Was steckt hinter der Auflösung der AfD-Jugend?
Die AfD plant, ihre Jugendorganisation „Junge Alternative“ (JA) aufzulösen und durch eine neue Struktur innerhalb der Partei zu ersetzen. Dieser Schritt soll die extremsten Teile der Jugend unter Kontrolle bringen. Trotzdem sollte niemand erwarten, dass die AfD damit einen Kurswechsel zu einer gemäßigten Rechten vollzieht. Was steckt also hinter diesem Manöver?
Die Junge Alternative (JA), die Jugendorganisation der AfD, könnte es bald nicht mehr geben. Der Vorstand der Partei plant, die JA aufzulösen und durch eine neue, stärker kontrollierte Jugendorganisation zu ersetzen. Dieser Schritt wird offiziell als Maßnahme zur besseren Integration des Nachwuchses in die Partei dargestellt, scheint jedoch vor allem ein Versuch zu sein, von den extremsten Auswüchsen des rechten Flügels abzulenken, die die Partei zunehmend unter Druck setzen.
Im April 2023 wurde die JA vom Bundesamt für Verfassungsschutz als „gesichert rechtsextremistische Bestrebung“ eingestuft. Auch die Landesverbände werden vom Verfassungsschutz beobachtet oder gelten bereits als rechtsextrem. Dieser Status belastet die AfD erheblich, die selbst weiterhin als rechtsextremistischer Verdachtsfall gilt. Die Parteispitze sieht diese Situation nicht nur als Imageproblem, sondern auch als juristisches Risiko, da unter den aktuellen Umständen die Gefahr eines gänzlichen Verbots der Jugendorganisation besteht: Der Vereinsstatus der JA ermöglicht es, die Organisation mit wenig Aufwand zu verbieten. Als offizieller Teil der AfD wäre es jedoch umso schwieriger, juristisch gegen sie vorzugehen.
Mit diesem Schritt soll also nicht bloß eine neue Jugendorganisation die aktuelle JA ersetzen. Die AfD möchte mit der Neugründung auch einen Großteil der JA-Mitglieder, von denen einige in faschistischen Gruppen organisiert sind, in ihre Partei eingliedern und somit vor einem drohenden Verbot schützen. Aus diesem Anlass unterstützt auch JA-Vorstand Hannes Gnauck die Auflösung. Sogar Björn Höcke, dessen Landesverband Thüringen sich Anfang des Jahres wegen eben dieser Frage einen Kampf gegen die Parteispitze führte, sieht dies nun als einen nötigen Schritt, um „vor allem Effizienz- und Effektivitätssteigerungen“ zu ermöglichen.
Junge Alternative wird zu Junge Patrioten
Die neue Jugendorganisation soll nach dem Vorbild der Jusos (SPD) aufgebaut werden. Mitglieder der AfD im Alter von 16 bis 35 Jahren würden automatisch Teil der Jugendorganisation werden. So will die AfD-Spitze mehr Kontrolle über ihre Jugend sichern und an ihre Linie anpassen. Auch die Durchsetzung von Ordnungsmaßnahmen oder Parteiausschlüssen soll erleichtert werden. Möglicherweise möchte sich die AfD durch diesen Schritt auch von „potenziell problematischen Mitgliedern“ nach außen distanzieren, um so die gemäßigteren Teile der Partei und ihrer Wähler:innenschaft zu beschwichtigen.
