[Video] Was passiert in Frankreich?
Sicherlich habt ihr in den vergangenen Tagen Bilder von Demonstrationen, Blockaden, Streiks und Polizeirepression gesehen. Worum es geht und wie sich die Situation entwickelt, erklärt unser Genosse Stefan im Video über den Kampf gegen die Rentenreform.
Stefan Schneider im Video über den Klassenkampf in Frankreich:
Seit Monaten gehen Millionen Menschen in Frankreich auf die Straße, um gegen Präsident Macrons Rentenreform zu protestieren.
Die Reform hebt das Renteneintrittsalter um 2 Jahre an. Um eine volle Rente zu bekommen, muss man 43 Jahre lang gearbeitet haben. Das heißt, dass viele länger arbeiten müssen als bisher. Insbesondere die prekärsten Sektoren, die besonders weiblich und migrantisch geprägt sind.
Nach sechs Monaten Verhandlungen hatte Macron keine Mehrheit für diesen antisozialen Angriff. Am Donnerstag griff die Regierung deshalb zu einer autoritären bonapartistischen Methode: Mit dem Verfassungsartikel 49.3 setzte sie die Reform ohne Abstimmung im Parlament durch.
Die Reform und ihre Durchsetzung am Parlament vorbei sind höchst unpopulär. 82 Prozent der Bevölkerung sind gegen die Nutzung des Artikel 49.3. 71 Prozent wollen, dass die Regierung zurücktritt. Und 65 Prozent der Bevölkerung wollen, dass die Mobilisierungen weitergehen.
Die Regierung überlebte am Montag trotzdem zwei Misstrauensanträge im Parlament. Formell ist die Rentenreform nun also umgesetzt und die Regierung weiter im Amt. Das zeigt, dass die Pläne der Regierung nicht durch die bürgerlichen Institutionen gestoppt werden können.
Auf der Straße ist die Regierungspolitik in den letzten Tagen auf großen Widerstand gestoßen. Die Arbeiter:innenklasse spielt eine führende Rolle in den Protesten.
In den vergangenen Tagen haben unzählige spontane Unruhen und Demonstrationen stattgefunden. Viele davon wurden von lokalen Gewerkschaftssektionen aufgerufen, als Antwort auf die immer größere Radikalisierung der Basis. Mehrere Sektoren befinden sich im verlängerbaren Streik, und Streiks und Streikposten in strategischen Sektoren wie Raffinerien, Kraftwerken, Verkehr und Müllabfuhr dehnen sich aus.
Auch die Jugend ist massiv in den Kampf getreten, hat ihre Universitäten und Schulen besetzt und ist Tag für Tag in spontanen Demonstrationen auf der Straße, in Solidarität mit den Streikenden und für den Rücktritt der Regierung. Insgesamt ergibt sich so in Frankreich ein vorrevolutionärer Moment.
Die Regierung antwortet darauf mit Schlagstöcken, Tränengas, hunderten Verhaftungen und Zwangsverpflichtung von Streikenden. Die Repression bricht los, um zu verhindern, dass sich die Wut verallgemeinert, und um die aufkeimende Radikalisierung zu ersticken. All diejenigen sollen terrorisiert werden, die weiterhin jeden Tag demonstrieren.
Aber während auf der Straße der Ruf nach dem Rücktritt der Regierung laut wird, will die Gewerkschaftsbürokratie, die in der Intersyndicale zusammengeschlossen ist, die Bewegung bremsen. Sie will die Forderungen auf die Rentenfrage beschränken und hat erst für Donnerstag wieder zu einer größeren Mobilisierung aufgerufen. Angesichts der harten Polizeirepression hat die landesweite Intersyndicale noch nicht einmal eine Pressemitteilung veröffentlicht.
Die Weigerung, die Bewegung auszudehnen, die verlängerbaren Streiks zu verallgemeinern, die Forderungen auszuweiten auf die Lohnfrage und auf den Rücktritt der Regierung, macht die Gewerkschaftsbürokratie zum Haupthindernis für die Entwicklung der Situation in eine offen vorrevolutionäre oder gar revolutionäre.
„Die Überwindung dieses Widerspruchs, der Vorstoß zu einem alternativen Pol der Führung der Arbeiter:innenbewegung, der die Streiks stärkt und koordiniert, ihnen Perspektiven und Siegeswillen verleiht, ist der wichtigste Schritt, der unternommen werden muss, damit die Situation einen revolutionären Sprung macht, den Streik verallgemeinert und zum Generalstreik voranschreitet.“
Dafür braucht es den Aufbau von Organen der Selbstorganisation, um die Gewerkschaftsbürokratie zu konfrontieren und dem Sprung in der Radikalisierung der Massen einen organisierten Ausdruck zu geben.
Deshalb kämpfen unsere Genoss:innen für den flächendeckenden Aufbau von Aktionskomitees für den Generalstreik. Gestern Abend hat in Paris so eine Versammlung des Netzwerks für den Generalstreik mit hunderten Teilnehmer:innen stattgefunden, um den Aufbau solcher Aktionskomitees voranzutreiben.
Um den beispielhaften Kampf in Frankreich zu unterstützen, findet am Donnerstag um 18 Uhr vor der Französischen Botschaft in Berlin eine Kundgebung statt. Kommt mit Klasse Gegen Klasse gemeinsam zur Kundgebung: Für den Generalstreik, nieder mit der Rentenreform, nieder mit Macron und der Fünften Republik!
Nicht zuletzt gilt es auch, für Deutschland Lehren aus dem Klassenkampf in Frankreich zu ziehen: Lasst uns die aktuellen Streiks zusammenführen und für unbefristete Erzwingungsstreiks im öffentlichen Dienst, bei den Lehrer:innen, bei den Flughäfen, bei der Bahn und in allen streikenden Sektoren kämpfen, bis all unsere Forderungen erfüllt sind!