Wer feministisch ist, muss gegen den Krieg kämpfen

Leitartikel: Die kommende Merz-Regierung will uns auf noch mehr Krieg einstimmen. Um das zu finanzieren, werden harte Angriffe auf Soziales, Gesundheit und Bildung nötig sein, ebenso wie nationalistische und rassistische Hetze. Dem müssen wir eine antiimperialistische und feministische Antwort entgegensetzen.
Der diesjährige feministische Kampftag am 8. März findet während eines historischen Umbruchs der Weltlage statt. Als Antwort auf den militärischen Rückzug der USA aus der Ukraine schlagen CDU und SPD gemeinsam ein massives Aufrüstungsprogramm vor und wollen den Militärhaushalt dauerhaft von der Schuldenbremse ausnehmen. Insgesamt stehen gigantische Zahlen von 400 bis 800 Milliarden Euro im Raum. Auch auf europäischer Ebene, angeführt von Großbritannien und Frankreich, wird mit einer „Koalition der Willigen“ ein historisches Aufrüstungsprogramm angestoßen, um sich selbst, aber auch die Ukraine stärker zu bewaffnen und die eigene Unabhängigkeit gegenüber des US-Imperialismus zu stärken. Ursula von der Leyen, die Präsidentin der Europäischen Kommission, spricht dabei von 800 Milliarden Euro. Merz‘ Schlachtruf bei der Verkündigung dieser neuen Kriegskredite ist dabei unmissverständlich: „Whatever it takes!“ („Was auch immer es braucht!“).
Diese immense Aufrüstung wird im Umkehrschluss massenhafte Kürzungen im Haushalt bei Sozialem und Gesundheit – stark feminisierte Sektoren – bedeuten und macht eine kämpferische, antimilitaristische feministische Bewegung notwendig, die international an der Seite der Arbeiter:innenbewegung Widerstand gegen die Militarisierung organisiert.
Kürzungen greifen Frauen und Queers an
Wer 500 Milliarden oder mehr für die Bundeswehr ausgeben will, muss den Hahn an anderer Stelle zudrehen. Schon jetzt sehen wir deshalb enorme Kürzungen im Sozialen, die mit der neuen Bundesregierung nur noch an Intensität zunehmen werden. In Berlin wird massiv bei der Bekämpfung von patriarchaler Gewalt gekürzt: So streicht der Senat aus CDU und SPD in Zuwendungsprojekten der Gewaltprävention und Betroffenenhilfe fast 40 Prozent der Mittel, fast 4,5 Millionen Euro, zusätzlich zu den 50 Millionen Euro für die Tariferhöhungen der Mitarbeiter:innen. Nimmt man zu den Kürzungen in überfüllten und kostenpflichtigen Frauenhäusern noch die desaströse Wohnsituation in Großstädten, so ist es Frauen in gewalttätigen Beziehungen kaum möglich, diesen zu entfliehen. Gleichzeitig wird in Berlin das einzige Frühpräventionsangebot zu patriarchaler Gewalt an Grundschulen gestrichen. Die Kürzungspolitik trägt somit unmittelbar Mitschuld am Anstieg patriarchaler Gewalt.
Auch bei Projekten für Jugendliche und Queers wird gekürzt. Jugendzentren werden geschlossen, queere Projekte und Beratungsstellen gestrichen und Kultur- und Freizeitangebote, die größtenteils von Arbeiter:innenkindern genutzt werden, fallen einfach weg.
Die letztes Jahr verabschiedete Krankenhausreform von Lauterbach sieht einen immensen Zentralisierungs- und Schließungsplan von Krankenhäusern vor. Das stellt die überwiegend weiblichen Arbeiter:innen vor große Planungsunsicherheit und direkt in die Gefahr von Arbeitslosigkeit und Armut, denn sie können ihre Jobs durch Schließungen von Kliniken von einem auf den anderen Tag verlieren. Und auch Patient:innen müssen eine Verschlechterung der Versorgung befürchten, wie es exemplarisch mit der dauerhaften Schließung des Kreißsaales München-Neuperlach geplant ist. Gebärende müssen durch die Zusammenlegung der Kreißsäle im Krankenhaus Harlaching durch die halbe Stadt fahren, bis sie versorgt werden können, was vor allem ärmere Familien hart treffen wird.
Mit den hunderten Milliarden weiterer Kriegskredite, die geplant sind, werden die Angriffe auf feminisierte Sektoren wie auf die gesamte Arbeiter:innenklasse exponentiell zunehmen. Es ist daher von größter Wichtigkeit, mit Massenmobilisierungen, Streiks und Blockaden die Aufrüstungspläne zu stoppen.
