Wenn der Rotstift regiert – Kürzungen in Berlin und bundesweit

20.11.2024, Lesezeit 5 Min.
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Kai Wegner (CDU), regierender Bürgermeister in Berlin, und Franziska Giffey (SPD), stellvertretende Bürgermeisterin. Foto: Mo Photography Berlin, Shutterstock.com

Derzeit legen die Länder und Kommunen ihre Haushalte für das kommende Jahr fest. Das bedeutet Kürzungen, vor allem im sozialen Bereich.

In Berlin haben sich CDU und SPD auf die Kürzung des Haushalts um 3 Milliarden Euro einigen können – mit 40 Milliarden aber immer noch ein Rekordhaushalt. So sollen beispielsweise rund 130 Millionen Euro und damit über 10 Prozent bei Kunst und Kultur gestrichen werden. Auch das Clubsterben schreitet immer weiter voran. Dagegen versucht sich die Kunstszene zu wehren, unter anderem mit einem Protestkonzert unter dem Motto „Berlin ist Kultur“. 

Berliner Bildung am Limit, ÖPNV im Chaos

Auch die Verkehrswende in Berlin ist praktisch Geschichte: So sollen 100 Millionen für den ÖPNV gestrichen werden. Der Etat der Verkehrsverwaltung sinkt um gut 18 Prozent. Das Hauptthema im Wahlkampf für die SPD bei der Wiederholungswahl, das 29-Euro-Ticket, wurde gestrichen. Das Ticket wurde erst im Juli eingeführt und war als Jahresabo vorgesehen. Das Sozialticket wird doppelt so teuer, von 9 Euro auf 19 Euro. Die von der SPD vorgeschlagenen Erhöhungen von Parkgebühren und Grunderwerbssteuer bleiben hingegen aus. Der Ausbau von ausgelasteten Straßenbahnlinien wird eingestellt, während geplante U-Bahn-Strecken mit zu erwartenden geringen Fahrgastzahlen fortgesetzt werden. 

Doch nicht nur im Verkehr wird gespart, sondern auch in Bildung und Erziehung: 350 Millionen Euro werden in dem eh schon unterfinanzierten Sektor gekürzt. Beim Kita-Ausbau werden vier, beim Studierendenwerk gleich sechs Millionen Euro gekürzt. Das hat vor allem Auswirkung auf die Finanzierung der Lehr- und Lernmittel, der Jugendhilfe und den überlasteten Lehrkräften und Pädagog:innen. So soll beispielsweise der Nachteilsausgleich für nicht-verbeamtete Lehrkräfte gestrichen werden, was finanziellen Druck auf sie ausübt, sich verbeamten zu lassen. Doch das stößt nicht nur auf Frust im Lehrer:innenzimmer. Auch an Hochschulen werden noch mehr Stellen unbesetzt bleiben, viele befristete wissenschaftlich Beschäftigte bangen um ihre Anschlussverträge. 

Die Prioritäten im Haushalt sind deutlich: Auf Kosten aller anderen Bereiche sollen die Polizei und die Justiz weiter gefördert werden. Schließlich braucht man Geld, wenn man regelmäßig Studierende aus ihren Universitäten räumen und vor Gericht zerren lässt. Selbst die in Berlin außerparlamentarische FDP hält Kürzungspläne für verfehlt. 

Während die weitreichenden Kürzungen im Zeichen der äußeren Militarisierung geschehen, ist der Ausbau der Sicherheitsorgane im Inneren die Kehrseite der Medaille. Migration als zentrales Sicherheitsproblem wird durch den Staat und die Medien geframt, um die weitreichende Umlenkung von Geldern in Bundeswehr und Polizei zu legitimieren. Dahinter liegt das berechnende Kalkül des Staates, dass die Sparmaßnahmen mit stärkerem Protest einhergehen. Dem schwindenden Zuspruch zum staatlichen Handeln in der kapitalistischen Krise begegnet der Staat mit einem autoritären Muskelspiel.

Nicht nur in Berlin wird gekürzt

In Nordrhein-Westfalen möchte die schwarz-grüne Regierung 83 Millionen Euro für Soziales kürzen. Dagegen gibt es verschiedene Proteste – so riefen Sozialverbände zu einer Demonstration in Düsseldorf mit etwa 20.000 Teilnehmenden auf. Laut Caritas, rotem Kreuz, der Diakonie und anderen Sozialverbänden bedeutet der Haushalt „so viele Kürzungen im sozialen Bereich wie nie zuvor“. Unter anderem sind die Familienbildung, die Schuldnerberatung und die Suchthilfe von den Kürzungen betroffen. 

In Dresden geht das „Bündnis gegen Kürzungen“ gegen die geplanten Kürzungen auf die Straße. Konkret bedeuten die Kürzungen dort steigende Kitagebühren, geschlossene Beratungsstellen für Menschen mit Demenz, gestrichene Schulsozialarbeit, eingeschränkte Suchtberatung, gekürzte Kinder- und Jugendarbeit sowie gestrichene Hilfsangebote für Migrant:innen. 

In Schleswig-Holstein plant die ebenfalls schwarz-grüne Regierung vor allem Kürzungen in  der Bildung. Unter anderem sollen die Schulstunden in den Fächern Gesellschaftswissenschaften, ästhetische Bildung, Naturwissenschaften sowie in der ersten Fremdsprache an Gymnasien und Gemeinschaftsschulen gekürzt werden. So könne man 180 Stellen streichen. Außerdem soll laut Bildungsministerium die Unterrichtsversorgung laut Ministerium mindestens 100 Prozent betragen, derzeit sind es 101 Prozent. Die GEW fordert mindestens 110 Prozent, um für Krankheitsfälle ausreichend Lehrkräfte zur Verfügung zu haben. Dazu führte die GEW eine Protestaktion durch: unter dem Motto „Der letzte Cent für die Bildung” wurden symbolisch Cent-Münzen von Passant:innen gesammelt, um diese der Regierung zu übergeben. 

Söders CSU streicht in Bayern vor allem bei der Familie. Ab 2026 sollen das Familien- und das Landespflegegeld auf die Hälfte reduziert werden. So bekommen Eltern von jungen Kindern nur noch eine Einmalzahlung von 3000 Euro, statt wie bisher mindestens 6000 Euro. Zudem soll das Krippengeld gestrichen werden. Das Landespflegegeld wird von 1000 Euro auf 500 Euro im Jahr gekürzt. Damit streicht auch die CSU Sozialleistungen, womit sie im Wahlkampf warb. 

Diese Kürzungen sind kein Zufall, sondern sind klarer Ausdruck des zunehmenden Rechtsrucks. Wir können uns nicht auf das Wohlwollen sogenannter „sozialer“ Parteien verlassen, stattdessen müssen wir uns gegen die sozialen und kulturellen Kürzungen organisieren.

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