Weidel wird Kanzlerkandidatin: AfD verbieten oder zerschlagen?

07.12.2024, Lesezeit 9 Min.
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Die AfD hat erstmals eine Kanzlerkandidatin nominiert: Alice Weidel soll die Partei bei der Bundestagswahl 2025 anführen. Warum wir nicht auf ein gerichtliches Verbot hoffen sollten und wie wir die extreme Rechte stattdessen schlagen können.

Heute ist es offiziell: Alice Weidel tritt als Kanzlerkandidatin der AfD an. In Talkshows könnte sie neben Scholz, Habeck und Merz mit ihrer rassistischen Rhetorik punkten. Nationalistische Positionen wie ein EU-Austritt, Rufe nach einem Verbot von Abtreibung und geschlechtlicher Selbstbestimmung prägen ihren Kurs, während sie den ultrarechten Flügel der Partei um Björn Höcke mit seinen Nazi-Aussagen schützt. Doch der Aufstieg der AfD bleibt ungebrochen.

In Umfragen zur Bundestagswahl steht sie seit Monaten bei etwa 18 Prozent und zielt darauf ab, hinter der Union die zweitgrößte Partei im nächsten Bundestag zu werden. Mit ihrer extrem rechten, rassistischen, frauen- und queerfeindlichen Agenda stellt sie eine große Gefahr für alle Unterdrückten dar. Viele machen sich berechtigterweise Sorgen über den Aufstieg der AfD und sind davon überzeugt, dass sie bekämpft werden muss – vermeintlich auch die Politiker:innen der Union und ehemaligen Ampelkoalition, die sich Anfang des Jahres auf Anti-AfD Protesten als „Brandmauer gegen Rechts“ stilisierten. Das hinderte sie jedoch nicht daran, selbst immer weiter auf die Forderungen der Rechten einzugehen. Zynischerweise wird die Verschärfung der Migrationsgesetze auch noch als Rezept zur Bekämpfung der AfD verkauft, so warb die FDP bei den Europawahlen mit dem Slogan: „Migration begrenzen, sonst tun es die Falschen“.

Eine Forderung, die immer wieder erhoben wird, ist die eines Verbots der AfD. Entsprechende Petitionen wurden millionenfach unterschrieben und vor einigen Monaten brachten Abgeordnete von CDU, SPD, Grünen und Linkspartei einen Antrag zur Prüfung eines Verbotsverfahrens im Bundestag ein. Doch kann ein Verbotsverfahren den Aufstieg der extremen Rechten stoppen?

Woher kommt der Rechtsruck?

Der aktuelle Rechtsruck ist allgegenwärtig und erstreckt sich viel weiter als die Wahlergebnisse der AfD. Auf der Straße, aber auch in den Betrieben ist ein Anstieg rassistischer Vorurteile und konservativer, queerfeindlicher Ideen zu spüren. Währenddessen treten Neonazis mit gestärktem Selbstbewusstsein gegen marginalisierte und linke Gruppen auf, wie etwa bei den geplanten Anschlägen auf CSDs oder Aufmärschen im historisch linken Berlin-Friedrichshain. 

Die Unfähigkeit der Regierung, die wirtschaftliche Krise zu lösen und ihre unsoziale Politik, die die Kosten dieser Krise mit Kürzungen in allen Bereichen außer dem Militär, auf die Arbeitenden und Armen abzuladen, rufen in wachsenden Teilen der Bevölkerung Abstiegsängste und Perspektivlosigkeit hervor. Mit den von den großen Auto-,Stahl- und Chemiekonzernen angekündigten Werksschließungen und Massenentlassungen droht ein neues Niveau der sozialen Verwüstung. 

