Welchen AStA brauchen wir?
Am Donnerstag fand die zweite Sitzung des 36. Studierendenparlaments (StuPa) der Freien Universität Berlin statt, bei der der AStA neu gewählt wurde. Eindrücke und Kommentare eines Mitglieds der Liste 35 „Gegen Rassismus, Sexismus und Prekarisierung“.
Am Donnerstag trafen sich die studentischen Abgeordneten des Parlaments mit 60 Sitzen im Seminarraum L115. Die Beteiligung war wie auch bei der letzten Sitzung ziemlich hoch. Neben den Parlamentarier *innen waren auch die Kandidat*innen für die Referate des Allgemeinen Studierendenausschusses (AStA) und interessierte Studierende anwesend.
Das zentrale Thema der Sitzung war die Neuwahl der AStA-Referent*innen, also die „Regierung“ der Studierenden. Bei allen Referaten wurden die jeweils drei Kandidat*innen bestätigt, die sich in Absprache mit den jeweiligen Referaten im Voraus auf das Amt beworben hatten. Wir, die Liste 35 „Gegen Rassismus, Sexismus und Ausbeutung“ haben uns bei allen Abstimmungen für AStA-Referent*innen enthalten. Hinter unserer Enthaltung steht eine andere Vorstellung für die Studierendenvertretung und Mitbestimmung an der Uni.
Üblicherweise sind es vor allen Dingen rechtskonservative über neoliberale bis sozialdemokratische Listen, die sich gegen einen antikapitalistischen AStA stellen. Doch mit ihnen haben wir nichts gemein. Wir verteidigen linksradikale, antikapitalistische Strukturen an der Universität vorbehaltlos gegen rechte Angriffe im Namen der „Demokratie“. Denn für RCDS (Ring Christlich-Demokratischer Studenten), LHG (Liberale Hochschulgruppe), JuSos und Co. dient das nur dazu, kämpferische Basisstrukturen an der Uni zu zerschlagen und Sprungbretter für ihre eigenen Partei- und Bürokrat*innen-Karrieren zu schaffen.
Doch zugleich glauben wir, dass es sehr viel an den aktuellen Strukturen der Studierendenvertretung an der Universität zu kritisieren gibt. Das fängt schon beim Inhalt an: Das Parlament und der AStA dürfen sich wegen des „hochschulpolitischen Mandats“ nicht politisch zu allgemeingesellschaftlichen Themen äußern. Doch anstatt das zu konfrontieren, hat sich der AStA der Freien Universität über die Jahre hinweg in diesem System eingerichtet. Auch im StuPa werden immer wieder politische Diskussionen und Entscheidungen mit Hinweis auf das „hochschulpolitische Mandat“ abgewiesen.
Hinzu kommt, dass StuPa und AStA im aktuellen Hochschulsystem keine reale Mitbestimmung über die Verwaltung der Universität ausüben können. Weder gibt es proportionale – oder auch nur paritätische! – Sitzverhältnisse im Akademischen Senat, noch werden die wichtigsten Entscheidungen für die Uni überhaupt noch dort getroffen – meistens werden die Direktiven des Präsidiums nur noch abgesegnet.
Doch für unsere Enthaltung bei der Wahl des AStA ist vor allem entscheidend, dass der AStA auch an seinem eigenen basisdemokratischen Anspruch immer wieder scheitert: Der AStA stützt sich auf dutzende autonome Fachschaftsinitiativen, die in der Praxis jedoch nur aus einem kleinen Zirkel von Aktivist*innen bestehen. Eine wirkliche Beteiligung der großen Masse der Studierenden will der AStA nicht. Besonders deutlich wird das in Kämpfen um „Freiräume“ an der Uni, wo anstelle des Strebens nach möglichst breiter Beteiligung durch Mobilisierung zu Vollversammlungen mit Entscheidungsgewalt immer nur auf kleine Arbeitsgruppen gesetzt wird, die nach Konsens- und Initiativprinzip arbeiten. Dadurch vereinzeln sie aber die Kämpfenden und schließen faktisch Studierende von der Aktion aus, die nicht an langen Aktivist*nnentreffen teilnehmen und alles stundenlang bis zum Konsens ausdiskutieren können. Doch nicht nur das: Der AStA selbst nimmt immer nur in Form von „Einzelpersonen“ an diesen Aktionen teil und kann somit nicht politisch zur Rechenschaft gezogen werden.
