Wasserstreiks: Ein Potential gegen die Klimakrise
Konzerne, die von Wassermangel profitieren, werden deutschlandweit bestreikt – aus dem Kampf für höhere Löhne könnte ein Kampf für das Wasser entstehen.
In den vergangenen Wochen und Monaten wurden in Deutschland zahlreiche Mineralbrunnen bestreikt. Bei den Streiks ging es um eine Angleichung der Löhne zwischen Ost und West und an die Inflation. Im Südwesten Deutschlands wurde bereits an mehr als 16 Standorten gestreikt, in Ostdeutschland ebenfalls an mehreren Standorten, genauso in NRW. Die Streiks sind voneinander getrennt, da nach regionalen Tarifen bezahlt wird, weshalb einige Betriebe bereits Abschlüsse haben, in anderen der Arbeitskampf jedoch weitergeht. Doch in Zeiten von immer längeren Dürreperioden und Kämpfen um die Verteilung von Wasser könnten diese Streiks noch ein ganz anderes Potential bieten. Warum aus dieser Organisierung nicht nur ein sozialer, sondern auch ein ökologischer Kampf entstehen müsste.
Wasser ist ganz allgemein betrachtet eine Klassenfrage. So zeigen Untersuchungen, dass in den abhängigen Ländern arme Menschen, die keinen festen Zugang zu Wasser haben, sondern auf Flaschen oder Tankfahrzeuge angewiesen sind, mehr Geld für Wasser bezahlen als Menschen in wohlhabenden Vierteln, die an ein kommunales Wassersystem angeschlossen sind.
Mehr als 25 Prozent der Weltbevölkerung haben keinen sicheren Trinkwasserzugang. Staaten führen Konflikte um Wasser, wie beispielsweise Ägypten und Äthiopien, welche sich um das Wasservorkommen des Nils streiten. Wasserkriege sind in der Zukunft kein ausgeschlossenes Szenario, denn die Trockenheit nimmt zu, mit einem parallelen Anstieg bewaffneter Konflikte um Wasser.
Laut einer Studie von Gerardo Herrera-García des spanischen Instituts für Geologie und Bergbau zur Charakterisierung der Bodensenkung als globale Bedrohung sind 34 Länder stark von einem Absinken des Bodens betroffen. Das Problem trete dabei primär dort auf, wo der Wasserbedarf hoch sei. Es werde besonders viel Wasser aus den unterirdischen Speichern entnommen, wodurch es im Untergrund fehle und der darüber befindliche Erdboden absackt. Dadurch verschließen sich die Wasser führenden Schichten dauerhaft für die Wiederbefüllung durch Niederschläge. Die Folgen sind einerseits eine verschärfte Wasserknappheit und andererseits eine wachsende Gefahr durch Überschwemmungen und Flutkatastrophen – ein Teufelskreis. Rund 635 Millionen Menschen leben laut den Kalkulationen in Gebieten, die sowohl von Absenkung als auch von Überflutungen bedroht sind, bis 2040 könnten etwa 1,6 Milliarden Menschen in einem absinkenden Gebiet leben.
Auch bei der Gewinnung von Lithium und seltenen Erden, die für die globalen Industrien eine zentrale Rolle spielen, ist der enorme Wasserverbrauch deutlich erkennbar. So werden rund 2.000 Liter Wasser pro Kilogramm Lithium für den Abbauprozess benötigt. Bei den seltenen Erden sogar durchschnittlich 300 Liter mehr. So ist zu befürchten, dass an den Abbauorten, die sich oft in sehr trockenen Gebieten befinden, die Böden durch das Grundwasser mit tief gebohrten Brunnen zerstört werden. Abseits davon wird zumeist das lokale Grundwasser auf Kosten der Produktion verschmutzt. Dies führt dazu, dass Tausende von Menschen – meist Indigene – , die auf dieses Wasser angewiesen sind, gezwungen werden, ihre Heimatorte zu verlassen, da ihr vom Grundwasser entnommenes Trinkwasser nicht konsumierbar ist.
Auch in Deutschland, vor allem im Osten, aber auch im Rest Europas, erleben wir Wassermangel, überwiegend durch immer längere und intensivere Dürreperioden in den Sommermonaten. Die Politik verlagert die Handlungsmöglichkeiten auf eine rein individuelle Ebene, indem sie Privathaushalte zum Wassersparen aufruft. Das Problem liegt aber im Privateigentum, im Bau, der Kontrolle und der Produktionsweise. So wurde etwa in der Gemeinde Vittel dazu aufgerufen, Wasser zu sparen und der Plan vorgelegt, die Einwohner:innen der Gemeinde mit einer Pipeline von außerhalb mit Wasser zu versorgen, während die Wasserabfüllung des dort ansässigen Konzerns täglich etwa so viel Wasser verbraucht wie die gesamte Gemeinde. Eine ähnliche Situation erleben wir aktuell mit Tesla in Grünheide. Auch in Brandenburg werden Privathaushalte zum Sparen gezwungen, während Tesla pausenlos wasserintensiv klimaschädliche E-Autos produzieren darf. Angesprochen auf den Wassermangel in der Region dementierte Elon Musk diesen und machte sich über die Frage lustig. Das Video davon ging viral und sorgte für große Aufregung.
Die Dürreperioden führen auch zu einer Zunahme an illegalen Wasserentnahmen, im Mai wurden in Andalusien 250 illegale Brunnen entdeckt, mit deren Hilfe 26 Millionen Kubikmeter Wasser gestohlen werden sollten, um dieses für industrielle Landwirtschaft zu nutzen. Das ist kein Einzelfall, sondern Normalität.
