Was hat Müller wirklich gesagt? Kommt Abhilfe für die CFM?

08.06.2017, Lesezeit 7 Min.
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Am Dienstag sprach der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) in der Berliner Zeitung so konkret wie noch nie über die Pläne der rot-rot-grünen Koalition für die Charité Facility Management (CFM). Es lohnt sich, das Gesagte genauer unter die Lupe zu nehmen.

Seit Monaten kündigt der Berliner Senat immer wieder vollmundig an, dass die Beschäftigten der CFM von der rot-rot-grünen Koalition Großes erwarten könnten – wahlweise die Rückführung ins Landeseigentum, die Rückführung in die Charité oder die Angleichung an den Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes (TVöD). In einem Interview mit der Berliner Zeitung am Dienstag redete der Regierende Bürgermeister nun endlich Klartext. In einer Pressemitteilung begrüßte ver.di die Aussagen Müllers. Doch wie viel ist daran wirklich zu begrüßen? Das wollen wir uns genauer anschauen.

1. Rückführung in die Charité? Pustekuchen!

Im Interview sagte Müller: „Wir werden ab dem 1. Januar 2019 die CFM als eine hundertprozentige Tochter der Charité führen.“ Soll heißen: Die Ausgliederung bleibt erhalten. Die CFM soll eine 100-prozentige Tochter werden, anstatt wie bisher zu 49 Prozent Privatunternehmen zu gehören. Das ist zwar besser als nichts, aber eine Absage an das Geschäftsmodell Outsourcing sieht anders aus. Denn ein Tochterunternehmen, in dem dieselben Konditionen gelten wie in der Mutter, ist sinnlos. Indem er die Weiterexistenz der Tochter hervorhebt, gibt Müller hier also zu, dass der Senat nicht die vollständige Angleichung der Arbeitsbedingungen, der Löhne etc. anstrebt. Denn Dumpinglöhne bei 100-prozentigen Landesunternehmen gehören in Berlin weiterhin zum Standard – die Kolleg*innen der Vivantes Service GmbH (VSG) oder die Kolleg*innen vom Botanischen Garten bis vor ihrem Tarifabschluss können ein Lied davon singen.

2. Werden alle Beschäftigten übernommen?

Auf die Frage, ob „sämtliche 2800 Mitarbeiter der CFM“ übernommen werden, entgegnete Müller: „Unsere Berechnungen basieren auf der aktuellen Zahl der Beschäftigten. Die Aufgaben müssen ja weiterhin erledigt werden.“ Klingt erstmal gut. Interessant ist aber, was er nicht sagt: Was, wenn die CFM 2019 mehr Beschäftigte haben sollte als heute? Welche Verträge werden die CFM-Beschäftigten bekommen? Wird es sich – wie heute in großen Teilen üblich – um befristete und/oder Teilzeitverträge handeln, oder bekommen die Kolleg*innen unbefristete Vollzeitstellen? Was ist mit den Leiharbeiter*innen, die in den letzten Monaten verstärkt zum Einsatz gekommen sind? Müller sagte auch: „zudem wollen wir befristete Verträge nach und nach in unbefristete umwandeln“, doch zu Anzahl, Zeitraum etc. schwieg er.

3. TVöD bei der CFM?

In der schon erwähnten Pressemitteilung von ver.di heißt es zu diesem Punkt: „[Müller] hatte sich im Interview zur Angleichung der Löhne bei der CFM an den Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes bekannt.“ Nun ja, das ist eine sehr optimistische Interpretation des Gesagten. Tatsächlich sagte er zu den Löhnen zunächst: „Wir werden voraussichtlich ab 2018, eventuell sogar noch dieses Jahr, eine Grundvergütung von etwa 11 Euro pro Stunde zahlen können. […] Ab 2019 könnten die Löhne weiter steigen […]. Etwas später könnte dann noch ein dritter Schritt zur Lohnangleichung erfolgen.“ Ganz schön viel Konjunktiv. „Schritt zur Lohnangleichung“ statt „Lohnangleichung“ – ein Hinweis darauf, dass der Senat nicht daran denkt, das Prinzip „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ durchzusetzen.

