„Weg mit den Impfpatenten, damit die Pandemie endlich enden kann!“

20.01.2022, Lesezeit 7 Min.
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Bild: Ayrin Giorgia (KGK)

Gegen die Querdenken-Bewegung gingen in München gestern erneut Hunderte auf die Straße. Marco, Promovend an der LMU, rief Studierende und Beschäftigte dazu auf, sich den Querdenker:innen an der Uni entgegenzustellen. Zudem forderte er in seiner Rede kostenlose PCR-Tests und eine Abschaffung der Patente auf Impfstoffe.

Während in München erneut rund 2.000 Querdenker:innen abwechselnd „Frieden!“ und „Freiheit!“ brüllend die Fußgängerzone zwischen Marienplatz und Stachus auf- und abliefen, protestierten am Odeonsplatz wie in den Vorwochen rund 300 Menschen unter dem Motto „München Solidarisch“ gegen die Coronaleugner:innen und für eine andere Pandemiebekämpfung.

Nachdem in der vergangenen Woche Leonie als Hebamme eine Rede gehalten hat, in der sie die Regierungspolitik für das Erstarken der Rechten verantwortlich gemacht hat, sprach gestern Marco für Klasse Gegen Klasse.


Hier dokumentieren wir den Text der Rede im Wortlaut:

„Ich bin Marco, ich spreche heute für Klasse Gegen Klasse. Ich bin Promovend an der LMU und Mitglied der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, der GEW.

In den zwei Jahren der Pandemie wurden Jugendliche und wir junge Erwachsene nur selten wahrgenommen. Deshalb ist es umso besser, dass wir heute auch als junge Menschen so viele auf der Straße sind. Also danke, dass ihr da seid! 

Es wurde immer wieder diskutiert und es wird auch immer noch diskutiert, ob man es verantworten kann, die Schulen geöffnet zu lassen oder ob man sie besser schließen sollte. Über die Lage an den Universitäten aber wurde sehr wenig gesprochen. Ab und an gibt es eine Schlagzeile darüber, wie sehr die Pandemie, der fehlende Austausch mit Kommiliton:innen und die Isolation durch die Online-Uni vielen Studierenden auf die Psyche schlägt. Und dann geht es einfach so weiter wie davor. Auch wenn so eine Promotion in der Pandemie nicht ganz einfach zu bewerkstelligen ist, weil z.B. der fachliche Austausch erschwert ist oder die Archive geschlossen wurden, beneide ich diejenigen, die in der Pandemie ihr Studium angefangen haben, überhaupt nicht. 

Und dazu kommt ja auch noch der finanziellen Stress, der viele Studierende trifft. In den ersten Lockdowns haben viele ihre Jobs verloren, mussten sich bei der Familie oder dem Umfeld Geld leihen, weil es staatliche Hilfen kaum gab. Und ein Bafög, von dem man leben kann, bekommt sowieso kaum noch jemand. Aber auch die Preissteigerungen, die es jetzt gibt, besonders für Lebensmittel und Energie, treffen Studierende hart, von den Preisen auf dem Wohnungsmarkt ganz zu schweigen. 

Es gibt also genug Gründe, warum Studierende in der Pandemie ihre Stimme erheben sollten. Jetzt gibt es da eine Gruppe, die sich ‚Studenten stehen auf‘ nennt. Und wofür stehen die auf? Für sichere Studienbedingungen, für leicht zugängliche Therapieangebote, für eine finanzielle Absicherung? Nein, sie stehen auf gegen Impfungen und gegen die Eindämmung der Pandemie. 

Die Querdenker:innen sind nicht nur eine Zeit lang Woche für Woche vor der Uni hier am Geschwister-Scholl-Platz aufmarschiert, um eben die Geschwister Scholl für sich zu vereinnahmen. Es gibt sie auch in der Unis und es gibt sie auch hier in München. 

Umso wichtiger ist es deshalb, dass wir auch als Studierende, als Lehrende, als Beschäftigte an der Uni auf die Straße gehen und uns sichtbar den Querdenker:innen die Stirn bieten. Sie sind nur eine kleine, aber eine gefährliche Minderheit, aber es soll erst gar nicht der Eindruck entstehen, dass sie für uns sprechen! 

Sie behaupten allen Ernstes, für freie Bildung ohne Ausgrenzung zu sein. So ein Unsinn! Im letzten Jahr haben wir gegen die neoliberale bayerische Hochschulreform demonstriert, die der Privatisierung der Unis weiter Vorschub leisten wird, die das Gegenteil von freier Bildung bedeutet. Erst vor ein paar Monaten haben die Unibeschäftigten im Tarifvertrag der Länder für höhere Löhne, also für bessere Arbeits- und Studienbedingungen, gestreikt. Aber da haben sich diese Leute ganz bestimmt nicht blicken lassen! Tatsächlich stehen sie in letzter Instanz für eine Politik, die die Pandemie durchrauschen lassen will, die die Profite nicht einschränken will, die schlicht keine Rücksicht nimmt auf die Gesundheit und das Leben! Mit freier Bildung hat das alles überhaupt nichts zu tun!

