Welche Linke braucht es gegen den Rechtsruck?
![1](https://www.klassegegenklasse.org/wp-content/uploads/2025/02/DSC07821-scaled.jpg)
Eine Linke, die nicht mit der Staatsraison bricht, kann den Rechtsruck nicht stoppen, sondern wird der Umlenkung des Kampfes gegen Rechts in eine Stütze des deutschen Imperialismus Vorschub leisten.
Seit der gemeinsamen Abstimmung von CDU/CSU, FDP und AfD im Bundestag füllen Hunderttausende im ganzen Land die Straßen. Zuletzt folgten am vergangenen Wochenende über 300.000 Menschen dem Aufruf „Demokratie braucht dich“ und strömten auf die Münchner Theresienwiese. Die Demonstrationen zeigen durchaus Wirkung: Während Merz´ rassistischer Fünf-Punkte-Plan am 29. Januar im Bundestag angenommen wurde, scheiterte er zwei Tage später mit seinem nicht weniger rassistischen „Zustrombegrenzungsgesetz“, auch aufgrund des Drucks von der Straße.
Bemerkenswert bei den Massenprotesten ist jedoch, wie wenig der rassistische Inhalt der Resolutionen und Gesetzesentwürfe thematisiert wird. Anstatt die geplante Abschaffung des Asylrechts, die Masseninhaftierung und Entrechtung von hier lebenden Geflüchteten zu skandalisieren und ein Ende von Abschiebungen und Grenzkontrollen zu fordern, konzentrieren sich die meisten Reden auf abstrakte Appelle „für Demokratie“ und „die Verteidigung der Brandmauer“. Um zu verstehen warum, müssen wir uns anschauen, wer die aktuellen Massendemonstrationen anführt: SPD und Grüne und ihnen nahestehende zivilgesellschaftliche Organisationen und Bündnisse. Diese Parteien haben immer wieder bewiesen, dass sie kein Problem damit haben, selbst rassistische Politik umzusetzen. In Reaktion auf Merz´ Manöver im Bundestag legte Habeck selbst einen „Zehn-Punkte-Plan“ vor, der „Abschiebung nichtdeutscher Gefährder“, „Mehr Befugnisse für die Sicherheitsbehörden“ und „Wirksame Eindämmung irregulärer Migration an den EU-Außengrenzen“ fordert. SPD und Grüne bereiten sich beide darauf vor, Juniorpartnerin in einer kommenden CDU-Regierung zu werden. Dementsprechend beschränkt sich der Inhalt der Brandmauer-Proteste häufig auf den Aufruf an die Union, Zusammenarbeit mit der AfD zu unterlassen – um doch lieber gemeinsam mit Rot-Grün „demokratisch“ rassistische Politik zu machen. Zugleich fallen die Demonstrationen in die heiße Phase des Wahlkampfes – häufig ist ihre Hauptforderung die Wahl einer „demokratischen“ Partei – und bieten damit für die Parteien von Scholz und Habeck eine willkommene Gelegenheit, auf Stimmenfang zu gehen.
Sonderlich positiv auf die Umfragewerte von SPD und Grünen ausgewirkt haben sich die Entwicklungen der letzten Wochen allerdings nicht. CDU/CSU und AfD stehen teilweise sogar gestärkt da. Doch zumindest auf niedriger Ebene hat auch die Partei Die Linke von der aktuellen Stimmung gegen Rechts profitiert. Von vielen totgesagt, überschreitet sie in den Umfragen erstmals seit langer Zeit wieder die Fünf-Prozent-Hürde und berichtet über tausende Neueintritte, während ihre Spitzenkandidatin Heidi Reichinnek zum Tik-Tok-Star avancierte. Der Partei Die Linke gelingt es zumindest in einigen Sektoren, sich als die Kraft gegen Rechts darzustellen, die einzige Partei, die den Rechtsruck nicht mitmache und ein Bollwerk gegen AfD und Union im Bundestag sein werde. In ihrer Bundestagsrede, die in den sozialen Netzwerken zig Millionen Mal angesehen wurde, rief Reichinnek „auf die Barrikaden“.
