Was ist Imperialismus?

18.01.2011, Lesezeit 7 Min.
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// Eine kurze Einführung in die Imperialismustheorie von Wladimir Iljitsch Lenin //

Imperialismus? Ist das nicht eine Bezeichnung für das römische Reich? Oder das British Empire?

Was MarxistInnen mit dem Begriff Imperialismus meinen, lässt sich am Besten mit den grundsätzlichen Eigenschaften des Kapitalismus erklären. Im Kapitalismus gibt es zwei Hauptklassen, die einander gegenüberstehen: die Bourgeoisie (die Klasse, die die Produktionsmittel besitzt – also Maschinen, Werkzeuge, Fabriken usw.) und die ArbeiterInnenklasse (die Klasse, die keine Produktionsmittel besitzt und nur ihre Arbeitskraft zu verkaufen hat).

Die Bourgeoisie erhält diese Arbeitskraft, indem sie Löhne an die ArbeiterInnen zahlt. Mit dieser Arbeitskraft werden Waren hergestellt. Da aber der Wert dieser Waren höher liegt als der Wert des an die ArbeiterInnen bezahlten Lohnes, wird von „Mehrwert“ gesprochen. Dieser Mehrwert kommt allein der Bourgeoisie zu Gute und ist ist die Grundlage für deren Profit.

Die Ausweitung

Dieser Mehrwert wird aber von ihr nicht genutzt, um irgendeinen Schatz anzuhäufen, sondern um die Produktion auszuweiten. Dies tut die Bourgeoisie aber nicht, weil sie aus bösen Menschen besteht oder Freude am Leid der ArbeiterInnen hat, sondern weil alle der Bourgeoisie Angehörenden (KapitalistInnen) in ständiger Konkurrenz zueinander stehen und daher permanent die Produktion ausweiten müssen, um nicht unterzugehen.

Die Ausweitung der Produktion führt selbstverständlich auch zu einer Erhöhung der Warenmenge, die auch auf dem Markt umgesetzt, also verkauft werden muss. Geschieht diese Umsetzung nur innerhalb eines kleinen Rahmens (z.B. nur innerhalb einer Stadt), können irgendwann nicht mehr alle Waren umgesetzt werden, und es kommt zu den – für den Kapitalismus typischen – zyklischen Überproduktionskrisen. Um diesen Krisen entgegenzuwirken, muss der Rahmen also erweitert werden. Dies geschieht nun erst einmal innerhalb eines Landes, aber auch das reicht irgendwann nicht mehr aus. Findet nun ein Wachstum über die Grenzen des Nationalstaates der jeweiligen Bourgeoisie statt, heißt dieser Zustand Imperialismus.

Die Merkmale

Der russische Revolutionär Lenin hat einige Merkmale des Imperialismus in seiner Schrift „Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus“ formuliert, anknüpfend an einige Erkenntnisse von Marx und Engels, welche unter anderem im „Anti-Dühring“ zu finden sind.

Diese Merkmale fasst Lenin wie folgt zusammen: „Der Imperialismus ist der Kapitalismus auf jener Entwicklungsstufe, in der die Herrschaft der Monopole und des Finanzkapitals sich herausgebildet, der Kapitalexport hervorragende Bedeutung gewonnen, die Aufteilung der Welt durch die internationalen Trusts bereits begonnen hat und die Aufteilung des gesamten Territoriums der Erde durch die größten kapitalistischen Länder abgeschlossen ist.“

Was heißt das nun konkret? Durch die permanente Konkurrenz der einzelnen KapitalistInnen untereinander fallen immer wieder KapitalistInnen weg, d.h. sie halten der Konkurrenz nicht mehr stand und gehen unter. Die Folge ist dann eine Zentralisation: Die übrig gebliebenen Konzerne wachsen immer weiter und werden schließlich zu Monopolen, die aufgrund ihrer großen ökonomischen Macht die beherrschende Stellung auf dem Weltmarkt einnehmen.

Weiterhin gewinnen die Banken mit der Entwicklung des Imperialismus immer weiter an Bedeutung, da sie gigantische Kapitalmengen in sich vereinigen. Bankkapital und Industriekapital verschmelzen immer mehr zu einem einheitlichen Finanzkapital: Aus der industriellen Bourgeoisie und den BankbesitzerInnen entsteht eine Finanzoligarchie, welche die vorherrschende Rolle im imperialistischen Stadium des Kapitalismus einnimmt.