Wir müssen als Studierende und Uni-Beschäftigte aber auch deshalb auf die Straße gehen, damit nicht der Eindruck entsteht, dass wir die Politik der Regierung kritiklos schlucken würden. Denn in zwei Jahren Pandemie haben wir auch gesehen, dass wir auf Hilfen von der Bundesregierung oder auf die Vorgaben der Landesregierung nichts geben können. Wir müssen selbst entscheiden können, wie sichere Lehre und sichere Forschung aussehen können. 

Dafür brauchen wir Versammlungen von Studierenden und Beschäftigten, zu denen die Studierendenvertretungen, aber auch unsere Gewerkschaften GEW und ver.di aufrufen müssen, damit wir Hygienekonzepte diskutieren können, wie eine sichere Präsenzlehre im Sommersemester aussehen muss, mit regelmäßigen Tests, mit der Ausgabe von kostenlosen FFP2-Masken, mit Luftfiltern, mit funktionierenden, endlich funktionierenden Hybridformaten.

Ganz klar ist eigentlich, dass dafür besonders gilt: testen, testen, testen. Wir hatten zwei Jahre Zeit, PCR-Testkapazitäten aufzubauen, doch genau das wurde versäumt. Dass es auch anders geht, das zeigen Beispiele wie die Stadt Wien, wo kostenlose PCR-Tests für alle zugänglich sind. Bei uns soll jetzt das genaue Gegenteil passieren, der Zugang zu PCR-Tests soll noch weiter eingeschränkt werden. Der Vorstoß kommt ausgerechnet vom Land Berlin, wo eine Koalition aus SPD, Grünen und Linken regiert. Ich denke, dass sich gerade die Anhänger:innen dieser Parteien, die heute hier auf der Straße sind und seit einigen Wochen hier demonstrieren, dass es gerade ihr es seid, die sich gegen diesen Vorstoß stellen müssen. 

Aber auch bei einem weiteren zentralen Thema stellen sich Grüne und SPD quer. Christiaan hat es vorhin schon angesprochen. Es ist völlig klar, dass weltweit noch immer viel zu wenig Impfstoff zur Verfügung steht und eigentlich ist auch klar, woran das liegt. Vor den Wahlen haben Abgeordnete von den Grünen immer wieder davon gesprochen, dass die Patente auf Impfstoffe abgeschafft werden oder zumindest zeitlich befristet ausgesetzt werden müssen. Nur: im Koalitionsvertrag steht davon nichts mehr. Umso mehr müssen Proteste wie unserer heute Druck machen, laut sein und noch viel lauter sagen: Weg mit den Patenten auf die Impfstoffe!

Schließlich baut die Impfstoffproduktion ohnehin auf staatlich finanzierter Grundlagenforschung auf. Die mRNA-Technologie des Biontech-Impfstoffs zum Beispiel wurde maßgeblich an der Universität Mainz erforscht, mit Geldern der Deutschen Forschungsgemeinschaft, also aus Steuergeldern. 2021 wiederum hat Biontech dann einen Milliardengewinn eingefahren. In Texas hat ein kleines Team von Forscher:innen einen Impfstoff entwickelt, für den sie kein Patent anmelden wollen. Das ist sicherlich eine gute Sache. Aber es kann doch nicht angehen, dass es die Philanthropie von einzelnen Forscher:innen braucht, damit weltweit Impfstoffe zur Verfügung stehen. Es kann doch nicht angehen, dass die Pandemie ohne Not verlängert wird, nur damit Pharmakonzerne ihre Profite machen können!

Also: Für PCR-Tests und FFP2-Masken für alle, bezahlt von den Konzernen, die sich in der Pandemie bereichert haben! Für Versammlungen an Unis und Arbeitsplätzen, für sichere Arbeits- und Studienbedingungen! Für die Vergesellschaftung der Pharmaindustrie und des Gesundheitswesens unter Kontrolle der Beschäftigten! Für einen Tarifvertrag für alle, in der Bildung genauso wie im Gesundheitswesen, für ein Verbot von Outsourcing und die Wiedereingliederung aller outgesourcten Bereiche! Für mehr Personal und bessere Löhne in der Uni und am Krankenhaus! Und noch einmal: Weg mit den Patenten, damit die Pandemie wirklich enden kann!“

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