Wir teilen die Ansicht, dass angesichts des Aufstiegs der extrem rechten AfD, der wahrscheinlich kommenden Merz-Kanzlerschaft und der Haltung von SPD und Grünen eine echte linke Opposition dringend notwendig ist. Doch welche linke Kraft muss dafür aufgebaut werden? Wie wir an anderer Stelle geschrieben haben, sind der „Rechtsruck im Allgemeinen und der Aufstieg der AfD im Besonderen eng mit dem antimuslimischen Rassismus und der bedingungslosen Solidarität mit dem genozidalen zionistischen Projekt verbunden“. In diesem Artikel wollen wir ausführlich darlegen, dass eine Linke, die sich nicht konsequent dagegen stellt, keine tatsächlich antifaschistische Kraft darstellen kann, sondern der Umlenkung des Kampfes gegen Rechts in eine Stütze des deutschen Imperialismus Vorschub leisten wird.
Wer von Krieg schweigt…
Dass Die Linke im Zweifel immer eine Partei der Staatsraison ist, die vor kapitalistischen „Sachzwängen“ kapituliert, um die Regierbarkeit sicherzustellen, hat sie ein ums andere Mal bewiesen. Nicht nur in zahlreichen Landesregierungen, wo sie unter anderem Privatisierungen, massenhafte Abschiebungen, Polizeiausbau und den Verrat des Volksentscheid DWE mitgetragen hat, sondern auch in der Opposition. Erst kürzlich verhalf sie mit ihren Stimmen im Landtag den selbst für CDU-Verhältnisse rechten Ministerpräsidenten Voigt in Thüringen und Kretschmer in Sachsen an die Macht. Diese regimetreue Haltung kommt nicht aus dem Nichts, sondern hat materielle Gründe: Im Zentrum der Partei steht eine privilegierte Bürokratie, die sich von staatlichen Geldern ernährt. Man beißt nicht die Hand, die einen füttert. Sie bietet eine Strategie an, die den Kampf gegen Rechtsruck und Krise als letztlich ungewinnbar erscheinen lässt und in der folglich nur die Mitverwaltung der Angriffe in Parlament und Regierung übrig bleibt, da es ja sonst noch schlimmer werden würde.
Diese Anpassung spiegelt sich auch in ihrem Programm und ihrer aktuellen Wahlkampagne wider. Bei zentralen Ursachen und Auswüchsen des Rechtsrucks, insbesondere bei den Fragen von Imperialismus und Krieg, Migration und Rassismus, nimmt sie höchst unzureichende und inkonsequente Positionen ein oder schweigt sich aus.
Um den Rechtsruck zu bekämpfen, müssen wir verstehen, wo er herkommt. Die Antwort, die Linken-Vorsitzende Ines Schwerdtner in ihrem Artikel „Antifa heißt Wohlfahrtsstaat“ gibt, lautet: „Die AfD legt also immer dann zu, wenn die regierende Politik es unterlässt, soziale oder ökonomische Unsicherheiten abzufedern“. Auch wenn dieser Zusammenhang nicht von der Hand zu weisen ist, bleibt ihre Erklärung oberflächlich und trifft nur einen Teil der Wahrheit. Vor allem führt sie zu der Schlussfolgerung, ein Fokus auf moderate sozialpolitische Reformvorschläge sei das beste Mittel gegen den Rechtsruck, welche von der Linkspartei nun in die Praxis umgesetzt wird.
Im Kern ist der Rechtsruck ein Ausdruck der strukturellen Krise des Kapitalismus und der Verschärfung imperialistischer Spannungen, in deren Zentrum die Militarisierung steht. Militarismus, Nationalismus und Rassismus sind die Antwort der imperialistischen deutschen Bourgeoisie auf die weltpolitischen Umbrüche und die schwindenden Grundlagen ihres ökonomischen Erfolgs in der Welt.
Angesichts wirtschaftlicher Stagnation (im Falle Deutschlands sogar einer mehrjährigen Rezession), dem Aufstieg neuer Großmächte und dem Schwinden von rentablen Investitionsmöglichkeiten, bereiten sich die herrschenden Klassen der imperialistischen Staaten darauf vor, ihren Zugang auf ausbeutbare Arbeitskraft, billige Rohstoffe und Exportmärkte durch kriegerische Mittel zu verteidigen und auszudehnen. International, aber besonders in der EU, steigen die Summen für Aufrüstung dramatisch; deutsche Politiker:innen überbieten sich mit Forderungen nach Investition von drei, vier oder (im Falle der AfD) sogar fünf Prozent des BIP in das Militär.