Der Krieg

Im Interesse der Finanzoligarchie werden dann Kolonien und Halbkolonien errichtet, die als Absatzmärkte für die von den Monopolen hergestellten Waren dienen, aber auch als Quelle für Rohstoffe. Diese Kolonien oder Halbkolonien werden einerseits auf kriegerische Art und Weise, also durch imperialistische Angriffskriege, errichtet. Andererseits können aber auch Gebiete, ja sogar ganze Nationalstaaten oder Kontinente, schleichend in wirtschaftliche Abhängigkeit der Monopole gebracht werden. Dies geschieht auf zwei möglichen Wegen: durch Warenexport und durch Kapitalexport.

Beim Warenexport verkaufen die Monopole die eigenen Waren in der kolonialisierten Region und zerstören damit die einheimische Bourgeoisie, da die riesige Menge an Produktionsmitteln, welche die Monopole besitzen, die Herstellung von viel mehr und viel billigeren Waren ermöglicht. Beim Kapitalexport hingegen werden von den Monopolen Land, Fabriken etc. aufgekauft, um eigene Zweigstellen zu errichten und dergleichen. Während nun der Warenexport nichts wirklich neues im imperialistischen Stadium ist und nur auf höherem Niveau stattfindet, gewinnt der Kapitalexport enorme Bedeutung.

In der Regel findet nun eine Mischung aus imperialistischen Angriffskriegen, Warenexport und Kapitalexport statt, um Abhängigkeit zu erzeugen. Diese koloniale oder halbkoloniale Abhängigkeit führt logischerweise zu Konflikten und zu nationalen Befreiungsbewegungen.

Eine Reihe solcher Befreiungsbewegungen existierten im letzten Jahrhundert. Im Laufe der Zeit wurden fast alle Kolonien in die Unabhängigkeit entlassen. Aus „ganzen“ Kolonien wurden nun nur noch Halbkolonien, also solche Länder, die zwar eine eigene Regierung besitzen, aber nach wie vor komplett abhängig von den Monopolen der imperialistischen Länder sind. Nationale Befreiungsbewegungen, die die Produktionsverhältnisse in ihrem Land nicht ändern, führen deswegen nicht zu einem Ende der imperialistischen Unterdrückung sondern nur zu deren Neugestaltung.

Darüber hinaus ist zu betonen, dass nicht nur Kriege zur Errichtung von Kolonien und Halbkolonien stattfinden, sondern auch zwischen den Monopolbourgeoisien der imperialistischen Länder, und zwar gerade um eben jene Kolonien oder Halbkolonien und deren Absatzmärkte, Rohstoffe usw. Hieraus resultiert eine „Aufteilung“ der Welt: Gewisse Monopole haben an gewissen Orten den Vorrang. Da die Monopole mit allen Mitteln ihre Einflusszonen verteidigen und ausweiten müssen, führt die imperialistische Weltordnung immer wieder zu Kriegen, in der zugespitzten Form auch zu Weltkriegen.

Der Reformismus

Auch der Reformismus ist ein typisches Merkmal der imperialistischen Phase des Kapitalismus. Denn durch die Abhängigkeit vieler Regionen von den imperialistischen Ländern kann die ArbeiterInnenklasse in diesen Ländern einen relativ hohen Lebensstandard erreichen (auf Kosten der ArbeiterInnen in den abhängigen Regionen, wohlgemerkt). Die Monopolbourgeoisie kann einen Teil der eigenen ArbeiterInnenklasse durch gewisse materielle Zugeständnisse „kaufen“, sie also an den Extraprofiten aus den imperialisierten Ländern teilhaben lassen. In Folge ist die Notwendigkeit einer Revolution für diese ArbeiterInnen (z. B. in Deutschland oder den USA) schwerer zu erkennen, da die eigene Situation als nicht allzu miserabel wahrgenommen wird. Die Bereitschaft, sich mit kleinen Zugeständnissen zufrieden zu geben, steigt – was den perfekten Nährboden für den Reformismus darstellt.

Diese Tatsache macht die Revolution in den Zentren des Imperialismus schwieriger, sollte aber nicht zu dem Schluss führen, dass der Imperialismus nur in den Halbkolonien bekämpft werden kann. Der Klassenkampf muss immer auch in den Zentren geführt werden, da auch hier eine Ausbeutung der ArbeiterInnenklasse stattfindet. Denn der Imperialismus kann nur im internationalen Maßstab gestürzt werden.

Dass eine Abschaffung dieses unmenschlichen Ausbeutungssystems notwendig ist, zeigen eben auch die Bilder der von den Monopolen absolut abhängigen Gebiete: bittere Armut, Seuchen und Konflikte um die wenigen materiellen Güter.

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