Es ist keineswegs anzunehmen, dass die AfD durch die geplante Umstrukturierung ihrer Jugendorganisation ihre Verbindungen zur extremen Rechten und zu faschistischen Gruppierungen kappen wird. Eine Recherche des BR aus dem Frühjahr hat gezeigt, dass die AfD im Bundestag mehr als 100 Rechtsextreme und Neonazis beschäftigt. Diese Tatsache unterstreicht, warum die Junge Alternative (JA) für die AfD von so zentraler Bedeutung ist. Sie fungiert nicht nur als Sammelbecken für Jugendliche, sondern auch als Kaderschmiede für rechte Parlamentarier:innen. Über die sozialen Medien hat die JA die Möglichkeit, eine enorme Zahl junger Menschen zu erreichen und ihre Ideologien zu verbreiten. Sie greifen Trends wie „Tradwives“ oder „Sigma Males“ auf und schaffen es, ihr reaktionäres Narrativ einer „verrohenden Gesellschaft“, in der die größten Opfer angeblich weiße Männer sind, zu verbreiten. Sie postulieren, dass diese Gesellschaft durch die Rückkehr zu traditionellen Geschlechterrollen diszipliniert werden müsse.
Darüber hinaus ist die JA nicht nur im digitalen Raum aktiv, sondern auch auf der Straße. Mit ihrer Teilnahme an Demonstrationen und Auftritten bei rechten Events sind sie in das Netzwerk der organisierten Rechten eingebunden. Die Verbindungen der Partei zu faschistischen Gruppen sind jedoch nicht auf die JA beschränkt, sondern ziehen sich durch die gesamte Partei und vertiefen sich kontinuierlich. Auch wenn die AfD öffentlich gewisse Anpassungen in ihrer Außendarstellung signalisiert, bleibt ihre inhaltliche Ausrichtung unmissverständlich.
Von Neoliberal, zu völkisch, und jetzt beides?
Die AfD hat in den letzten Jahren mehrere Phasen grundlegender Veränderungen durchlaufen, die von internen Machtkämpfen und strategischen Neuausrichtungen geprägt waren. Die „Ära Meuthen“, die auf eine neoliberale Politik mit bürgerlichem Image setzte, wurde 2022 durch die Wahl von Tino Chrupalla und Alice Weidel als Führungsduo offiziell beendet. Dieser Machtwechsel markierte die endgültige Transformation der AfD von einer EU-kritischen und konservativen, auch damals rechten, Protestwahl um Bernd Lucke, Frauke Petry und Co., hin zur offen völkisch-nationalistischen Partei mit Machtanspruch, die im Hintergrund Verschwörungstheoretikern und Faschisten die Tore in das bürgerliche Parlament öffnet.
Kritik, Distanzierungen und sogar Ausschlüsse standen diesem Kurs derweil selten im Weg. So brachte die Auflösung des völkischen Flügels um Björn Höcke und der Parteiausschluss von Andreas Kalbitz nicht etwa die Mäßigung des Kurses und die Entmachtung des völkischen Flügels, viel mehr erlaubte dieser Schritt damals die Vereinnahmung der Partei durch Höcke und seine Basis. Jetzt wo Höcke selbst die Eingliederung der JA in die AfD befürwortet, kann kaum davon die Rede sein, dass es sich um eine tatsächliche Mäßigung, sondern vielmehr die Bemühung, sich geschlossen und stark zu zeigen, handelt.
Die zahlreichen internen Machtkämpfe und parallelen, voneinander unabhängigen Entwicklungen der Parteifraktionen und der Jugendorganisation sollen so eingedämmt werden. Stattdessen möchte man alle Kräfte konzentrieren und sich als disziplinierte Einheit unter alleiniger Führung der Parteispitze darstellen. So möchte sich die AfD auf die kommenden Wahlen vorbereiten.
Die geplante Neuorganisation deutet darauf hin, dass die AfD auf der politischen Bühne regierungsfähiger wirken will – ähnlich wie es Giorgia Meloni in Italien oder Marine Le Pen in Frankreich vorgemacht haben. Kein weiteres Mal möchte man sich ein Debakel wie beim Fall Maximilian Krah leisten, als die AfD wegen der Vorwürfe gegen ihren Spitzenkandidaten aus Le Pens „ID-Fraktion“ rausgeworfen wurde. Um in den kommenden Wahlen, 2025 und darüber hinaus, den Sprung zur Regierungsfähigkeit zu machen, könnte die AfD einen ähnlichen Weg gehen wie eben Le Pen oder Meloni. Vor allem Letztere hat sich in Europa etabliert und konnte mit ihrer Partei Fratelli d’Italia ihren Einfluss auf die EU stärken. Mittlerweile gilt sie als wichtige Verbündete der NATO, in Fragen der Migration war ihre Zustimmung teilweise unumgänglich.
