Welche Alternative zu Trump und Biden? Eine Auseinandersetzung mit der Green Party und mit der SAV/SAlt
Die US-Wahl steht kurz vor der Tür und ein Teil der Wähler:innen sucht verzweifelt nach einer Alternative zu den beiden großen Parteien. Warum Howie Hawkins, Präsidentschaftskandidat der Green Party, dennoch keine sozialistische Alternative zu den beiden Parteien des Kapitals ist.
Dieser Artikel ist eine ausgebaute Version des Artikels „A Socialist Case Against Howie Hawkins and the Green Party“ von Ezra Brain, der am 22. September 2020 bei Left Voice erschien.
Joe Biden und Donald Trump verkörpern die verdorbensten Elemente des US-amerikanischen Kapitalismus und haben – inmitten des größten Aufstandes gegen rassistische Gewalt in der Geschichte der USA – eine entsetzliche Bilanz an rassistischen Ausfällen vorzuweisen. Millionen von Wähler:innen – darunter auch einige der organisierten Linken – suchen nach Kandidat:innen die für ihre politsichen Interessen kämpfen. Diese Abkehr von einer Logik des “geringeren Übels” ist ein wichtiger Schritt und zeigt, dass die momentane Situation einen Linksruck verursacht hat. Viele fühlen sich vor diesem Hintergrund in Richtung der “Green Party” und Howie Hawkins gezogen.
Hawkins, der Präsidentschaftskandidat der Grünen, ist an sich ein spannender Kandidat: Er ist langjähriger Gewerkschafter, ehemaliger UPS-Arbeiter und engagierter Linker. Die “Green Party”, welche 2016 rund 1,5 Millionen Stimmen erhielt, gab sich auf ihrem Parteikongress 2016 formell das Label „öko-sozialistisch“. Hawkins wird, wie alle anderen Kandidat:innen „dritter“ Parteien, auf Schritt und Tritt durch ein undemokratisches Wahlsystem ausgeschlossen, das darauf abzielt, nur die beiden bürgerlichen Parteien an der Macht zu halten. Dies hat viele Sozialist:innen dazu veranlasst, Hawkins und die Grüne Partei in dem Glauben zu unterstützen, dass er entweder ein Sozialist ist oder dass eine Stimme für die Grüne Partei eine Möglichkeit ist, das kapitalistische System herauszufordern. Dazu gehört neben den Redaktionen von Tempest und Teilen von Jacobin auch die Organisation Socialist Alternative von Stadträtin Kshama Sawant, deren Schwesterorganisation in Deutschland die SAV ist.
Die Aufgabe der Solzialist:innen in diesem Wahlzyklus, wo zwei Kandidaten des US-Imperialismus die nächsten Angriffe auf die Arbeiter:innenklasse und sogar Kriege vorbereiten, besteht jedoch nicht darin, eine Politik in dem Lager der kapitalistischen Grünen zu machen. Denn es gehört zur Strategie dieser Partei, den US-Kapitalismus mit „nachhaltigem“ Antlitz weiter zu verwalten.
Eine Mehrklassen-Partei für den „Öko-Sozialismus“
Obwohl ein Großteil ihrer Rhetorik sicherlich ansprechend ist, ist es wichtig zu verstehen, dass die Grüne Partei weit von einer revolutionären, sozialistischen oder auch nur einer Arbeiter:innenpartei entfernt ist. Sie ist eine Mehrklassen-Partei, die nach dem Prinzip arbeitet, dass es möglich ist, die gegensätzlichen Interessen der Arbeiter:innenklasse und der Kapitalist:innen miteinander in Einklang zu bringen. Während das Parteiprogramm also von der Notwendigkeit spricht, die Macht aus den Händen des gierigen „einen Prozents“ zu entreißen, hat die Partei 1996 und 2000 auch Ralph Nader, einen Millionär und “Union Buster” – also einen scharfen Gewerkschaftsgegner –, als Präsidentschaftskandidaten nominiert. Aber die Geschichte zeigt, dass Mehrklassenparteien, egal welcher Herkunft, durch die Kapitalist:innen, die sie in ihren Reihen zulassen, immer von ihren bürgerlichen Elementen dominiert werden. Obwohl Hawkins sicherlich links von Nader und Jill Stein, der Kandidatin der Grünen von 2016, steht, ändert sein Name auf dem Wahlzettel nichts an der Natur der Partei selbst.
