Was steht hinter der neuen Streiktaktik der IG-Metall?
Im April steht wieder einmal die Tarifrunde der IG Metall vor der Tür. Um die Routine zu durchbrechen, wollen die Gewerkschaftsspitzen nun eine neue Streiktaktik einführen.
Alle Jahre wieder befindet sich die IG Metall in der Vorbereitung einer Tarifrunde, in der die Löhne und Rahmenbedingungen von mehr als 3,9 Millionen Beschäftigten für die kommenden zwölf Monate festgelegt werden. In der aktuellen Runde fordert die Gewerkschaft eine Lohnerhöhung zwischen 4,5 und 5 Prozent für zwölf Monate.
Diese Ankündigung sorgte im Kreis der Unternehmensverbände für große Aufregung, da sie die Forderung für „überzogen“ halten. Doch abgesehen von diesen eingespielten Reaktionen handelt es sich dabei um die niedrigste Forderung der letzten zehn Jahre. Und das nach einem Jahr, das für die deutsche Bourgeoisie extrem profitabel war: durch niedrige Ölpreise und billigen Euro war trotz der Verlangsamung der chinesischen Wirtschaft ein Rekord-Exportüberschuss möglich.
Zudem werden besonders die prekären Teile der Arbeiter*innenklasse außenvorgelassen. Es soll nicht gegen Leiharbeit und Werkverträge gekämpft werden, nicht gegen Entlassungen wie bei Siemens oder Bombardier oder für die Verteidigung kämpferischer Arbeiter*innen wie bei Daimler in Bremen.
Doch das alles ist man von der IGM-Spitze gewohnt. Eine andere Nachricht erstaunt hingegen viele Beobachter*innen und Gewerkschaftsaktivist*innen: Der IGM-Vorsitzende Jörg Hofmann kündigte unlängst an, eine neue, kämpferische Streiktaktik anzuwenden, um mehr Beschäftigte in die Tarifrunde einzubeziehen und der Gewerkschaft neue Attraktivität zu verleihen.
Die Abstimmungen über die Kampfmaßnahmen sollen demnach nicht mehr in einer allgemeinen Urabstimmung aller Gewerkschaftsmitglieder erfolgen, sondern in den verschiedenen Betrieben und Arbeitsplätzen organisiert werden. Anstelle kurzer und kraftloser Warnstreiks sollen ganze eintägige Streiks echten wirtschaftlichen Schaden anrichten. Damit soll die IGM wieder stärkere Präsenz in den Betrieben bekommen und neue Mitglieder gewonnen werden.
Diese Kursänderung der Gewerkschaftsspitzen findet nach der großen Streikwelle im vergangenen Jahr statt, die zehntausende Arbeiter*innen aus den verschiedensten Branchen in Arbeitskämpfe verwickelte. Auch wenn die meisten Auseinandersetzungen in Teil-Niederlagen oder Niederlagen endeten, stellte die Streikwelle eine neue Kampfbereitschaft von bedeutenden Sektoren der Arbeiter*innenklasse dar.
Doch es war nicht die IG-Metall, die Teil dieser Kämpfe war, sondern vor allem ver.di und kleinere Spartengewerkschaften. Dem entgegen spielte die IGM-Bürokratie eine schändliche Rolle, indem sie sich in die reaktionäre Front aus Unternehmen, Regierung und Justiz einreihte, um die Streiks zu bekämpfen und mit dem Tarifeinheitsgesetz in der Zukunft weitere Streiks zu verhindern.
Gleichzeitig finden in den letzten Jahren immer härtere Auseinandersetzungen zwischen der IG Metall und ver.di um die Frage statt, wer die Belegschaft vertreten soll. Die IGM-Bürokratie macht dabei immer offensivere Versuche, auch klassische Dienstleistungssektoren unter ihre Fittiche zu ziehen. Dabei handelt es sich jedoch nicht um den Versuch, die Reihen der Lohnabhängigen zu schließen, sondern um den Kampf um Einfluss und Mittel zweier von den Interessen der Beschäftigten weit entfernten Gewerkschaftsbürokratien.
Vor diesem Hintergrund ist die Ankündigung einer neuen Streiktaktik nicht viel mehr als das – eine andere Taktik, für die gleiche Strategie, das gleiche Ziel. Und das Ziel der Gewerkschaftsführung ist es, ihre Basis zu festigen und auszuweiten. Sie wollen ihre reaktionäre Rolle weiterführen, die darin besteht, die Forderungen der Arbeiter*innen zugunsten der Kapitalist*innen zu verraten.
Deshalb haben die kämpferischen Arbeiter*innen gemeinsam mit der radikalen Linken die Aufgabe, für eine klassenkämpferische und basisdemokratische Alternative zur Gewerkschaftsbürokratie einzutreten. Dieser Kampf geht über die aktuelle Tarifrunde der IG Metall hinaus und betrifft die gesamte Klasse.