Wenn selbst das Minimum noch zu viel ist – der bayerische Corona-Pflegebonus

05.09.2020, Lesezeit 4 Min.
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Der angekündigte Corona-Bonus für bayerische Pflegekräfte war ohnehin nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Leider wird sogar hier gespart, und auch die anderen Parteien haben kein Interesse daran, den Bonus für alle Krankenhausbeschäftigten durchzusetzen.

Am 7. April beschloss das bayerische Kabinett einen Pflegebonus für die Arbeiter*innen, die in den Krankenhäusern gegen Corona kämpfen. “Um ein Zeichen der Anerkennung für das Engagement der Pflegekräfte in der Corona-Krise zu setzen.” Für die betroffenen Arbeiter*innen war klar, dass diese kleine Aufmerksamkeit nicht viel mehr sein kann als das. Unangetastet bleiben Probleme wie schlechte Löhne, lange Arbeitszeiten und Personalmangel – der Bonus ist weit entfernt von einem echten Programm gegen die Krise.

Als es dann um die konkrete Umsetzung ging, stellte sich schnell eine gewisse Ernüchterung ein: Die versprochenen 500 Euro gelten nur einmalig für Vollzeitkräfte, für Azubis und Teilzeitkräfte gibt es 300. Ein Betrag, der besonders in Städten wie München nur eine sehr kurze Freude machen kann. Und leider auch nur für einen Bruchteil der Beschäftigten, sogar der Pfleger*innen, die durch Corona mehr belastet und in Gefahr gebracht wurden und werden, gilt. Zu den ausgeschlossenen Fachbereiche gehören unter anderem Anästhesiepflege, OP-Pflege, Geburtshilfe und alle Krankenhaus-Mitarbeiter*innen, die keine Pfleger*innen sind, wie beispielsweise Erzieher*innen auf Station. Und das obwohl sie ebenso unter Mehrbelastung und fehlendem Schutz leiden und teilweise sogar die gleiche Arbeit machen wie ihre Kolleg*innen.

Bis zum 30. Juni konnten Beschäftigte in der Pflege einen Antrag auf den Bonus einreichen. Zusätzlicher Papierkram, letztendlich gingen knapp 400 000 Anträge ein. Im Angesicht der Millionenprofite diverser Betriebe und Werke, die trotz Corona offen gehalten wurden wie in Mammingen oder bei Tönnies in Niedersachsen sind die 80 Millionen Euro, die für die Auszahlung des Pflegebonus bis jetzt verwendet wurden, ein Witz.

Was also sollte dieser Ausschluss von zehntausenden Arbeiter*innen, die gegen die Corona-Pandemie kämpfen und ihre Gesundheit und ihr Leben aufs Spiel setzen?

In der Geburtshilfe sind die Arbeiter*innen den Gebärenden zum Beispiel körperlich sehr nah. Masken können während der Geburt keine getragen werden, die Testergebnisse liegen oft erst nach der Geburt vor. Nur wenn ein expliziter Verdachtsfall gebärt, kann schwere Schutzkleidung getragen werden. Eine ähnliche Situation gilt für die Anästhesiepfleger*innen, die zum Beispiel auch viel auf den Intensivstationen unterwegs sind. Kämpfen sie etwa nicht gegen die Krise?

Es wird also leider klar, dass die Regierung sogar hier noch sparen wollte. Es ging nicht darum tatsächlich eine Vergütung zu schaffen, etwas, das der Corona-Pflegebonus ohnehin nicht leisten konnte. Und auch die anderen Parteien, eingeschlossen der SPD und der Linken, scheinen kein Interesse daran zu haben, dafür zu sorgen, dass der Bonus zumindest an alle ausgezahlt wird – geschweige denn für höhere Löhne und mehr Personal einzutreten.

Die Diskussion um die Anerkennung von Pflegearbeit im Kampf gegen die Pandemie kann nicht geführt werden, ohne über eine tatsächliche Lohnerhöhung zu sprechen. Darüber, wie man die Beschäftigten langfristig entlasten kann. So ist und bleibt der Pflegebonus nur ein Schweigegeld.

Diese Ungerechtigkeit haben gute Teile der Öffentlichkeit verstanden, sogar die bürgerlichen Tageszeitungen stellen die Verteilung des Bonus in Frage. Die Gesellschaft versucht sich zu solidarisieren, doch noch gibt es keine realen Ansätze, wie langfristige Veränderungen erzwungen werden können.

Dies kann eigentlich nur zusammen mit anderen Sektoren passieren. Deswegen wollen wir eine Verbindung, zum Beispiel mit den aktuellen Kämpfen bei Galeria Kaufhof/Karstadt oder bei Charité Facility Management, die wie wir unter Outsourcing und Prekarisierung leiden. Wir müssen unsere Kräfte bündeln, mit Industriearbeiter*innen wie von Voith, ebenso wie mit allen Beschäftigten des öffentlichen Dienstes. In der aktuellen Tarifrunde im TVöD ist es notwendig, uns zu Tausenden zu mobilisieren und zu streiken, damit wir nicht in den Verhandlungen über den Tisch gezogen werden, sondern unsere Forderungen vollständig durchsetzen können. Zusammen sind wir so viel stärker, eine Kraft, die bessere Arbeitsbedingungen, mehr Personal, die Verhinderung von Schließungen und so viel mehr erkämpfen kann. Die TVöD-Runde muss durch Streiks und nicht durch Verhandlungen entschieden werden.

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