Da die Grüne Partei um ein „Thema“ – die Umwelt – und nicht um eine Klasse organisiert ist, hat sie Kapitalist:innen in ihre Reihen gelassen, und diese kontrollieren die Partei. Um dies zu sehen, müssen wir uns nur den Widerspruch zwischen der Website von Hawkins und dem Programm der Grünen Partei selbst ansehen. Hawkins ist der einzige Kandidat mit breitem Wahlzugang, der den „Green New Deal“ als Teil seines Programms hat, und auf seiner eigenen Website heißt es: „Die Umsetzung des Green New Deal erfordert Öko-Sozialismus – gesellschaftliches Eigentum in Schlüsselsektoren, um den koordinierten Umbau aller Wirtschaftssektoren im Sinne ökologischer Nachhaltigkeit demokratisch zu planen.„ Auf der offiziellen Website der Grünen Partei wird diese Vorstellung von „Öko-Sozialismus“ jedoch sofort Lügen gestraft: „Wirtschaftsführer, Werbeagenturen und sogar Hollywood müssen angeworben werden [um den Kampf gegen den Klimawandel zu unterstützen], als eine Gegenleistung für die Rettung von Banken und Unternehmen durch die Regierung.
Mit anderen Worten, die “Green Party” ist durchaus bereit, Banken und Unternehmen durch Staatshilfen zu retten, solange sie den Kampf gegen den Klimawandel unterstützen – als ob Kapitalist:innen jemals tatsächlich gegen den Klimawandel kämpfen könnten. Diese Politik müssen wir als Sozialist:innen verurteilen und stattdessen dafür kämpfen, die Banken und die Unternehmen unter die Kontrolle der Arbeiter:innen zu verstaatlichen, anstatt mit den Kapitalist:innen schräge Deals einzugehen. Die Green Party ist jedoch vollkommen glücklich damit, das System des Kapitalismus aufrechtzuerhalten und aktiv mit Banken und Unternehmen zusammenzuarbeiten. Die Grünen unterstützen das Privateigentum an Produktionsmitteln, nur mit ein paar mehr Vorschriften. Das ist nicht sozialistisch – es ist nichts anderes als ein Versuch, den Kapitalismus zu reformieren.
Die Zusammenarbeit mit dem Kapital ist im Kampf gegen den Klimawandel genauso katastrophal wie im Kampf für den Sozialismus. Es liegt in der Natur des Kapitalismus, dass er sich immer weiter ausdehnen und größere Profite erwirtschaften muss. Um dies zu erreichen, müssen die Unternehmen weiterhin sowohl Arbeitskraft als auch natürliche Ressourcen ausbeuten. Einen „nachhaltigen Kapitalismus“ gibt es nicht – ebenso wenig wie es einen „Öko-Sozialismus“ Hand in Hand mit Banken und Unternehmen geben kann.
Sozialismus bedeutet die Arbeiter:innenkontrolle über die Produktionsmittel durch einen Arbeiter:innenstaat, als ein Schritt zur Abschaffung der gesellschaftlichen Klassen. In einem sozialistischen System würde die Umwelt durch die Macht der demokratischen Planung der Wirtschaft durch die Arbeiter:innen geschützt. Der Schutz der Umwelt und die Schaffung einer ökologisch nachhaltigen Wirtschaft wären ein fester Bestandteil eines sozialistischen Wirtschaftssystems. Dass die Green Party den abstrakten und unklaren Begriff des „Öko-Sozialismus“ als Slogan benutzt und gleichzeitig eine aktive Zusammenarbeit mit den Kapitalist:innen vorschlägt, zeigt den völligen Bankrott ihrer Strategie. Die Grünen schmücken sich mit radikalen Slogans, bieten aber kaum mehr als Klassenzusammenarbeit und leere Reformen an. Letztendlich glauben die Grünen an eine Wirtschaft, die weder kapitalistisch noch sozialistisch, sondern „öko-sozialistisch“ ist – was in der Praxis wie eine verwässerte Version der europäischen Sozialdemokratie auszusehen scheint, in der die Kapitalist:innen weiterhin sowohl die Arbeiter:innen als auch die Umwelt ausbeuten können, aber auf eine „nachhaltigere“ Art und Weise – am Ende bleiben die kapitalistischen Produktions Gesellschaftsverhältnisse bestehen.