Die Kehrseite dieser Entwicklung ist das Anwachsen des Protektionismus, der mit den Mitteln des Wirtschaftskriegs wie Sanktionen und Zöllen die Konkurrenz schwächen soll, um die Profite der eigenen Bourgeoisie zu retten. Die Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten – zu bedeutenden Teilen geführt mit deutschen Waffen – zeigen bereits die blutigen Ausdrücke dieser Tendenzen. Auch wenn mit dem Amtsantritt Trumps nun ein vorübergehender „Frieden“ in der Ukraine – der vor allem als Herausforderung an die europäischen Staaten zu verstehen ist – eintreten könnte, ist dieser weder im Interesse der Bevölkerung, noch beseitigt er die strukturellen Widersprüche, die zum Ausbruch des Krieges geführt haben.
Das nach außen zunehmend aggressive Auftreten des deutschen Imperialismus schlägt auch nach innen um. Der Kriegskurs der deutschen Bourgeoisie geht auch einher mit einer ideologischen Zeitenwende, die den Nationalismus aufwertet, Opferbereitschaft und Hass gegen äußere Feinde predigt und vermeintliche oder reale innere Feinde der Staatsraison noch stärker ins Visier nimmt. Arbeiter:innen und Jugendliche sollen durch sinkende Reallöhne und längeres Arbeiten die gefährdeten Profite der Kapitalist:innen ausgleichen, mit Sozialkürzungen für die massive Aufrüstung aufkommen und in größerer Zahl als bisher – nach dem Willen großer Teile der Elite auch verpflichtend – der Bundeswehr dienen.
In diesem Gefüge kommt dem wachsenden Rassismus eine bedeutende Rolle zu. Es ist wichtig ihn nicht bloß als falsches Vorurteil oder – wie manche Ideolog:innen des Reformismus suggerieren – als spontane Reaktion der Arbeiter:innen und Armen auf sinkende Lebensstandards, sondern als Herrschaftsinstrument der Bourgeoisie zu verstehen. Der Rassismus, aktuell insbesondere der antimuslimische Rassismus, der mit der Unterdrückung der Palästinasolidarität einhergeht, dienen als Mittel zur physischen und ideologischen Spaltung und Disziplinierung der Arbeiter:innenklasse und Unterdrückten, um ihre Widerstandskraft angesichts stattfindender und kommender Angriffe vorbeugend zu schwächen und die kapitalistische Hegemonie durch die Bindung der Arbeiter:innen an ein auf Ausschluss basierendes nationales „Wir“ zu sichern. Die aktuell stattfindende Militarisierung der Grenzen und Entrechtung und Diffamierung von Geflüchteten ist zum einen ein Ablenkungsmanöver zur arbeiter:innen- und armenfeindlichen Politik der Regierung. Sie ist auch eine reaktionäre Antwort auf durch Krieg, Verarmung durch wirtschaftliche Abhängigkeiten und Klimakatastrophen – für welche die deutsche Bourgeoisie eine Mitverantwortung trägt – hervorgerufene Fluchtbewegungen und – kombiniert mit der Abwerbung von „qualifizierten Fachkräften“ aus abhängigen Ländern – darauf ausgelegt, die Migration völlig der Logik kapitalistischer Verwertbarkeit zu unterwerfen. Und sie bereitet Grundrechtseinschränkungen und die Aufrüstung von Polizei und Sicherheitsbehörden vor, die in Zukunft die Arbeiter:innenklasse und Jugend als Ganzes stärker treffen werden.
Gerade bei der inneren Militarisierung wird die Schnittstelle von Rassismus und Repression gegen staatskritische Proteste besonders deutlich. Die Palästinabewegung, die die enge Verstrickung der deutschen Regierung mit dem Genozid in Gaza lautstark anprangerte und damit die deutsche Staatsräson offen infragestellte, wurde mit für BRD-Verhältnisse überaus autoritären Mittel – darunter drastischen Einschränkungen der Wissenschafts-,Kunst-, und Versammlungsfreiheit – reprimiert und von einer Hetzkampgne gegen „importierten, muslimischen Antisemitismus“ begleitet.