Zum Weiterlesen: Nieder mit den neuen Kriegskrediten!
Der Krieg braucht die Disziplinierung von Frauen und Queers
Die Angriffe auf die Rechte von Frauen und queeren Menschen rühren nicht aus der frauenfeindlichen Geisteshaltung der regierenden Männer her, sondern folgen materiellen Interessen des Kapitals und seines Staates. Um in Zukunft erfolgreich Krieg führen zu können, braucht es sowohl Soldat:innen als auch Arbeiter:innen, die die Panzer und Artilleriegranaten in den Fabriken von Rheinmetall und Co. zusammenschrauben. Der demographische Trend entwickelt sich dafür jedoch in die falsche Richtung, weshalb die rechten Kriegstreiber allen Lebens- und Familienmodellen, die von Vater, Mutter und möglichst vielen Kindern abweichen, den Kampf angesagt haben.
Die Berliner Kürzungspolitik ist ein Paradebeispiel der Prioritäten des deutschen Imperialismus und eine Facette, wie sich die fortschreitende Militarisierung Deutschlands auf das Leben von Frauen und queeren Menschen auswirkt. Durch den Wegfall der sozialen Angebote wird die Belastung durch Reproduktionsarbeit wieder vermehrt in die Kleinstfamilie verlagert. Dort sind es vor allem Frauen, die diese Aufgaben übernehmen. Die Kürzungen treffen sie also gleich doppelt.
Antifeminist Merz steht vor Machtübernahme
Der künftige Kanzler Friedrich Merz von der CDU ist ein lupenreiner Sexist. In den 1990er Jahren hatte der ehemalige Finanzlobbyist von Blackrock noch im Bundestag dafür gestimmt, dass Vergewaltigung in der Ehe straffrei bleiben sollte. Auch für die nun anvisierte Koalition zwischen CDU und SPD ertönen schon die ersten antifeministischen Angriffe im Stile von Donald Trump. Merz ist großer Fan von Trumps Plänen, offiziell nur noch zwei Geschlechter anzuerkennen, was einen direkten Angriff auf nicht-binäre Menschen sowie die gesamte LGBTQI+-Community bedeuten würde. Vorläufer davon sehen wir schon im Verbot inklusiver Sprache an bayerischen Schulen und Universitäten.
Außerdem wurde von der Merz-CDU schon vor den Wahlen angekündigt, dass man das von der Ampel verabschiedete Selbstbestimmungsgesetz so ändern möchte, dass Jugendlichen eine angestrebte Transition massiv erschwert werden soll. Unter dem Vorwand des „Schutzes von Kindern“ wird Jugendlichen ihre körperliche Selbstbestimmung abgesprochen.Jugendliche trans Personen sind, wenn ihnen die Selbstbestimmung verwehrt wird, stärker suizidgefährdet oder erleiden psychische Erkrankungen.
Zudem müssen Frauen und queere Menschen mit immer härteren Angriffen auf ihre körperliche Autonomie rechnen. Die Ampel-Regierung hat die angekündigte Streichung des Abtreibungsparagraphen 218 nicht umgesetzt. Entgegen den Angriffen der Rechten kämpfen wir für das volle Recht auf körperliche und geschlechtliche Selbstbestimmung – darunter die kostenfreie und unbürokratische medizinische Versorgung bei Geschlechtsangleichung, und die komplette Kostenübernahme derer. Wir fordern Aufklärungskampagnen über sexuelle Selbstbestimmung in Schulen und die ersatzlose Streichung von §218!
Weibliche Erstwähler:innen für die Linke – und dann?
Bei den Wahlen haben wir neben dem Erfolg der AfD mit 20,8 Prozent, die gerade bei jungen Männern beliebt ist, auch eine starke Polarisierung nach links innerhalb der Jugend feststellen können, vor allem unter jungen Frauen. Fast 35 Prozent der weiblichen Erstwähler:innen haben die Linkspartei gewählt, denn sie hat es nach der gemeinsamen Abstimmung von CDU, FDP, BSW und AfD über das Zustrombegrenzungsgesetz geschafft, sich als einzige antifaschistische Kraft im Bundestag zu präsentieren – symbolisch zusammengefasst in der Rede der Spitzenkandidatin Heide Reichinnek im Bundestag, wo sie aufrief, gegen Rechts „auf die Barrikaden“ zu gehen. Dabei schien das Angebot der Linkspartei wohl deutlich feministischer als die Abschiebeoffensiven von CDU, FDP, BSW und AfD, hinter die sich Grüne und SPD schnell einreiten, um koalitionsfähig mit der CDU zu bleiben. Doch es gibt hier auch einen großen Widerspruch: Die Linke schwieg im Wahlkampf beharrlich zum andauernden Genozid in Gaza, in dem zehntausende Frauen und Kinder getötet und Hunderttausende verletzt wurden, während die gesamte Infrastruktur der Daseinsvorsorge vollständig zerstört wurde. Ohne einen Kampf gegen den Genozid ist Feminismus undenkbar.