Der Sozialismus ist mehr als nur eine verstaatlichte Industrie, was zweifellos das ist, was Hawkins andeutet, wenn er sagt: „gesellschaftliches Eigentum in Schlüsselsektoren“. Viele Länder haben Industrien verstaatlicht, aber das macht sie noch lange nicht sozialistisch – der Staat wird immer noch von der Bourgeoisie kontrolliert. Der bloße Austausch von Bossen durch Regierungsbürokrat:innen ändert nichts an den Klassenbeziehungen innerhalb der Wirtschaft. Solzialist:innen sollten die Verstaatlichung von Industrien unter Arbeiter:innenkontrolle fordern, was sicherstellen würde, dass neu in Staatsbesitz befindliche Unternehmen von den Arbeiter:innen zur Befriedigung der gesellschaftlichen Bedürfnisse und nicht zur Gewinnmaximierung geführt werden. Hawkins‘ Versagen, dies zu fordern, zeigt die Grenzen des Kampfes für einen „Sozialismus“ innerhalb eines Mehrklassenrahmens: Die Kapitalist:innen in der Partei verwässern das Programm, bis es nur noch kleinere Reformen sind, die den Kapitalismus als Wirtschaftssystem nicht gefährden.
Elektoralismus allein reicht nicht aus
Die Grenzen der Politik der Grünen Partei sind in ihrem gesamten Programm sichtbar. Einige ihrer Vorschläge (wie die Schaffung eines Nationalen Gesundheitsdienstes) sind relativ radikal, während andere (wie der Vorschlag, „die Macht der Konzerne einzuschränken„, indem „die Konzerne so umgestaltet werden, dass sie unserer Gesellschaft, der Demokratie und der Umwelt dienen“) die gefährliche Illusion verbreiten, dass Konzerne dem öffentlichen Wohl dienen könnten. Auch wenn sie insgesamt einige Reformen vorschlagen, die der Arbeiter:innenklasse zugute kämen, macht ihr Programm sehr deutlich, dass es den Grünen darum geht, den Kapitalismus zu reformieren, nicht ihn zu besiegen. Keine der Forderungen der Partei stellt den Kapitalismus als System in Frage.
Sozialist:innen müssen für jede Reform kämpfen, die den Arbeiter:innen und Unterdrückten zu Gute kommt. Aber wir wissen, dass die Kapitalist:innen jede Reform, die wir erringen, bei der ersten Gelegenheit rückgängig machen werden. Echte Veränderungen können nicht durch Wahlen errungen werden – sondern nur, indem wir auf der Straße protestieren und die Kontrolle der Kapitalist:innen über die Produktionsmittel herausfordern. Wahlkampagnen – insbesondere auf nationaler Ebene – können diese Kämpfe verstärken, aber wir müssen jeden Kampf für Reformen als Teil einer größeren Strategie formulieren, um die Macht der Arbeiter:innenklasse aufzubauen und den Kapitalismus zu stürzen.
Unser Ziel muss es immer sein, den Kampf für den Sozialismus voranzutreiben, was bedeutet, eine Kraft der Arbeiter:innenklasse aufzubauen, die stark genug ist, den kapitalistischen Staat zu stürzen. Die Teilnahme an Wahlen kann eine wichtige Taktik sein, um beim Aufbau dieser Kraft zu helfen, aber wir müssen der Anziehungskraft des Wahlsystems als Strategie widerstehen. Die Geschichte ist übersät mit den Kadavern von Parteien, die versucht haben, den Sozialismus an der Wahlurne einzuführen. Es ist eine Strategie, die nur zur Katastrophe führt.