In diesem Szenario stellt die AfD einerseits den radikalsten Ausdruck der rassistischen und nationalistischen Tendenzen, andererseits eine reaktionäre Scheinalternative zur Kriegs- und Verarmungspolitik der Regierung dar. Die AfD konnte auch von dem Fehlen einer wirklichen linken Opposition profitieren, weil die Linkspartei (nicht zu Unrecht) besonders im Osten als Anhängsel des Status Quo wahrgenommen wurde. Auch wenn die bürgerlichen Parteien im Großen und Ganzen noch eine relative Distanz zur extremen Rechten halten – vor allem aufgrund der besonders im faschistischen Teil der AfD ausgeprägten USA-, NATO-, und EU-kritischen Positionen –, ist ihre Integration ins Regime bereits auf dem Weg. Auch wenn eine Koalition mit der AfD noch nicht auf der Tagesordnung steht, können wir davon ausgehen, dass auf die gemeinsame Abstimmung mit der Union weitere Schritte der Normalisierung folgen werden.
Vor diesem Hintergrund wäre es die dringende Aufgabe einer linken Opposition, die rassistische Hetze der extremen Rechten und Bürgerlichen auf Schritt und Tritt zu entlarven, ihnen ein Programm für offene Grenzen und gleiche Rechte für alle, die hier leben, entgegenzusetzen und offensiv die Verteidigung unserer migrantischen und geflüchteten Klassengeschwister zu organisieren. Es gilt allen Anstrengungen, Deutschland wieder „kriegstüchtig“ zu machen, Wirtschaftskriege zu führen und imperialistische Bündnisse wie die NATO und EU zu stärken, unversöhnlich den Kampf anzusagen, und Bewegungen mit antiimperialistischem und antirassistischem Gehalt, wie die Palästinabewegung, zu unterstützen und voranzutreiben.
Doch was tut die Partei Die Linke? Über etwas anderes als den Mietendeckel möchte sie ohnehin kaum reden. Auf das Thema Migration angesprochen, kontert sie mit Verweisen auf die sozialen Probleme oder reproduziert mit dem Verweis auf den Fachkräftemangel Nützlichkeitsrassismus. Auch wenn sie in ihrem Wahlprogramm gute Forderungen wie einen Abschiebestopp und Arbeitserlaubnis für alle Geflüchteten erhebt, in ihrem öffentlichen Auftreten spiegeln sich diese kaum wider – ganz zu schweigen von der rassistischen Politik, die sie in Landesregierungen bis heute umsetzt.
Außenpolitisch sieht es nicht besser aus. Prominente Köpfe der Partei, allen voran die „Silberlocken“ Ramelow und Gysi, vertreten offen pro-imperialistische Positionen. Ramelow ist entschiedener Befürworter von Waffenlieferungen an die Ukraine, der Wiedereinführung der Wehrpflicht und bezeichnet Kuffiyeh-Träger:innen pauschal als antisemitisch. Währenddessen befürwortete Gysi die NATO-Erweiterung um Finnland und Schweden. Im EU-Parlament stimmten Teile der Linken-Gruppe für die Lieferung von Taurus-Raketen.
Auch wenn diese Positionen nicht immer von der Gesamtpartei vertreten werden, so stehen sie doch sinnbildlich für die weitgehende Anpassung an den Imperialismus, die Die Linke vollzogen hat. Die offizielle Parteilinie, für die insbesondere Jan Van Aken steht, bedeutet keine klare Absage an den deutschen Imperialismus, sondern besteht vielmehr aus dem Wunsch, diesen etwas „friedlicher“ zu gestalten. So lehnt Van Aken etwa Waffenlieferungen an die Ukraine ab, spricht sich aber für Sanktionen gegen Russland aus. Jede Perspektive, die Unterstützung für den Genozid in Gaza und für die Fortführung des Ukrainekriegs auf der Straße, in den Betrieben, Schulen und Universitäten zu bekämpfen, lehnt die Linkspartei in der Praxis ab, wie sich an ihrer aktiven Entsolidarisierung mit der Palästinabewegung eindrücklich zeigt. Wenn sie über Außenpolitik spricht (was sie mittlerweile selten tut), bezieht sich die Linkspartei meist auf die internationalen Institutionen, das Völkerrecht und die UN und fordert diplomatische Lösungen.
Doch diese Institutionen sind selbst tief in die Struktur der imperialistischen Weltordnung verwoben und dienten gerade während der Phase der relativ unumstrittenen US-Hegemonie als Mittel zur Kontrolle der abhängigen Länder und der Durchsetzung westlicher Interessen mit einem „humanitären“ Anstrich. Angesichts der zunehmenden internationalen Spannungen und der Krise der US-Hegemonie reißt Trump diese ein und setzt eine direktere und aggressivere Form der Durchsetzung imperialistischer Interessen, die vor allem auf militärischer Stärke basiert, an dessen Stelle. Die Linkspartei trauert währenddessen hilflos einer „humanitären“ Vermittlung des Imperialismus nach, die niemals fortschrittlich war und schon gar keine fortschrittliche Antwort auf die Umbrüche der Weltordnung geben kann.
