Wer ist wer im neuen „Kabinett Merkel IV“?
Am Mittwoch wird der Bundestag Angela Merkel zur Kanzlerin wählen und die neue Bundesregierung wird gebildet. Das sind die 16 Menschen, die die Geschäfte des deutschen Kapitals vier lang Jahre verwalten dürfen.
Am Montag wurde der Koalitionsvertrag zwischen Union und SPD nach 169 Tagen unterschrieben. Die neue Bundesregierung ist im Vergleich zur letzten Großen Koalition geschwächt und hat nicht mehr die 2/3-Mehrheit im Parlament. Während die SPD Ministerien wie Finanzen, Auswärtiges und Arbeit stellt, bekommen die Unionparteien Inneres, Wirtschaft sowie Verteidigung.
Die Ausgangslage für die traditionellen Parteien der Großen Koalition ist kompliziert: Sowohl Union als auch SPD sind durch innerparteiliche Konflikte und durch eine schrumpfende Wähler*innenbasis geschwächt. Die AfD als stärkste Oppositionspartei wird die Regierung ständig von rechts unter Druck setzen und damit Konflikte in und zwischen den Regierungsparteien provozieren. Außenpolitisch sorgen die andauernde Krise der EU und der drohende Handelskrieg mit den USA, sowie die für das deutsche Kapital immer notwendiger werdende militärische Aufrüstung der Bundeswehr für erhöhte Spannungen. All das sorgt dafür, dass die deutsche Regierung instabiler wird – und somit das ganze Regime.
Eine aggressivere Außenpolitik, mehr Repression im Inneren und erneute Angriffe auf die Arbeiter*innenklasse sind zu erwarten. Hier sind die prominenten Mitglieder des neuen Kabinetts, die diese Politik durchsetzen werden.
Angela Merkel (CDU) – Bundeskanzlerin
Olaf Scholz (SPD) – Finanzen/Vizekanzler
Nachdem er bei den G20-Protesten mit brutaler Repression gegen Demonstrant*innen seine Treue zum Kapital „bewiesen“ hat, soll er jetzt die Geschäfte der Bourgeoisie verwalten. Laut einer Umfrage der „Zeit“ hat die SPD Hamburg seit den Wahlen im Jahr 2015 fast 20 Punkte verloren und liegt momentan bei 28 Prozent. Es war für seine politische Karriere nötig, aus der Stadt zu fliehen.
Olaf Scholz ist – wie Wolfgang Schäuble (CDU) vor ihm – ein Fanatiker der schwarzen Null. Er will keine neuen Schulden und will mit der bisherigen Politik weitermachen. Das bedeutet vor allem, dass die Finanzierung der großen Projekte der Koalition wie die Aufrüstung der Bundeswehr anderweitig zustande kommen muss, etwa durch weitere Kürzungen und Privatisierungen im öffentlichen Dienst.
Wie Scholz und Merkel zu den Plänen des französischen Präsidenten Macron über einen europäischen Finanzminister und einen gemeinsamen Haushalt stehen, ist unklar. Was aber im Koalitionsvertrag feststeht, ist Deutschlands Ziel, den Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) zu einem Europäischen Währungsfonds (EWF) auszubauen. Der ESM ist Teil des „Euro-Rettungsschirms“ und dient vor allem dazu, die Kreditvergabe an die überschuldeten Staaten zu kontrollieren. Kein Wunder, dass die Idee des Währungsfonds von Schäuble kam. Der Plan soll dazu dienen, die Finanzierung der Kredite für andere Investor*innen attraktiver zu machen und Spardikdate im Rahmen der EU leichter durchzusetzen.
Auswärtiges – Heiko Maas (SPD)
Auch wenn die deutsche Außenpolitik angesichts von Donald Trump und dem Streben nach mehr Eigenständigkeit vor großen Herausforderungen steht, sind einige Konstanten zu erwarten:
Die guten Beziehungen mit dem NATO-Partner Türkei sollen fortgesetzt werden, um durch Waffenexporte weiterhin Profite machen und syrische Geflüchtete von Europas Grenzen fernhalten zu können. Auch wird er die Türkei in ihrem Krieg gegen die Kurd*innen in Afrin weiterhin unterstützen. Imperialistische Pläne Deutschlands wie der „Marshall-Plan für Afrika“ sollen ebenfalls fortgesetzt werden, um die afrikanischen Märkte noch weiter für das deutsche Kapital zu öffnen.
Ein zentrales Thema für das deutsche Kapital und dementsprechend für seinen auswärtige Vertreter Maas werden die angekündigten Strafzölle der USA sein. Die EU deutete an, dass sie erst versuchen werden, eine „diplomatische“ Lösung zu finden. Vor allem für Deutschland ist ein Handelskrieg wegen seines Export-Modells sehr gefährlich.