Wenn wir Wahlen nutzen, dann sollte sie dazu dienen, Unterstützung für die Perspektive der Revolution zu sammeln. Wir müssen uns darüber im Klaren sein, wie wir Wahlen nutzen können, um den Aufbau einer wirklich revolutionären Partei voranzutreiben – einer Partei, die in der Arbeiter:innenklasse verankert ist und die sich aktiv auf den Moment der Revolution vorbereitet, und nicht die mit den Kapitalist:innen für den „Öko-Sozialismus“ kollaboriert.
Die “Green Party” ist eine Sackgasse für Sozialist:innen
In einem Artikel in Tempest argumentieren Ashley Smith und Charlie Post: „Es ist klar, dass Sozialist:innen wann immer möglich mit eigenen Kandidat:innen und mit unserer eigenen Partei an Wahlen teilnehmen müssen. Deshalb plädieren wir dafür, trotz der Probleme der Grünen Partei für Howie Hawkins zu stimmen, als Protestwahl und Alternative zur Sackgasse des kleineren Übels“.
Socialist Alternative und ihre Schwesterorganisation SAV argumentieren ganz ähnlich: „Doch obwohl wir mit Howies Programm einverstanden sind, glauben wir nicht, dass die Grüne Partei das Mittel sein wird, um eine linke politische Alternative aufzubauen. Unsere Unterstützung für Hawkins basiert darauf, dass wir keine Zeit verlieren wollen, die leblose Demokratische Partei zu verlassen.“
Diese Zitate sind aufschlussreich, weil sie zeigen, wie viele Sozialist:innen, die erkennen, dass die Grüne Partei eine Mehrklassenpartei und nicht sozialistisch ist, ihre Unterstützung für Howie Hawkins rationalisieren. Sie argumentieren, wie auch der Jacobin-Redakteur Bhaskar Sunkara, dass wir aus Protest gegen die Demokratische Partei für Hawkins stimmen, aber nicht die Grüne Partei als Institution aufbauen sollten. Das Interessanteste an dieser Argumentationslinie ist, dass sie, obwohl sie als Argument gegen das kleinere Übel eingesetzt wird, eine sehr ähnliche Logik aufweist.
Die Logik des „geringeren Übels“ schlägt vor, dass wir einen Kandidaten unterstützen, der in direkter Opposition zu unserer Politik steht (Joe Biden), um einem Kandidaten zu widerstehen, der noch mehr gegen unsere Politik ist (Donald Trump). Die damit verbundenen Probleme sind zahlreich – viele davon werden in dem Artikel von Smith and Post skizziert. Aber dies ist die gleiche Logik, die auch bei der Aufforderung zur Unterstützung der Grünen angewandt wird.
Es wird argumentiert, dass Sozialist:innen die Grünen unterstützen sollten – auch wenn ihr Programm die Fortsetzung des Kapitalismus fordert –, um gegen eine rechtere kapitalistische Partei zu protestieren. Dies werde zeigen, dass die Demokraten die Unterstützung der Öffentlichkeit verloren haben, was – so die Theorie – die Schaffung einer linken dritten Partei erleichtern wird, die stark genug wäre, es mit den Demokraten und Republikanern aufzunehmen.
Aber die Widersprüche dieser Position machen sie für Sozialist:innen unhaltbar. Erstens, während Hawkins natürlich links von Biden steht, hilft die Grüne Partei der Arbeiter:innenklasse im Kampf für den Sozialismus nicht, weil sie die Fortsetzung des Kapitalismus fordert. Außerdem spielt die Grüne Partei keine Rolle beim Vorantreiben des Klassenkampfes. Sie waren in der Black Lives Matter-Bewegung, die Millionen auf die Straße brachte, nicht präsent, und sie haben während der Pandemie keine Arbeitskämpfe geführt. Sie sind kein Teil des Klassenkampfes, und sie fördern das Klassenbewusstsein der Arbeiter:innen nicht, weil die Grünen niemanden dazu auffordern, für eine Arbeiter:innenpartei, sondern vielmehr für eine Mehrklassenpartei zu stimmen. Dies ignoriert nicht nur die zentrale Stellung der Arbeiter:innenklasse, sondern setzt auch die Illusion fort, dass eine Klassenversöhnung möglich ist. Darüber hinaus wären die Grünen, wie wir international gesehen haben, wenn sie tatsächlich gewählt würden, letztlich genauso verheerend für die Werktätigen wie jede andere neo-reformistische Partei.