Die Ausweglosigkeit dieser Haltung, die letztlich zu einem Klammern an die imperialistische deutsche Staatsräson führt, wird besonders am Beispiel Palästinas deutlich. Während der israelische Staat mit Rückendeckung Deutschlands und der USA Gaza in Schutt und Asche bombardierte, die Annexion des Westjordanlands beschleunigt und Trump mit Netanjahu über die vollständige ethnische Säuberung Gazas diskutiert, hält die Linke an der Illusion der Zwei-Staaten-Lösung fest, verurteilt „Kriegsverbrechen auf allen Seiten“ gleichermaßen und fordert die Regierung Deutschlands – einer der imperialistischen Staaten, die eine Hauptverantwortung für den Genozid tragen – auf, dafür die diplomatische Initiative zu ergreifen. Eine Perspektive für die Befreiung der palästinensischen Bevölkerung von Kolonialismus und Apartheid und für ein langfristiges friedliches Zusammenleben in der Region kann die Linkspartei nicht aufwerfen. Stattdessen geht ihre Haltung wunderbar mit der Unterordnung unter die repressive und rassistische deutsche Staatsräson zusammen. Ihre Rolle bei der brutalen Kriminalisierung der Palästinabewegung schwankte zwischen passiven Schweigen und aktivem Vollstrecken. Nicht nur versagte sie jedwede nennenswerte praktische Solidarität; sie stimmte im Bundestag für das Verbot von Samidoun und nicht gegen die (heuchlerisch betitelte) Antisemitismusresolution. Erst vor zwei Monaten schloss sie den palästinasolidarischen Aktivisten Ramsis Kilani aus.
Damit spielt die Linkspartei der Trennung des Kampfes gegen Rechts vom Kampf gegen Krieg, Genozid und antimuslimischem Rassismus in die Hände. Gerade dies dient aber den etablierten Parteien, sich einerseits als „antifaschistisch“ zu inszenieren und andererseits ohne mit der Wimper zu zucken Massenabschiebungen voranzutreiben. Eine tatsächliche Opposition gegen die rassistische Migrationspolitik und gegen die Kriegstreiberei der etablierten Parteien ist so unmöglich.
Zeichen auf Erneuerung?
Trotz alledem schafft es die Linkspartei im aktuellen Wahlkampf, bedeutende Teile der radikalen Linken hinter sich zu versammeln. Dabei werden häufig Kritiken, etwa an der Orientierung auf Regierungsbeteiligungen und ihrer beschämenswerten Haltung zu Palästina, geteilt. Doch neben der Argumentation des kleineren Übels, die etwa von der Revolutionären Linken und Sozialismus von Unten („Wählen ohne Illusionen“) vertreten wird, haben auch Hoffnungen in eine linke Kurskorrektur der Partei Konjunktur.
Nach dem Abgang von Wagenknecht und ihren Unterstützer:innen sowie von der rechten Berliner Bürokratie um Klaus Lederer und mit der Wahl der neuen Parteispitze, bestehe eine Chance, Die Linke als eine kämpferische, stärker in der Arbeiter:innenklasse und Jugend verankerte, und konsequent oppositionelle und antifaschistische Kraft aufzustellen. So schreibt der Chefredakteur des Jacobin-Magazins Loren Ballhorn: „Für Sozialistinnen und Sozialisten innerhalb und außerhalb der Partei, für die sich deren Ausrichtung bislang zu sehr an rein parlamentarischen Abläufen orientierte, eröffnet sich damit eine Chance.“ Doch wie real ist diese Chance? Die neue Parteiführung um Schwerdtner und Van Aken stellt – vielleicht bis auf eine etwas kämpferischere Rhetorik – keinen Schritt nach links dar. In einem gewissen Sinne passt sie sich an die Kritik an, die Wagenknecht vor ihrem Abgang an einer „Lifestyle-Linken“ äußerte, an. Statt über Klima und Rassismus zu sprechen und „woke Sprachpolitik“ zu betreiben, solle sie sich lieber auf die „Brot-und-Butter“-Themen wie Rente, Energiekosten und bezahlbare Mieten konzentrieren. Auch wenn sie nicht die offen reaktionären Positionen der BSW zu Migration und LGTIAQ+ übernommen hat, hat die Linkspartei eine ökonomistische Wende vollzogen und klammert den Kampf gegen Unterdrückung und um demokratische Rechte sowie internationale Themen zugunsten eines engen Fokus auf Sozialpolitik weitgehend aus.