Wir lehnen dieses Hochschulsystem – und diese Art von studentischer Pseudo-Demokratie – ab und fordern eine Massendemokratie, in der Entscheidungen auf Versammlungen demokratisch getroffen werden. Wir wollen auch keine „Viertelparität” der vier Statusgruppen, sondern eine echte Demokratie, in der jeder Mensch an der Universität – ob Studierende oder Beschäftigte auf jeder Ebene – eine Stimme hat. Wir wollen eine Universität, die komplett von unten organisiert ist durch Basisversammlungen, und wir wollen Vertreter*innen, die direkt aus diesen Versammlungen gewählt werden (nicht für ein Jahr oder länger) und jederzeit abwählbar und rechenschaftspflichtig sind.
AStA-Vertreter*innen leisten eine gute Arbeit für die Studierenden zum Beispiel in der Sozialberatung und in materieller Unterstützung für verschiedene Projekte. Wir wollen nicht einfach nur linke „Logistik“ an der Universität, sondern wir wollen einen AStA, der sich politisch zum Ziel setzt, eine kämpferische Bewegung von Studierenden an der Universität aufzubauen. Wir wollen keine „Verwaltung“, die etwas mehr auf unserer Seite ist, sondern wir wollen einen AStA, der sich als ein Kampforgan versteht.
Nachdem die Asta-Referent*innen gewählt wurden, wurden die Anträge der verschiedenen Listen abgestimmt. Wichtig war der Antrag zur Verurteilung der Räumung der studentischen Besetzung, die letzte Woche an der FU staatfand. Er wurde mit überdeutlicher Mehrheit trotz weniger Gegenstimmen von rechten Listen angenommen.
Die fünf reaktionären Anträge der rechten „Liberale Hochschulgruppe“ (LHG) wurden aus der Tagesordnung gestrichen und nicht abgestimmt, weil in den Anträgen bewusst keine gegenderte Sprache benutzt wurde und eine formelle Änderung in diesem Sinne von der Liste nicht akzeptiert wurde. Die Geschäftsordnung des StuPa sieht vor, dass die Anträge in einer Sprache einzureichen sind, die alle Geschlechter gleichermaßen abbildet. Unter den unzulässigen Anträgen waren unter anderem Einschränkung der Gasthörerzahl, eine Begrenzung der kritischen Lehre, und eine Verurteilung von Besetzungen samt der Begrüßung des “konsequenten Umgangs” im Falle des massiven Polizeieinsatzes, der Hausverbote und Strafanklagen gegen Studierende im Zuge der gewaltsamen Räumung des Hörsaals 1a in den letzten Wochen.
So endete die zweite Sitzung des 36. Studierendenparlament wieder ohne inhaltliche Diskussionen und das StuPa wird weiterhin kaum Einfluss nehmen auf den Lauf der Dinge an der Universität. Jetzt verfällt das Parlament wieder in seinen tiefen Schlaf bis zur nächsten Sitzung im Juli.
Das StuPa ist eine machtlose Institution, aber es ist trotzdem wichtig, es als eine Bühne für die Kämpfe innerhalb und außerhalb der Universität zu nutzen und für eine eben ganz andere Perspektive zu streiten. Eine grundlegende Änderung der Mitbestimmung und Vertretung an der Uni kann nur durch eine kämpferische Bewegung der Studierenden und Beschäftigten zustande kommen. Und für so eine Bewegung kämpfen wir auch, in den Unikorridoren, in Basisversammlungen, im StuPa und an den Arbeitskämpfen an der Universität.