Das Ziel der AfD wird es sein, nicht länger die größte Oppositionspartei zu bleiben, sondern tatsächlich den Weg für eine nötige Koalition und zur Regierung zu ebnen. CDU, FDP und BSW zeigten sich bereits willig, punktuell mit der AfD zusammenzuarbeiten. In Zukunft scheint es daher nicht abwegig, dass diese auch den Weg einer offiziellen Zusammenarbeit einschlagen würden. Mit jeder Wahl wird deutlicher, dass die AfD deutlich an Einfluss gewinnt.
Der Rechtsruck geht über die AfD hinaus
Der Aufstieg der AfD ist am Bundestag natürlich nicht spurlos vorbeigegangen, viel mehr haben sich alle Parteien von CDU bis zur Linken an die nationalistische Politik und rassistische, queerfeindliche, antifeministische und kriegstreiberische Rhetorik der AfD angepasst. Unter dem Deckmantel der Brandmauer wurde wiederholt eine Einbeziehung der AfD abgelehnt, während ihre Vorhaben durchgesetzt wurden: Wehrpflicht, Abschiebungen, Aufrüstung, Polizeigewalt etc. waren jahrelang Forderungen der AfD. Nun werden sie von der Ampel und der CDU/CSU umgesetzt. Ihre Kürzungspolitik hat die ganze Zeit die Bedingungen für den Rechtsruck geschaffen. Da ist es nicht verwunderlich, dass die bürgerlichen Parteien zukünftig keinen anderen Ausweg sehen, als der AfD die Hand zu reichen. Ein Verbot der AfD ist nämlich nicht umsetzbar. Zu groß ist ihre Wählerschaft und zu stark die Verbindungen zu Milliardär:innen und Institutionen, um das einfach so umzusetzen. Selbst im Falle eines Verbots wäre der Aufstieg der Rechten in Deutschland damit nicht beendet. Weiterhin gibt es großen Widerstand gegen die AfD, doch es stellt sich die Frage: Wie können wir sie bekämpfen?
Bei den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen erhielt sie ihre stärkste Unterstützung von jungen Menschen und Arbeiter:innen, insbesondere von jenen, die sich wirtschaftlich abgehängt fühlen. Dieses Muster zeigt, wie erfolgreich die Partei soziale Unsicherheiten instrumentalisiert, um ihre Ideologie zu verbreiten. Besonders interessant sind ihre Erfolge bei jungen Männern. Die Jugend steht existenziellen Herausforderungen gegenüber. Jahrzehnte des Neoliberalismus haben ihre Perspektive auf Bildung, Arbeit und Wohnraum immens verschlechtert. Sogar in ihren Beziehungen geht es ihnen schlechter: Kürzungen bei Freizeitangeboten, sozialen Räumen und Kulturstätten haben es vielen jungen Menschen erschwert, soziale Kontakte zu knüpfen und Beziehungen einzugehen. Diesen Mangel weiß die AfD zu nutzen. Seit der Corona-Pandemie rekrutiert die Partei kräftig auf den sozialen Medien für ihre Jugendorganisation. Figuren wie Ulrich Siegmund und Maximilian Krah vermitteln jungen Männern die Botschaft, ihre persönlichen Defizite seien darauf zurückzuführen, dass sie nicht „rechts genug“ seien, und machen Feminismus, Migration oder Wokeness für deren Probleme verantwortlich. Mit diesen einfachen Antworten und Feindbildern finden sie leicht Zugang zu prekären Sektoren.