Natürlich lehnen wir den Kampf um ökonomische Verbesserungen für Arbeiter:innen und Arme keinesfalls ab, im Gegenteil. Doch der ökonomistische Ansatz der Linkspartei hat mindestens zwei Probleme. Zum einen verbleibt ihr ökonomisches Programm im Rahmen der kapitalistischen Marktwirtschaft und wird damit völlig illusorisch. Sie fordert zwar eine relativ weitgehende Umverteilung, bleibt aber eben auf der Ebene der Verteilung stehen und stellt die Produktions- und Eigentumsverhältnisse nicht grundlegend in Frage. Als Jan van Aken, der mit der Forderung nach einer Abschaffung von Milliardär:innen in den sozialen Netzwerken Wellen schlug, in der ARD gefragt wurde, ob er die Unternehmen von Milliardär:innen enteignen wollen, antwortete er: „Nein. Sondern es gibt eine Vermögenssteuer“. Dass genügend Stimmen für die richtige Partei im Parlament ausreichen würden, um Bourgeoisie und bürgerlichen Staat in Zeiten schrumpfender Profitraten und Akkumulationsmöglichkeiten zu weitreichenden Zugeständnissen an die Arbeiter:innen zu bewegen, wie die Linkspartei suggeriert, ist absurd. Dazu kommt, dass sie die soziale und wirtschaftliche Lage weitgehend von der Militarisierung trennt und damit den politischen Hintergrund der Sozialkürzungen – die Finanzierung der Aufrüstung – ignoriert. Um wirklich ökonomische Verbesserungen abzuringen, müssen sich die Arbeiter:innen und Armen organisieren und konsequent kämpfen und sie müssen beginnen, eigene Strukturen aufzubauen, die die Macht des Kapitals gemeinsam mit der Kriegstreiberpolitik der Regierung wirklich herausfordern können.
Zum anderen ist der ökonomistische Ansatz selbst hinderlich für die Entwicklung von Klassenkämpfen, denn er akzeptiert die Spaltung der Arbeiter:innenklasse durch Rassismus, Sexismus, Queerfeindlichkeit und Chauvinismus, anstatt diese Ideologien innerhalb der Arbeiter:innenklasse zu konfrontieren. Der Kampf gegen Unterdrückung ist nicht allein von moralischer, sondern von strategischer Bedeutung: Er ist notwendig zur Vereinigung der Arbeiter:innen und Unterdrückten im Kampf gegen ihren gemeinsamen Feind, die herrschende Klasse.
Zudem verkennen diejenigen, die jetzt ihre Hoffnung in eine Erneuerung der Partei setzen häufig, dass das Problem der Linken sich nicht darauf beschränkt, zu wenig in Kämpfen der Arbeiter:innen und sozialen Bewegungen präsent zu sein. In beidem spielte und spielt sie teilweise bereits eine Rolle, allerdings nicht zum Positiven. Neben der SPD ist Die Linke am stärksten in den Gewerkschaftsführungen vertreten, insbesondere in den Gewerkschaften ver.di und GEW. Dort erfüllt sie die Funktion, Streiks zu bremsen und zu trennen, über den Rücken der Beschäftigten hinweg schlechte Ergebnisse auszuhandeln und politische Streiks – die angesichts der Militarisierung und zahlreichen Angriffe der Regierung auf Arbeiter:innen und Unterdrückte dringend nötig wären –, zu verhindern. Auch in sozialen Bewegungen spielt sie eine bremsende Rolle, indem sie diese in systemkonforme Bahnen lenkt und falsche Hoffnungen in Parlamentarismus schürt: Das beste Beispiel ist der Volksentscheid Deutsche Wohnen und Co. enteignen, den sie für die Abgeordnetenhauswahl instrumentalisierte, um ihn dann in der rot-grün-roten Regierung mitzubegraben.
Unter dem Druck der Parteibürokratie werden junge Aktivist:innen, die mit guten Absichten in die Partei eintreten, an den Reformismus und damit an den Staat gebunden. Dieses Problem betrifft auch die, die jetzt auf eine linke Erneuerung hinarbeiten wollen und etwa Hoffnung auf den Neuköllner Bundestagskandidaten Ferat Koçak setzen. Viel wahrscheinlicher, als dass es wirklich gelingt, die Partei nach links zu ziehen, ist es, dass sie von der Partei nach rechts gezogen werden.
