im Leben. Doch diese Freude währt nicht lange, wenn die erste Rentenzahlung auf dem Konto gelandet ist. Da hat man 40, 45 oder sogar 47 Jahre gerackert, um dann Tränen in den Augen zu bekommen.

Ja, so ist das, denn das deutsche Rentengesetz basiert auf Grundlage des monatlichen, jährlichen Bruttoeinkommens. Bei obengenanntem Nettolohn ist man im Durchschnitt bei ca. 2.700 Euro brutto und jährlich bei 32.400 Euro. Wer noch Urlaubs- oder Weihnachtgeld bekommt hat dann einen kleinen Obolus mehr. Aber trotzdem reicht es nicht annähernd an die Jahressumme für einen Rentenpunkt (Entgeltpunkt). Und folgende Frage kommt früher oder später sowieso: Wie viel Rente bekomme ich?

Das wird in einem komplizierten System aus den Entgeltpunkten, dem Zugangsfaktor, dem aktuellen Rentenwert und dem Rentenartfaktor berechnet. Die Entgeltpunkte sind die Anzahl der Rentenpunkten, die über das Arbeitsleben abhängig vom Einkommen gesammelt werden, der Zugangsfaktor ergibt sich aus dem Renteneintrittsalter, der aktuelle Rentenwert entspricht dem von der Regierung jährlich aktualisierten Beitrag eines Entgeltpunktes und der Rentenartfaktor bestimmt sich anhand der Rentenart.

Sieht auf den ersten Blick etwas katastrophal aus, ist aber so gewollt vom Gesetzgeber, damit nicht gleich jeder hinter den Trick des Rentenbetrugs kommt. Das wichtigste sind die Rentenpunkte, denn diese beeinflussen direkt die Höhe der Rente! Nun zum besseren Verständnis (der Einfachheit halber werden der Zugangsfaktor und der Rentenartfaktor nicht betrachtet):„Die Entgeltpunkte (EP), auch Rentenpunkte genannt, sind so wichtig für die Berechnung der gesetzlichen Rente, da sie die individuelle Leistung des Versicherungsnehmers mit der durchschnittlichen Einkommenssituation in Deutschland (41.541 Euro im Jahr 2021) ins Verhältnis setzen. Die Rentenpunkte errechnen sich also aus dem versicherten Arbeitsentgelt.“

40.551 Euro im Jahr 2020!

Im Klartext heißt das also: „Wer in der gesetzlichen Rentenversicherung versichert ist, erhält für jedes Kalenderjahr, in dem er Beiträge entsprechend des Durchschnittsverdienstes aller Arbeitnehmer zahlt, einen vollen Entgeltpunkt. Personen, deren Verdienst höher oder niedriger ausfällt, erhalten entsprechend einen höheren oder niedrigeren Entgeltpunkt-Wert.“

Um beim oben genannten Jahresverdienst zu bleiben und das Jahr 2020 zu Grunde zu legen, erhält derjenige lediglich 0,799 Entgeltpunkte für das Jahr 2020. Diese oben angeführten durchschnittlichen Einkommen beruhen auf den Ergebnissen der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen. Der Rentenwert, der immer noch nach 31 Jahren der Einheit Deutschlands ein Ost-Westgefälle beinhaltet, wird ebenfalls vom Bund berechnet.
Hinzuzufügen ist noch, dass alle Rentenberechnungen den Bruttowert ergeben, der Sozialbeitrag von 11% muss immer erst noch abgezogen werden. Zusätzlich obliegt die Rente einer Besteuerung, die von Jahr zu Jahr mehr wird. Der Rentenfreibetrag ist abhängig vom Beginn der Rente, er beträgt in 2021 für Alleinstehende 9.744 Euro, hinzu kommt nach dieser Tabelle der Anteil des Rentenfreibetrages.

Wichtig für alle Arbeiter:innen und Angestellten, egal ob TV-L, TVöD oder TV-N oder andere Löhne, wenn der jährliche Durchschnittslohn nicht erreicht wird, sollten alle Arbeiter:innen mit den Rentner:innen und Jugendlichen in solidarischer Verbundenheit in den Streik treten können, mit der Forderung einer steuerfreien Rente.

Was hat das ganze nun mit der Lüge der Rentenerhöhung 2021 zu tun?

Die Rentenbeträge erlebten in diesem Jahr eine Nullrunde im Westen und eine 0,72%-Erhöhung im Osten, die mit einer schwachen Lohnerhöhung der Arbeiter:innen und Angestellten begründet werden. Dem steht entgegen, dass von 2018 zu 2019 eine Erhöhung der Jahresdurchschnittseinkommen von 2,85%, zu 2020 von 3,18% und zu 2021 immerhin noch 2,25% stattfand. Diese Veränderungen werden jedoch nicht an die Rentner:innen weitergegeben, die mit immer weniger Realeinkommen über die Runden kommen müssen.

Von daher hat das Wort Solidarität mehr Wert denn je, denn wer heute auf Lohnerhöhung verzichtet oder Arbeitszeitreduzierung mit Lohnabsenkung sich gefallen lässt, der steuert fast freiwillig auf eine niedrigere Rente zu. Für die Einheit der Arbeiter in Ost und West, für die Einheit der Rentner in Ost und West, für die Einheit der Jugend in Ost und West gilt der gemeinsame Kampf! Wer sich als heutiger Rentner:in verbündet mit den kämpfenden Arbeiter:innen und Angestellten trägt zur übergreifenden Solidarität bei.

Und nun noch mal Klartext: „Für eine Modellrechnung geht man von einem Versicherten aus, der von Anfang 1976 bis Ende 2020 – also 45 Jahre lang – immer genau das Durchschnittsentgelt aller Versicherten erhielt und dafür auch Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung zahlte. Für diesen Zeitraum haben der Versicherte und sein Arbeitgeber rund 221 500 Euro als Gesamtsumme aller Beiträge gezahlt.“

Zum Nachrechnen: 45 Arbeitsjahre, immer einen Entgeltpunkt sind 45 EP x aktueller Rentenwert von 34,19 ergibt eine Bruttorente von monatlich 1.538,55 Euro! Das heißt in 10 Jahren ohne Erhöhungen 184.626 Euro!!
BMW hat in 2019 runde 5 Milliarden Euro Gewinn erzielt, davon bekamen die BMW-Erben Susanne Klatten und Stefan Quandt 769 Millionen Euro! Dies würde für über 4.000 Rentner über 10 Jahre reichen.
Diesen Unterschied sollten Arbeiter:innen und Angestellte erkennen und in ihren zukünftigen Arbeitskämpfen als Forderungen einfließen lassen, ebenso ist es unabwendbar dies mit den Tarifkommissionsmitgliedern und Vertrauensleuten zu diskutieren.

Dies heißt, wer heute den Kapitalismus verteidigt, wird dafür sorgen, dass morgen mehr in Armut leben, obwohl es für die Kapitalist:innen noch mehr Reichtum geben wird.

Von daher ist der Kampf für echten Sozialismus von großer Bedeutung für die Zukunft, es ist erforderlich, dass sich so viele wie möglich an der „unteilbar-Demo“ am 04.09.2021 in Berlin beteiligen, um mit der Jugend, mit den Arbeiter:innen, mit den Rentner:innn und mit allen anderen Unterdrückten den Protest auf die Straße zu tragen!

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