Doch diese Entwicklung ist nicht unumkehrbar. Als Sozialist:innen liegt es an uns, Strategien zu entwickeln, die Jugendlichen und Arbeiter:innen eine echte Alternative bieten und gleichzeitig den Einfluss der AfD zurückdrängen.
Gegen die AfD müssen wir uns organisieren!
Die AfD gedeiht in einer Gesellschaft, die von sozialer Ungleichheit und fehlenden Perspektiven geprägt ist. Dem Rassismus, Sexismus und der Queerfeidnlichkeit der AfD müssen wir uns entschlossen als Arbeiter:innen und Jugendliche entgegenstellen. Der Kampf gegen sie ist auch untrennbar mit dem Einsatz für bessere Lebensbedingungen verbunden. Wir müssen den Reichtum dort holen, wo er ist: Bei den Milliardär:innen und den Großunternehmen, die die Ausbeutung anführen. Nur eine Bewegung, die antifaschistisch und antikapitalistisch handelt kann langfristig Erfolge erzielen.
Dieser Kampf beginnt an den Orten unseres Alltags: In Schulen, Betrieben und Nachbarschaften. Er endet nicht bei Demonstrationen, sondern muss sich in einem breiten Bündnis von Arbeiter:innen, Jugendlichen und allen, die eine gerechtere Welt anstreben, fortsetzen. Doch dabei dürfen wir uns nicht auf die bürgerlichen Parteien verlassen. Die CDU, die Ampelkoalition und die Linkspartei haben längst der AfD den Weg geebnet, indem sie ihre rechte Politik übernommen haben. Sie alle tragen zur Aufrechterhaltung der kapitalistischen Verhältnisse bei und sind nicht in der Lage – und auch nicht gewillt – die gesamte Jugend aus der Armut und der Prekarität zu befreien. Dafür wäre nämlich die Auflösung der kapitalistischen Ordnung notwendig.
Doch die Wahlen sind für uns nicht irrelevant. In der Wahlperiode findet in der gesamten Gesellschaft ein Prozess der Politisierung und des Diskurses statt. Die Menschen stellen sich die entscheidende Frage: „Wer wird wirklich unsere Probleme lösen?“ Unsere Antwort ist die Selbstorganisation! Wir dürfen nicht mehr den falschen Versprechen der Parteien vertrauen, die wiederholt selbst für rechte Politik verantwortlich sind, oder das geringere Übel wählen, weil es an anderen Optionen mangelt. Stattdessen müssen wir selbst aktiv werden und eine linke Bewegung in Deutschland aufbauen, die sich mit Protesten, Arbeitskämpfen und Streiks für eine bessere Zukunft einsetzt. Um jedoch unsere Vorstellungen einer besseren Welt in die Wirklichkeit umzusetzen, braucht es eine Massenbewegung, die mit dem bestehenden System bricht und mit einem sozialistischen Programm für eine gerechte und solidarische Gesellschaft kämpft. Deshalb treten wir zu den nächsten Wahlen mit einem Bündnis sozialistischer Organisationen an.
Wir fordern:
– Im Kampf gegen die AfD und ihre Ideen setzen wir nicht auf den Staat, sondern auf uns alle. Gemeinsamer Kampf aller Arbeitenden und der Jugend, unabhängig von Herkunft und Geschlecht!
– Selbstschutz organisieren gegen rechten Terror: Prides, Demonstrationen, Migrant:innen und linke Orte schützen!
– Stopp der Umverteilung von unten nach oben! Schluss mit der Aufrüstung. Öffentliche Investitionen für Gesundheit, Klima, Bildung und Wohnen – finanziert durch Reichenvermögen und entschädigungslose Enteignung von Unternehmen, die vom Kriegsgeschäft profitieren!
In dieser Phase vor den Bundestagswahlen müssen wir eine Alternative zum Kapitalismus aufzeigen. Der Hetze und Panikmache der AfD müssen wir uns als Jugend entschlossen entgegenstellen!