Als reformistische Partei erfüllt Die Linke die Funktion, zwischen kämpferischen Arbeiter:innen, linken Aktivist:innen und sozialen Bewegungen auf der einen und den Interessen von Staat und Kapital auf der anderen Seite zu vermitteln. Die Enttäuschung über ihre Anpassung und Verrate in Regierungsbeteiligung und ihre Unfähigkeit, eine kohärente Antwort zu zentralen Fragen der internationalen Lage zu entwickeln, hatte sie an den Rand des Abgrunds getrieben. Nun scheint sie sich zwar kurzzeitig wieder erholt zu haben – wie lange, wird sich zeigen – und profitiert von dem wachsenden Bedürfnis in der Jugend, gegen Rechts zu kämpfen; doch diese grundsätzliche Funktion hat sie nicht abgelegt.
Ihre Perspektive für den Kampf gegen Rechts setzt den Schwerpunkt aufs Parlament und schließt an die Logik der „Einheit aller Demokrat:innen“ und damit die Kollaboration mit bürgerlichen Kräften an. Doch bürgerliche Kräfte wollen und können weder auf rechte Politik verzichten, noch die Ursachen des Rechtsrucks beheben. Sie mögen zwar zur Zeit noch eine skeptische Haltung gegenüber der AfD einnehmen, treiben aber gleichzeitig die Aufrüstung und die Verschärfung des Migrationsregimes voran. Sollte es für die Sicherung ihrer Interessen nötig sein, werden sie vor einer Koalition mit der AfD nicht zurückschrecken.
Im Kampf gegen Rechts können wir deshalb nicht auf die Einheit mit bürgerlichen Kräften setzen, sondern müssen auf die Einheit der Arbeiter:innenklasse – im Bündnis mit der Jugend und den Unterdrückten – hinarbeiten, unabhängig von bürgerlichen Kräften. Dabei muss sich der Kampf gegen Rechts gegen Aufrüstung, Genozid und Imperialismus, gegen jeglichen Rassismus, gegen Einschränkungen demokratischer Rechte und ökonomische Angriffe auf Arbeiter:innen und Arme gleichermaßen richten. Wenn Ines Schwerdtner sagt, „Antifa heißt Wohlfahrtsstaat“, antworten wir: „Antifa heißt Antimilitarismus und Palästinasolidarität“.
Die Partei Die Linke ist und war nie so eine Kraft. Zu eng ist ihre Existenz ist eng an die Mitverwaltung des kapitalistischen Staates geknüpft. Dafür reicht es, sich vor Augen zu führen, dass es eigentlich billig wäre, wenn man schon einen voll auf Opposition ausgerichteten Wahlkampf führt, wie es Schwerdtner, van Aken und Co. behaupten, die Mitschuld der deutschen Regierung am Genozid in Gaza anzuprangern. Stattdessen wurden palästinasolidarische Aktivist:innen aus der Partei ausgeschlossen – und zwar eben unter den „Erneuer:innen“ Schwerdtner und van Aken, nachdem die größten Zionist:innen wie Lederer und Breitenbach schon gegangen waren. Doch es gehört zur DNA der Linkspartei, den deutschen Imperialismus immer dort zu stützen, wo es am meisten zählt.
Aus diesem Grund sind wir der Meinung, dass es dringend nötig ist, eine vom Reformismus und allen Bürokratien und Instanzen des erweiterten Staates unabhängige, revolutionäre Kraft aufzubauen. Eine Kraft, die unversöhnlich gegen den deutschen Nationalismus und Imperialismus kämpft, statt ihnen einen humanitären Anstrich zu geben. Und das kann nur bedeuten, eine Kraft aufzubauen, die die Macht der Kapitalist:innen brechen und eine Regierung der Arbeiter:innen etablieren will, die den Sozialismus erkämpft.
Als Revolutionäre Internationalistische Organisation mit unserer Website Klasse Gegen Klasse wollen wir unseren bescheidenen Beitrag zum Aufbau einer solchen Kraft leisten. Als Teil davon haben wir zur bevorstehenden Bundestagswahl ein Wahlbündnis mit der Revolutionär Sozialistischen Organisation (RSO) geschlossen, um in drei Wahlbezirken sozialistische Arbeiter:innen als unabhängige Direktkandidat:innen aufzustellen, um diese Perspektive stark zu machen. International kämpfen wir als Teil der Trotzkistischen Fraktion für die Vierte Internationale (FT-CI) für den Aufbau einer solchen Kraft auf internationaler Ebene.