Der Konflikt um das Wasser führt auch zu Protesten wie zuletzt im französischen Sainte-Soline, wo Landwirte große Mengen an Grundwasser in riesige Rückhaltebecken abpumpten. Der Staat reagierte auf die Proteste von Klimaaktivist:innen mit Gewalt, über 200 wurden verletzt. In diesem Kontext spielen auch Mineralbrunnen eine Rolle. In der Lüneburger Heide etwa plante der Coca-Cola Konzern, noch mehr Brunnen zu bauen, um das „Vio“-Wasser abzufüllen. Dagegen gab es eine Reihe von Protesten, denn an anderen Standorten von Mineralbrunnen wie beispielsweise Vittel war bereits zu sehen, wie sich die intensive Wasserwirtschaft auswirkt. Flüsse und Seen sind dort ausgetrocknet. Die geplante Expansion in der Lüneburger Heide konnte erfolgreich verhindert werden. Doch durch das Expansionspotential in der Zukunft werden noch weitere Situationen wie in Vittel oder der Lüneburger Heide entstehen. Die Frage der Kontrolle des Wassers wird sich auch in Deutschland zuspitzen. Der Konflikt mit Tesla in Grünheide oder die Proteste in der Lüneburger Heide sind nur erste Vorzeichen davon.
Ein potentieller Konflikt zeichnet sich bereits in der Nähe von Dresden ab. Dort soll eine große Halbleiterfabrik entstehen. Die Mikrochip-Industrie ist besonders wasserintensiv. In Frankreich gibt es eine ähnliche Situation, in einem fortgeschritteneren Stadium. Grenoble ist bekannt für seine gute Wasserqualität. Ein Halbleiterkonzern bedroht dort die Ressource mit dem Segen der Grünen. Am 1. April 2023 standen rund 1.000 Demonstrant:innen vor der Baustelle und forderten: „Wasser statt Mikrochips!“ Der Produktionsstandort dort wird stetig erweitert. Der französische Staat gibt 2,3 Milliarden Euro an einen Konzern, der Steuerflucht betreibt. Kurz nach Bekanntgabe der Standorterweiterung erreichte die Trockenheit in der Region die Alarmstufe Rot: Dürrekrise!
Täglich werden in der Halbleiter Fabrik des Konzerns STMicroelectronics bereits 29 Tausend Kubikmeter bzw. 29. Millionen Liter Wasser verbraucht, was dem Gesamtbedarf von ganz Grenoble entspricht. Die Grünen segnen den Ausbau der Fabrik ab und sagen, „es käme allen zugute“. Die Mikrochips, die dort hergestellt werden, werden in Starlink-Satelliten von Elon Musk, in selbstfahrenden Autos, in hochentwickelten Waffensystemen und so weiter verwendet. In Wahrheit kommt es den Kapitalist:innen des westlichen Imperialismus zugute, die sich in Konkurrenz mit China befinden. Durch den Bau einer Halbleiterfabrik in Dresden bringen die Grünen genau wie in Frankreich ihr Projekt, unabhängiger von China zu werden, ein kleines Stück voran, doch schaden dabei dem Klima. Kapitalistische Konkurrenz führt uns in die Katastrophe.
Die Chip-Herstellung führt aber nicht nur zu Verbrauch, sondern auch massiver Verunreinigung von Wasser. Jeden Tag gelangen bereits jetzt 15 Kilogramm Phosphor, 120 Kilogramm Aluminium-Stickstoff, 70 Kilogramm Fluoride und weitere Chemikalien in die Isère, dies wird noch mehr mit Ausbau der Fabrik. Doch darüber soll am besten gar nicht diskutiert werden, wenn es nach den Profiteur:innen von dieser Situation geht. Internationale Wasserkonzerne und Unternehmen der wasserintensiven Industrie betreiben mit großem Aufwand Lobbyarbeit, um zu verhindern, dass etwa ein internationales Abkommen die Vermarktung des Wassers und der Wasservorräte einschränkt.
Die französische Monatszeitschrift Le Monde Diplomatique schreibt im Kontext der Wasserkrise richtigerweise: „Entgegen der landläufigen Meinung ist Wasser nicht einfach nur ein ‘Gemeingut’. Die menschliche Beziehung zu dieser Ressource ist seit jeher gesellschaftlichen Aneignungsprozessen unterworfen. Und ohne eine staatliche Planung des Bedarfs und der notwendigen Infrastruktur bleibt die Forderung nach einem ‘Zugang für alle’ – insbesondere in Zeiten schwindender Vorräte – bloß heiße Luft“.
Die Frage, die sich nun stellt, ist, wie wir von dem gegenwärtigen Zustand, in dem Wasser privatisiert ist und verschwendet wird, hin zu einer gemeinwohlorientierten und demokratisch geplanten Wasserwirtschaft kommen. Die Perspektive kann nur eine sein: Den Wasserkonzernen nicht nur in der Lohnfrage, sondern auch der ökologischen und schließlich der Eigentumsfrage den Kampf ansagen. In welchen Mengen Wasser entnommen wird, wie Renaturierung stattfindet, wofür das Wasser verwendet wird und zu welchen Bedingungen dabei gearbeitet wird, sollte demokratisch entschieden werden. Dafür braucht es eine Enteignung der Betriebe unter Kontrolle der Beschäftigten. Die Streiks zeigen die Kampfbereitschaft vieler Kolleg:innen, es ist nun die Aufgabe unserer Zeit, in unseren Gewerkschaften und Betrieben dafür zu kämpfen, dass die Gewerkschaften zum Organ des Klima- und des Klassenkampfes werden.