Wer ist Boris Pistorius?
Boris Pistorius, der bisherige Innenminister von Niedersachsen, wird neuer Verteidigungsminister. Nun soll dieser in engerer Arbeit mit der Bundeswehr die "Zeitenwende" stärker vorantreiben. Doch wer ist Pistorius?
Mit dem Rücktritt der Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) wurde am 17. Januar Boris Pistorius (SPD) als ihr Nachfolger angekündigt und schon am 19. Januar soll er vereidigt werden. Ein neuer Mann führt nun militärisch die “Zeitenwende” des Bundeskanzlers, die von Aufrüstung, Kriegswillen und eurozentristischer Wertebeschwörung gezeichnet ist. Und auch wenn die Besetzung dieses Amtes mit einer Frau bloß symbolischen Charakter für die bürgerliche Gesellschaft hat und keinesfalls eine feministische Wirkung entfalten kann, wie wir bei der Außenministerin zu sehen bekommen, so fällt mit dem Paritätsversprechen die offensichtlichste Illusion einer progressiven Aufmachung. Doch wer ist Boris Pistorius und was kann man von ihm erwarten? Und was verrät seine Wahl als Verteidigungsminister über die Ampelkoalition, vorne weg die SPD?
Bisher besetzte Pistorius die Position des niedersächsischen Innenministers. Schon seine Mutter war für die SPD Mitglied des niedersächsischen Landtages. Als Mitglied des Parteivorstandes der SPD ist Pistorius trotz seiner verhältnismäßig geringen Bekanntheit zentraler und langjähriger Kernbestandteil der Regierungspartei. Seit Langem versucht Pistorius auf die bundespolitische Bühne zu gelangen. Seine bisherige Arbeit zeichnet dabei ein klares Bild von ihm ab: Seine Politik und seine Haltungen sind autoritär geprägt und zeichnen sich insbesondere durch ein großes Verlangen nach Kontrolle aus.
Überwachung steht bei ihm an zentraler Stelle. So vertritt er das Verlangen nach einer europäischen Grenzschutzpolizei, einer transnationalen Europa-Polizei – beispielsweise durch die Verfügung von Exekutivmitteln für Europol – und nach stärkerer Kontrolle des Internets durch die Pflicht zur Bekanntmachung des eigenen Namens für die Nutzung von sozialen Medien für eine bessere polizeiliche Verfolgung. Auch sein Versuch, die NPD zu verbieten, sollte nicht als eine Bekämpfung rechter Strukturen angesehen werden. Nicht nur, weil ein bloßes Verbot nichts bewirkt, sondern vielmehr, weil es Pistorius lediglich um die bürgerliche Sicherheits- und Mäßigungstugend geht.
An Personen wie ihm erkennt man, dass die Grenzen zwischen den ehemaligen GroKo-Parteien in einer „extremen Mitte“ verschwimmen. Zum rechten Rand der SPD gehörend könnte er ebenso gut der CDU angehören und hat dementsprechend Projekte mit ihr gestaltet und teilt konservative Positionen. Pistorius verbindet eine zum Teil – dem Anschein nach – fortschrittliche Politik, die allerdings durch Relativierung ins Gegenteil fällt. So befürwortet er den Familiennachzug bei Migrant:innen, aber Kommunen dürfen nicht überfordert werden– was nach Pistorius heißt, mehr und schneller abzuschieben und diese Abschiebungen durch ausbleibende Ankündigungen zu garantieren. Daten sollen nicht grundlos von Behörden abgefragt werden können, aber dafür soll so viel wie möglich Langzeit gespeichert werden. Antifaschistische Gruppierungen sollen toleriert werden, aber in vollem Maße sanktioniert werden, sobald sie sich nicht an die von ihnen bekämpfte Ordnung halten.
Neuer Minister für schärferen Kurs?
Der Blick auf Pistorius ’ bisherige parteipolitische Arbeit zeigt ihn als einen Mann der Kontrolle. So ist es nicht überraschend, ihn anschließend an seine Rolle als Innenminister, auch als Verteidigungsminister zu sehen. Denn wie besser Kontrolle ausüben als mit der Befugnis über die Bundeswehr?
Dieser sieht sich Pistorius nahe. Zum einen diente er selbst in der Bundeswehr. Zum anderen suchte er schon in der Vergangenheit den Kontakt zu ihr und stand für ihre Stärkung ein. So wurden auf seinen Vorschlag hin Milliarden Euro in den bundesweiten und niedersächsischen Katastrophenschutz investiert, die letzten Endes eine weitere finanzielle Stützung der Armee bedeutet und zeigt, dass der neue Verteidigungsminister Vorbereitungen für einen ausufernden Krieg einleitet. Ebenso konnte Pistorius als Innenminister viele Erfahrungen in der Verwaltung der amerikanischen Militärstützpunkte sammeln. Er ist bewandert mit der westlichen Kriegsmaschinerie und steht auf jeder Linie mit der NATO, deren Existenz für ihn der Schutzwall des Westens ist.
Es zeigt sich also: Mit Pistorius als neuen Verteidigungsminister verfestigt die Ampelkoalition einen militaristischen und auf Kontrolle ausgelegten Kurs, auf dem sich auf geopolitische Kämpfe eingelassen wird. Mit seinem neuen Verteidigungsminister eicht sich die deutsche Regierung in geistiger Solidarität mit ihrer Opposition auf ein Europa, dass sich in seiner Macht behaupten will. Europa und Deutschland will den Krieg in der Ukraine gewinnen, das heißt: Kapitalinteressen mit der Waffe in die Welt tragen. Die deutsche und europäische Ordnung zu verteidigen heißt: Imperialismus, Rassismus und Überwachung festigen. Mit Boris Pistorius hat Olaf Scholz nun endlich den Mann in das Verteidigungsministerium bringen können, der dies unbescholten umsetzen wird.