Für eine neue linke Kraft, die den Kapitalist:innen und den Rechten den Kampf ansagt
Zugleich sind wir der Meinung, dass eine materielle Kraft, die die Interessen der Kapitalist:innen tatsächlich angreifen kann, nicht durch das einfache Wachstum unserer Organisation aufgebaut werden kann (und schon gar nicht dadurch, einfach unsere Kandidat:innen zu wählen, wie es Die Linke immer wieder propagiert). Im Gegenteil braucht es dazu die lebendige Erfahrung der Arbeiter:innen und der Jugend im Klassenkampf und die Fusion von Revolutionär:innen mit den fortgeschrittensten Sektoren dieser Kämpfe.
Damit sich die Arbeiter:innenklasse überhaupt als selbständiger politischer Akteur konstituieren kann, muss sie Erfahrungen im politischen Kampf und Vertrauen in ihre eigene Stärke entwickeln. Gerade deshalb ist den Bürokratien der reformistischen Apparate ein Dorn im Auge, wenn sich die Massen selbst organisieren, da ihre Rolle als Vermittler:innen zum Kapital so in Gefahr gerät. Deshalb beschränken sie immer wieder gerade die Maßnahmen und Instanzen, die dazu beitragen könnten, eine größere Einheit und Entschlossenheit im Kampf zu entwickeln, wie Streikversammlungen oder betriebs- und branchenübergreifende Aktionskomitees, und trennen ökonomische und politische Forderungen voneinander, anstatt wie beispielsweise im Tarifkampf des öffentlichen Dienstes auch gegen Aufrüstung, Sozialkahlschlag und Abschiebungen zu streiken.
Aus diesem Grund setzen wir als Revolutionär:innen auf den Aufbau von Instanzen der Selbstorganisation und Koordination, in denen alle Sektoren im Kampf zusammenkommen können, um über ihre Ziele und nächsten Schritte zu diskutieren und gemeinsam zu entscheiden. Nur so kann es gelingen, die von der herrschenden Klasse und dem Staat gespaltenen Arbeiter:innen und Unterdrückten – wie aktuell insbesondere anhand der Kategorie migrantisch/nicht-migrantisch – zu vereinen. Dies beinhaltet unbedingt auch die politische Konfrontation mit den bestehenden Führungen, die diese Spaltung nur allzu oft selbst mit aufrechterhalten. Gerade der Kampf gegen Rechts kann nur tatsächlich geführt werden, wenn die Kämpfe für die Abschaffung sämtlicher rassistischer Gesetze, den Stopp von Abschiebungen, gegen die Spaltungen und Angriffe auf die Lebensbedingungen der Massen, mit den gewerkschaftlichen Tarifrunden und Kämpfen gegen Kürzungen und Schließungen, gegen die Militarisierung, den Krieg und den Genozid, die wichtige Grundlagen des Rechtsrucks sind, zusammengeführt werden.
Um den Aufstieg der Rechten und die Angriffe der kommenden Regierung und der Bosse zurückzuschlagen, brauchen wir Massenmobilisierungen, Streiks und Blockaden. Wir kämpfen selbstverständlich an einer Seite mit all den Linkspartei-Mitgliedern, die den Rechtsruck tatsächlich stoppen wollen und fordern die Führung der Partei auf, diese Mobilisierungen mit aller Kraft voranzutreiben. Aber wir vertrauen weder darauf, dass eine Stimme für die Linkspartei bei der kommenden Wahl diese Perspektive verwirklichen kann, noch dass die Partei ohne den konsequenten Druck der selbstorganisierten Basis in diesem Sinne aktiv werden wird.
Die „alte“ Linke hat ihre Unfähigkeit zur von der deutschen Staatsräson unabhängigen Aktion unter Beweis gestellt, und wird dies auch nach der Wahl weiter tun. Es ist höchste Zeit, eine neue linke Kraft aufzubauen. Eine antimilitaristische, antikapitalistische und antiimperialistische Linke, die die politische Unabhängigkeit der Arbeiter:innenklasse erkämpft und den Kapitalist:innen und den Rechten den Kampf ansagt.