Die AfD schafft es mit einer Mischung aus rassistischer Hetze, die an bestehende Vorurteile anknüpft und einem rechtspopulistischen Anti-Establishment-Diskurs diese Unzufriedenheit für sich zu nutzen. Sie inszeniert sich als Partei der „kleinen Leute“ und konsequente Opposition gegen die Regierung. Dabei vertritt sie selbst eine neoliberale und beschäftigtenfeindliche Politik, die der FDP in nichts nachsteht. Sie ist gegen die Erhöhung des Mindestlohns, für eine Einschränkung des Streikrechts, für Zwangsarbeit, für Kürzungen des Bürgergelds, Privatisierungen und für die Kürzung der Renten. Sie tritt für massive Steuererleichterungen für Großunternehmen, gegen Vermögenssteuern und somit eine höhere Belastung der arbeitenden Menschen ein. Entgegen ihrer Inszenierung als Friedenspartei befürwortet sie vehement die Aufrüstung der Bundeswehr und forderte im Bundestag die Wiedereinführung der Wehrpflicht.

Doch die Regierungsparteien haben mit ihrer Kürzungs- und Kriegspolitik nicht nur den Nährboden für den Erfolg der AfD vergrößert: Ihre Antwort auf die Erfolge der Rechten besteht darin, sich selbst immer weiter an das Programm der AfD anzupassen. Mit der Einführung von Grenzkontrollen, Bezahlkarten und großangelegten Abschiebeoffensiven setzte die Ampelkoalition um, was vor Jahren nur die AfD forderte. Währenddessen haben Merz und seine Partei die Regierung mit immer grausameren Forderungen gegen Geflüchtete und Bürgergeldampfänger:innen unter Druck gesetzt und bereiten sich auf noch härtere Angriffe in einer kommenden Unionsgeführten Regierung vor. Die AfD freut sich über diese Entwicklung: In der ARD erklärte Bernd Baumann, parlamentarischer Geschäftsführer der Bundestagsfraktion: „AfD wirkt“. Das zeige sich daran, dass die anderen Parteien „unsere zentralen Forderungen zur Zuwanderung übernommen haben“. Auch die massive Repression gegen die Palästina-Solidaritätsbewegung ist ganz im Sinne der AfD und trägt dazu bei, den antimuslimischen Rassismus weiter zu schüren. Als der Bundestag mit großer Mehrheit die rassistische und autoritäre Antisemitismusresolution verabschiedete, frohlockte Beatrix von Storch: „Sie nehmen unsere Vorschläge nun auf“.

Während sich die Parteien der „Mitte“ programmatisch der AfD annähern, bewahren sie formal politische Distanz. Doch auch diese „Brandmauer“ scheint zunehmend rissiger zu werden. Insbesondere in Ostdeutschland denken CDU und BSW mittlerweile laut über eine verstärkte Zusammenarbeit mit der AfD nach, erste Schritte, etwa mit gemeinsamen Abstimmungen, hat es bereits gegeben. 

Vor diesem Hintergrund wird klar, warum die Hoffnung auf ein AfD-Verbot irreführend ist. Abgesehen von den technischen Schwierigkeiten, eine Partei die bei fast 20 Prozent in den Umfragen und steht und breite Sympathien unter Richter:innen und Sicherheitsbehörden genießt, zu verbieten, handelt es sich um eine kosmetische Maßnahme, die die wirklichen Ursachen des Rechtsruck nicht angeht. Es ist kein Wunder, dass ein Verbotsverfahren von Teilen der ehemaligen Ampelparteien und Union unterstützt wird: Sie können sich vor ihrer Wähler:innenschaft als konsequente Antifaschist:innen inszenieren, einen politischen Konkurrenten loswerden und gleichzeitig von ihrer eigenen Verantwortung für den Rechtsruck ablenken. Zudem müssen wir uns bewusst werden, dass alle Mittel, die der Staat gegen die extreme Rechte einsetzt, in doppelter Stärke Linke und Antifaschist:innen treffen werden. Um die AfD zu stoppen, dürfen wir nicht auf die Regierungsparteien, Gerichte, Verfassungsschutz oder Polizei vertrauen. 

Wie schlagen wir die AfD?