Der feministische Kampf bedeutet, sich den Regierungen entgegenzustellen, die hunderte Milliarden für die Aufrüstung und der Kriminalisierung von Migrant:innen einsetzen, während marode Schulen, geschlossene Krankenhäuser und gestrichene Projekte das Leben der Arbeiter:innen und Jugend prägen.
Die Hoffnung unserer Klasse sollte jedoch nicht auf dem propagierten Kampfgeist der Linkspartei ruhen. Als direkt nach den Bundestagswahlen die Diskussion um die Lockerung der Schuldenbremse losbrach, signalisierte die Linkspartei sofort ihre Bereitschaft, dieses Vorhaben mitzutragen, solange auch ein bisschen Geld für ihre sozialen Anliegen dabei rausspringen würde. Ob in der Position zur NATO, dem Waffenlieferungen an die Ukraine oder dem Genozid in Gaza – die Spitze der Linkspartei ordnet sich stets den Interessen des deutschen Imperialismus unter, im Austausch für ein paar Sitze im Parlament. Wenn Die Linke es mit der Opposition gegen die Aufrüstungspläne ernst meint, reicht es nicht, im Bundestag dagegen zu stimmen und gegebenenfalls vor das Bundesverfassungsgericht zu ziehen.
Unsere Perspektive muss der Kampf auf der Straße und in den Betrieben sein. Die Mobilisierungen gegen das Zustrombegrenzungsgesetz haben gezeigt, welche politische Kraft die Massen entwickeln können. Wir müssen dieses Potenzial nutzen und uns gemeinsam mit allen Arbeiter:innen und Unterdrückten, die gegen die Zusammenarbeit von Merz und AfD auf die Straße gegangen sind, den Kampf gegen Rechts zuspitzen und der Aufrüstung den Kampf ansagen. Dafür wird es auch nötig sein, sich unabhängig von bürgerlichen Parteien und Gewerkschaftsbürokratie selbst zu organisieren. Nur so können wir verhindern, dass unser Kampf gegen Krieg und Kürzungen abgewürgt wird.
Wir wollen aber nicht nur Angriffe zurückschlagen. Wir kämpfen für echte feministische Befreiung und das bedeutet für uns, für eine sozialistische Perspektive einzustehen, denn nur so können wir sicherstellen, dass kein Friedrich Merz in der Lage sein wird, unsere Selbstbestimmung, unsere Projekte und Räume, und unsere Leben zu gefährden.
Zu den Bundestagswahlen haben Leonie Lieb und Inés Heider (RIO) bereits als sozialistische Feminist:innen kandidiert, um feministische Kämpfe bekannter zu machen. Doch für uns geht der Kampf nach den Wahlen erst richtig los. Wir setzen uns zum Ziel, eine Bewegung gegen den Rechtsruck und die kommende Regierung mit ihrer Aufrüstung, Kürzungspolitik und den Rassismus zu organisieren. Dabei vertrauen wir nicht auf staatliche Institutionen, sondern auf unsere eigene Kraft als Frauen, Queers, Jugendliche und Arbeiter:innen, die ihre Kämpfe selbst organisieren.
Lasst uns gemeinsam am 8. März gegen die Aufrüstung, die Kürzungspolitik, den Anstieg patriarchaler Gewalt und den anhaltenden Genozid in Gaza demonstrieren und die kommenden Streiks der Krankenhausbeschäftigten und im öffentlichen Dienst unterstüzen, wenn durch die Lauterbach-Reform neue Schließungen und Entlassungswellen drohen oder Projekte einfach weggekürzt werden.
Schließ dich uns an!
Komm mit Klasse Gegen Klasse auf die Demos zum 8. März
Berlin:
Gewerkschaftsdemo: 12 Uhr, Treffpunkt: Oranienplatz, Ecke Naunynstraße
Demo „Until Total Liberation“: 15 Uhr, Oranienplatz
München:
15:30 Uhr, Fischbrunnen, Marienplatz
Münster:
14 Uhr, Stubengasse
Bremen:
15 Uhr, Marktplatz