Inneres, Heimat, Bau – Horst Seehofer (CSU)
Ferner will Horst Seehofer „null Tolerenz gegenüber Straftätern“. Durch seine repressive Politik in Bayern, besonders die Kriminalisierung der Migrant*innen, hat er sich als geeignet für seinen Posten erwiesen. Zu erwarten sind weitere Angriffe auf die kurdische Bewegung und die Linke, sowie mehr Befugnisse und bessere Ausstattung der Polizei bundesweit.
Dass die CSU das Innenministerium bekommen hat, zeigt auch die Schwächung der Merkel-Fraktion innerhalb der Union. Die politischen Differenzen zwischen CDU und CSU, die sich in den letzten Jahren besonders bei der Asylpolitik gezeigt hat, werden sich noch weiter offenbaren. Jedoch hat Merkel keine Option, als die Politik von Seehofer zu akzeptieren.
Gesundheit – Jens Spahn (CDU)
Spahn legitimiert ein perfides System: Erst werden Millionen von Menschen von Hartz IV abhängig gemacht und zum Hungern gezwungen, und danach wird die geschaffene Armut zum Argument gegen die Migrant*innen gemacht, indem sie wie in Essen von der „Tafel“ ausgeschlossen wurden. Die Anzahl der Tafeln hat sich seit der Einführung der Hartz IV verdoppelt.
Es ist nicht verwunderlich, dass ein bürgerlicher Lobbyist, der allein vom Staat für seine Lobbytätigkeiten im Parlament monatlich über 10.000 Euro bekommt, so etwas sagt.
Spahn gilt als Gesundheitsexperte der CDU. Seine „Qualifikation“ stammt vor allem von seiner engen Beziehung mit der Pharmaindustrie: Von 2006 bis 2010 arbeitete er in einer Lobbyagentur für Pharmaklienten namens „Politas“, während er in einem Gesundheitsausschuss des Bundestags war. Lobbyist*innen wie er verteidigen die schmutzigen Geschäfte der Pharmaindustrie, sowie den Ankauf von US-Agrarchemie-Konzern Monsanto durch Bayer für 62 Milliarden Dollar auf Kosten der Gesundheit Millionen von Menschen.
Und jetzt ist dieser neoliberale Lobbyist Bundesminister für Gesundheit geworden.
Er hat aber auch einige andere „Nebentätigkeiten“, zum Beispiel ist er Mitglied der „Deutschen Atlantischen Gesellschaft“, die Werbung für NATO und Lobbyarbeit für die Beteiligung von Bundeswehr an den Auslandseinsätzen von NATO macht.
Wirtschaft und Energie – Peter Altmaier (CDU)
Altmaier, der als kommissarischer Finanzminister die Politik der Schwarzen Null fortsetzte, will „sicherstellen“, dass die Arbeit von Schäuble fortgeführt wird. Sorgen braucht er sich da nicht zu machen, da Olaf Scholz ganz und gar auf seiner Linie ist: Sparen, Kürzen, Privatisieren.
Altmaier will auch den deutschen Markt für das 21. Jahrhundert „wetterfest“ machen, also die Profite der Kapitalist*innen bei Krisen sichern. Wie er das etwa machen will, können wir uns aus den vergangenen Erfahrungen vorstellen: Steuererleichterungen für Großbetriebe und mehr prekäre Arbeitsplätze. Er gibt auch grünes Licht für weitere Privatisierungen mit seiner Vision von „so viel Markt wie möglich“.
Seine größte Aufgabe im Auftrag des deutschen Kapitals wird es sein, eine mögliche Handelskrise mit den USA zu verhindern.
Arbeit und Soziales – Hubertus Heil (SPD)
Heil zählte seinerzeit zu den größten Befürwortern der Agenda 2010 und gehört eher dem rechten Flügel der SPD an.
Justiz und Verbraucherschutz – Katarina Barley (SPD)
Ernährung und Landwirtschaft – Julia Klöckner (CDU)
Verteidigung – Ursula von der Leyen (CDU)
Sie will eine Europäische Armee aufbauen und aus der EU eine „echte“ Verteidigungsunion machen, um die imperialistische Interventionen effizienter zu machen und militärisch gegen Russland besser stehen zu können.
Auch für den Irak hat sie weitere Pläne. Der dortige Bundeswehreinsatz soll auf den ganzen Irak ausgeweitet werden und für eine „langfristige Stabilisierung“ sorgen. Da der Kampf gegen IS zu einem Ende kommt und die Legitimation für den Einsatz nicht so groß wäre wie früher, will das deutsche Kapital einen längerfristigen Plan ausarbeiten.
In das „sichere“ Herkunftsland Afghanistan soll mehr Soldaten geschickt werden. Das gleiche gilt für andere Einsätze Deutschlands in Mali, Sudan und im Mittelmeer, wofür mit Serien und Videospielen Kriegspropaganda gemacht wird.