Auch die Linkspartei hat es nicht geschafft, dem Rechtsruck etwas entgegenzusetzen. Das liegt vor allem daran, dass sie sich bei zahlreichen relevanten Fragen mehr oder weniger an die Regierungslinie angepasst und so die Opposition der AfD überlassen hat. Sei es bei der Coronapolitik, die vor allem die Profite der Großkonzerne schützte, der massiven Aufrüstung und Waffenlieferungen an die Ukraine oder der deutschen Unterstützung des Genozids in Palästina. Die BSW stellt sich zwar verbal gegen die Aufrüstung, bläst mit ihrer rassistischen Hetze aber ins gleiche Horn wie die AfD. 

Als RIO/Klasse Gegen Klasse treten wir gemeinsam mit der RSO zu den Bundestagswahlen mit drei Direktkandidat:innen in Berlin und München an, um sowohl der AfD und militanten Nazis einen konsequenten Kampf ansagen, als auch eine sozialistische Alternative zur Kriegs- und Verarmungspolitik von SPD, Grünen, FDP und Union aufzuzeigen. Dabei denken wir nicht, dass der Rechtsruck an der Wahlurne einfach durch ein Kreuz gestoppt werden kann. 

Vielmehr braucht es massive Mobilisierungen der Gewerkschaften, Betriebsgruppen, Nachbarschaftsinitiativen, linken Organisationen und sozialen Bewegungen, um die Parteitage, Wahlstände und Veranstaltungen der AfD zu blockieren. Um Demonstrationen, Streikposten, migrantische sowie religiösen Einrichtungen und Gewerkschaftshäuser gegen mögliche Neo-Nazi Attacken zu verteidigen, müssen wir massenhaft Selbstschutz, ausgehend von den Betrieben, Nachbarschaften, Schulen und Universitäten organisieren. Die Polizei, selbst von extremen Rechten durchsetzt und für rassistische Angriffe verantwortlich, ist dabei niemals unser Verbündeter und muss definanziert und entwaffnet werden. 

Um der AfD ihren Nährboden zu entziehen, ist eine massive Aufklärungskampagne nötig. Überall wo wir sind, müssen wir unseren Kolleg:innen, Nachbar:innen und Mitschüler:innen den arbeiter:innenfeindlichen Charakter der AfD erklären und ihre rassistischen und queerfeindlichen Lügen, die nur den Bossen dienen, entlarven. Stattdessen müssen wir ein Forderungen aufstellen, die jegliche rassistische, sexistische und queerfeindliche Spaltung überwinden und einen Ausweg der Arbeiter:innen und Jugend aus der Krise aufzeigen. Für die Öffnung der Grenzen, einen Stopp aller Abschiebungen und volles Recht auf Arbeit, Bildung, Wohnung und politische Teilhabe für alle Geflüchteten. Angleichung der Löhne und Arbeitszeiten in Ost und West! Aufarbeitung der Verbrechen der Treuhand im Osten, der Annexion der DDR und der Zerstörung der Wirtschaftsstruktur Ostdeutschlands. Rücknahme aller Kürzungen und massive Investitionen in Bildung, Gesundheit und Soziales, finanziert durch die Enteignung von Großvermögen. Verstaatlichung aller schließender Betriebe unter Kontrolle der Beschäftigten. Kein Cent für die Bundeswehr, Stopp aller deutschen Waffenlieferungen.

Durchgesetzt werden können diese Forderungen nur durch Bewegung von Gewerkschaften, Betriebsgruppen und linken Organisationen, verbunden mit dem Aufbau von demokratischen Rätestrukturen, an den Orten, wo wir uns tagtäglich aufhalten. 

Wir wollen unsere Kandidaturen nutzen, um diese Ideen bekannter zu machen und den Widerstand gegen den Aufstieg der extremen Rechten die aktuelle und künftige Regierungspolitik zu organisieren. Schließt euch uns an! Hier findet ihr alle Infos.

Wir kandidieren für eine Welt ohne Grenzen, Krieg und Ausbeutung!

Wahlkampfauftakt von RIO und RSO

Samstag, 14.12.2024, 19:00

Mehringhof (Versammlungsraum), Gneisenaustr. 2A, Berlin-Kreuzberg und auf Zoom

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