Dieser Widerspruch springt in der Argumentation der SAV besonders ins Auge: „Wenn wir die Politik des Großkapitals besiegen wollen, müssen wir eine neue, von der Führung der Demokratischen Partei völlig unabhängige Partei gründen, die echte demokratische Strukturen und ein Programm für die Arbeiter*innenklasse hat.“ Aber wie soll eine Stimmabgabe für eine prokapitalistische Partei dabei helfen?
Es ist nicht möglich, sowohl eine Stimme für die Grünen zu fordern, als auch gleichzeitig zu versuchen, gegen sie zu arbeiten. Wir befinden uns in einer tiefen kapitalistischen Krise, in der Millionen von Menschen gerade erst auf die Straße gegangen sind und Millionen weitere sowohl unter der Pandemie als auch unter der Wirtschaftskrise leiden. Jetzt ist die Zeit, in der die Sozialist:innen sehr klar sagen müssen, was genau wir unterstützen. Die vielen Tweets Anfang dieses Jahres über einen #DemExit (Twitter-Hashtag, der dazu animiert, aus der Demokratischen Partei auszutreten) zeigen, dass die Menschen den Glauben an die Demokratische Partei verlieren. Die Tatsache, dass die Green Party in jedem Wahlzyklus Millionen Wähler:innen anzieht, zeigt, dass es in der Öffentlichkeit ein Bedürfnis für eine linke Partei gibt. Die Unterstützung für den Sozialismus unter jungen Menschen ist so groß wie seit Generationen nicht mehr, und Sozialist:innen müssen sowohl konkret als auch strategisch vorgehen, wenn es darum geht, wie wir im gegenwärtigen Augenblick aufbauen.
Eine Stimmabgabe für die Grünen stellt für sie eine akzeptable Alternative zu den beiden großen Parteien des Kapitals dar. Anstatt die Vorbereitungsarbeit zu leisten, die für den Aufbau einer sozialistischen Partei der Arbeiter:innenklasse notwendig ist, fordern diese Sozialist:innen die Abstimmung für eine Partei, die den Kapitalismus unterstützt.
Deshalb hat das Argument, für die Grünen zu stimmen, letzten Endes zu viele Ähnlichkeiten mit der Strategie des kleineren Übels, um es zu ignorieren. Diese Strategie scheint zu argumentieren, dass es sich zu unseren Gunsten auswirken kann, wenn wir unsere Unterstützung einer kapitalistische Partei geben (selbst eine, die sich selbst als „öko-sozialistisch“ bezeichnet), weil dadurch günstigere Bedingungen für die eigene Organisierung geschaffen werden. Aber in Wirklichkeit begreift dieses Argument nicht die Rolle, die Wahlen bei der Gewinnung von Unterstützung für sozialistische Ideen spielen können, und verschleiert die Vision der Sozialist:innen für einen massenhaften Wandel. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass wir Sozialist:innen unnachgiebig für unsere politische Unabhängigkeit einstehen, besonders in Krisenzeiten, sodass wir niemals die Arbeiter:innenklasse verraten, indem wir unsere Unterdrücker unterstützen. Ihre Strategie kompromittiert unsere Prinzipien in der Hoffnung, dass sie dadurch bei den „Massen“ sind und dadurch mehr Einfluss erlangen. Mit dieser Logik haben sie schon Bernie Sanders unterstützt, was komplett gescheitert ist, auch weil Sanders seine Forderungen verraten hat und heute offen für Joe Biden und sein bürgerliches Programm wirbt. Jetzt unterstützen sie mit der selben Logik die Grünen.