Erst auf Nachfrage äußerte sich Müller überhaupt direkt zur Tariffrage: „Die Orientierung am ‚TVöD‘?“ – „Ja, aber das funktioniert nicht von heute auf morgen, weil es die Charité finanziell überfordern würde.“ Auch hier kein klares Bekenntnis zum TVöD, sondern lediglich eine „Orientierung“ daran, und zudem „nicht von heute auf morgen“. Das ist nichts weniger als ein Schlag ins Gesicht für die CFM-Beschäftigten, auf deren Rücken sich die privaten Anteilseigner seit elf Jahren eine goldene Nase verdienen, während die Kolleg*innen mit Hartz IV aufstocken müssen. Es muss eigentlich andersherum heißen: Jeder einzelne Monat ohne TVöD ist für die Beschäftigten der CFM eine „finanzielle Überforderung“.

4. Der Senat stiehlt sich aus der Verantwortung

Der Journalist sah das wohl ähnlich, denn er hakte nach: „Im Klartext: Auch in der höchsten Stufe, in ein paar Jahren, wird der Tarif irgendwo zwischen dem Vivantes-Niveau und dem Flächentarif für den öffentlichen Dienst liegen.“ Müllers lapidare Antwort: „Das hängt von den Tarifverhandlungen ab.“ Im Klartext: Die Kolleg*innen müssen die Kampfkraft selbst aufbringen, der Senat wird keinen Finger rühren.

Wenn man nun denkt, dass es kaum noch zynischer geht von einem Regierenden Bürgermeister, dessen Partei für die Gründung der CFM 2006 hauptverantwortlich war, dann täuscht man sich: Er rechtfertigt die Verschiebung der Tarifangleichung auf die lange Bank ausgerechnet mit einem anderen landeseigenen Unternehmen, welches Tochtergesellschaften zu Lohndumping-Zwecken gegründet hat: Vivantes. „Vivantes und Charité müssen künftig in ähnlichen Tarifkonstruktionen arbeiten, sonst würden zwei landeseigene Einrichtungen miteinander konkurrieren. Das brächte niemandem etwas.“ Geht’s noch? Das Lohndumping in einem Unternehmen in Landesverantwortung durch das Lohndumping in einem anderen Unternehmen in Landeseigentum zu begründen? Natürlich müssen Charité und Vivantes gleiche Bedingungen haben. Aber das kann doch keine Begründung für eine Spirale nach unten sein, sondern nur für die Durchsetzung von TVöD auch für die Vivantes-Töchter, wie die VSG – die sich ebenfalls seit Monaten in Tarifauseinandersetzungen befinden und bisher vom Senat geflissentlich ignoriert werden.

5. Es fließt weiterhin Kohle an die Privaten

Müller beklagt, dass eine sofortige Umstellung auf den TVöD bei der CFM 28 Millionen Euro kosten würde. Aber selbst wenn man die Umstellung verschiebt, fließt weiter Geld an die Privaten: „Für die anfallenden Übernahmekosten von Mitarbeitern und Fachwissen zahlen wir eine Summe an die Privaten, die wir schon in dem kommenden Doppelhaushalt für 2018/2019 einstellen.“ Um welche Summe es sich dabei handelt, „wird jetzt erst errechnet und verhandelt“, doch „wir gehen von einem zweistelligen Millionenbetrag aus.“ Der Senat hat also 2006 die CFM ausgegründet, um Geld zu sparen, und trotz auslaufendem Vertrag muss er noch mehr Geld an Dussmann und Co. überweisen.

6. Warum erst 2019?

Ja, warum eigentlich? Laut Müller kommt man vorher nicht aus dem Vertrag mit den Privaten heraus. Doch selbst nach Ablauf des Vertrags müssen die Privaten ausbezahlt werden. Warum dann warten? Ehrlicher wäre gewesen, zu sagen: „Wir haben einen beschissenen Vertrag mit den Privaten ausgehandelt, und die Beschäftigten müssen das jetzt ausbaden.“

Die Beschäftigten jedenfalls wollen sich nicht bis 2019 hinhalten lassen – und deshalb streiken sie heute und morgen weiter.

7. Im Klartext: Weiterkämpfen!

ver.di sagt in der Pressemitteilung, dass „nun die Blockadehaltung der CFM-Geschäftsführung überwunden werden“ muss. Das ist zweifellos richtig. Doch auch der Senat verharrt in der Blockadehaltung und will die Beschäftigten hinhalten. Deshalb muss der Druck auf die Regierung weiter erhöht werden. Und die CFM muss jetzt – und nicht erst 2019 – vollständig enteignet werden.

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