Die Grüne Partei offenbart die Grenzen der abstrakten Forderung nach einer dritten Partei. Es ist zwar sicherlich richtig, dass die Demokratische Partei für Sozialist:innen eine Sackgasse ist, aber das bedeutet nicht, dass die Wahl irgendeiner Partei, die „unabhängig“ von den Demokraten oder Republikanern ist, den Sozialismus vorantreibt. Für die Green Party zu stimmen, ist nur ein anderer Weg, mit dem sich Sozialist:innen aus der Wahl selbst ausschließen.
Für eine Arbeiter:innenpartei, die für den Sozialismus kämpft
Sozialist:innen sollten das demokratische Recht der Grünen Partei unterstützen, bei Wahlen zu kandidieren, Wahlzugang zu erhalten und sich an Debatten zu beteiligen. Aber Sozialist:innen sollten es nicht unterstützen, für Hawkins und die Green Party zu stimmen, um für den Sozialismus oder gegen die Demokraten und Republikaner zu kämpfen. Die Gründe dafür sind überwältigend. Die Partei und ihr Kandidat liegen mit den Kapitalist:innen im Bett, weil die Grüne Partei eine Mehrklassenpartei ist. Sie kann niemals für den Sturz des Kapitalismus oder die Errichtung eines Arbeiter:innenstaates eintreten. Stattdessen schlagen Hawkins und die Grünen vor, einige Industrien zu verstaatlichen, einige Reformen durchzuführen und Partnerschaften mit Unternehmen zu gründen, um den Klimawandel zu bekämpfen. Dies ist ein unzureichendes Programm einer Mehrklassenpartei mit einer inhärent populistischen Strategie.
Die Logik, eine Partei, die für ein Programm der Klassenversöhnung steht – wie es in Deutschland auch die Linkspartei ist, in welcher sich die SAV organisiert –, zu unterstützen, um eine diffus linke Massenorganisation aufzubauen, bevor Sozialist:innen einen ernsthaften politischen Bruch mit reformistischen Strategien vorschlagen können, ist Ausdruck einer Etappenlogik, die die dringend notwendige Vorbereitungsaufgabe unterschätzt, schon heute für den Aufbau einer revolutionären Partei zu kämpfen und dabei auch die Wahlen als Bühne für diese Ideen zu nutzen.
Es reicht nicht aus, einfach links von der Demokratischen Partei zu stehen. Wir brauchen eine Arbeiter:innenpartei, die für den Sozialismus und gegen den Imperialismus kämpft. Wir brauchen eine Partei, die die Grenzen von Wahlen versteht und weiß, wie man sie nutzt. Wir brauchen eine Partei, die für Reformen nicht als Selbstzweck, sondern als Teil einer größeren Strategie zum Sturz des kapitalistischen Staates kämpft. Und wir müssen jetzt damit beginnen, diese Partei aufzubauen.
Die Green Party ist nicht die Partei, die wir brauchen, und als eine Mehrklassenorganisation wird sie niemals diese Partei werden – obwohl einige linke Sektoren der Green Party sich von der Partei abspalten und beim Aufbau einer revolutionären Organisation helfen könnten. Wir befinden uns inmitten einer Pandemie, der schlimmsten Wirtschaftskrise seit Jahrzehnten, einer Klimakrise und einem Vorstoß der Rechten. Wir haben keine Zeit, herumzusitzen und darauf zu warten, dass diese Partei gegründet wird, wir müssen jetzt die vorbereitenden Aufgaben in Angriff nehmen. Denn die Rechten sind jetzt auf dem Vormarsch, und der einzige Weg, sie zu bekämpfen, ist der Klassenkampf und eine organisierte Linke. Wir dürfen unsere Energien nicht an Mehrklassenparteien verschwenden in der vergeblichen Hoffnung, dass die Dinge zu unseren Gunsten ausgehen werden. Jetzt ist es an der Zeit, mit der Organisierung einer revolutionären Partei zu beginnen.