Was bedeutet der Verlust des Fraktionsrechts?
Der derzeitige Fraktionsvorsitzende der Linkspartei, Dietmar Bartsch, kündigte am Donnerstag an, nicht erneut für seinen Posten anzutreten. Währenddessen steht eine Spaltung und dadurch der mögliche Verlust des Fraktionsrechts immer näher.
Nachdem Amira Mohamed Ali ankündigte, nicht erneut für den Fraktionsvorsitz zur Verfügung zu stehen, warnte Bartsch seinen Parteikolleg:innen vor dem Austritt aus der Fraktion und dem damit einhergehenden Verlust des Fraktionsrechts. Alleine das Verlassen der Fraktion seitens drei Mitgliedern aufgrund der möglichen Spaltung würde reichen, damit diese ihre Fraktionsrechte im Bundestag verliert. Seine eigene Zukunft in der Fraktion ließ Bartsch jedoch bis Mittwoch offen. Zuvor äußerte er sich bezüglich der Spaltung noch folgendermaßen: „Es wird keine Spaltung der Linken geben. Wir sind in unserer Kernsubstanz stabil. Ich will, dass die Linke gemeinsam agiert.“
Nun gab er bekannt, selbst ebenfalls nicht mehr für den Fraktionsvorsitz zur Verfügung zu stehen. Damit ist erstmal offen, wer diesen übernehmen wird. Fraglich ist, ob die Linkspartei bis Ende des Jahres überhaupt noch eine Fraktion hat, es ist also nicht auszuschließen, dass Bartsch das sinkende Schiff deshalb verlässt. Doch was würde es bedeuten, wenn die Linkspartei keine Fraktion mehr im Bundestag stellt?
Was ist eine Fraktion und welche Rechte hat sie?
Eine Fraktion bezeichnet einen Zusammenschluss von mindestens fünf Prozent der Abgeordneten, bei derzeit 736 Abgeordneten also mindestens 37 Abgeordnete (die Linke hat derzeit 39 Abgeordnete in ihrer Fraktion). Üblicherweise schließen sich die Abgeordneten einer Partei zu einer Fraktion zusammen. Bei Ausschluss oder Austritt aus der Partei wird auch die Fraktion verlassen, sollte nicht das Mandat an sich abgegeben werden. Neben den Fraktionen gibt es auch fraktionslose Abgeordnete, die entweder ihre Fraktion verlassen haben oder wie beispielsweise der Südschleswigscher Wählerverband (SSW) mit lediglich einem Abgeordneten keine Fraktion bilden können.
Die Rechte einer Fraktion werden in §54 AbgG definiert, demnach ist eine Fraktion eine rechtsfähige Vereinigung, die klagen und verklagt werden kann. Einhergehend mit dieser Rechtsfähigkeit stehen der Fraktion gegenüber fraktionslosen Abgeordneten besondere Rechte zu. Die Fraktionen bekommen Finanzmittel sowie Sitzungszimmer im Bundestag zur Verfügung gestellt. Die Mitglieder des Ältestenrats, das wichtigste Koordinierungsgremium im Parlament, werden von den Fraktionen gestellt. Auch werden die Mitglieder der Bundestags- und Untersuchungsausschüsse aus den Fraktionen entstand. Die Fraktionen haben das Recht eine:n Bundestagsvizepräsident:in zur Wahl zu stellen. Im Gegensatz zu kleinen Anfragen können große Anfragen lediglich von Fraktionen gestellt werden. Das Recht, eine aktuelle Stunde zu beantragen, haben ebenfalls nur Fraktionen. Die Finanzierung der Fraktionen wird im Bundeshaushalt geregelt. So bekommt jede Fraktionen einen Grundbetrag plus einen von der Größe der Fraktion abhängigen Zusatzbetrag. Das Geld aus der Fraktionsfinanzierung soll hauptsächlich verwendet werden, um Angestellte der Fraktion zu bezahlen. 2020 betrug die Fraktionsfinanzierung insgesamt 119,4 Millionen Euro.
Was würde der Verlust des Fraktionsrechts fürs DIE LINKE bedeuten?
Da Redezeiten maßgeblich von den Fraktionen bestimmt werden, würde sich auf jeden Fall der Redeanteil der Abgeordneten der PdL drastisch reduzieren. Auch könnte sie keine aktuelle Stunde mehr beantragen. Zudem würde sie keine großen Anfragen mehr stellen Können. Anfragen werden im Bundestag dafür verwendet, die Bundesregierung zur Aufklärung über politische Fragen zu fordern. Im Gegensatz zu den kleinen Anfragen werden die großen bei Nichtbeantwortung der Regierung im Parlament diskutiert. Die Linkspartei nutzte in der Vergangenheit dieses Mittel, um Missstände öffentlich zu machen.
Für die Linkspartei wäre dieser Verlust ein herber Schlag. Die drohende Abspaltung Sahra Wagenknechts und mehrerer ihr nahestehender Bundestagsabgeordneter würden die Partei in eine historische Krise mit unklarem Ausgang stürzen. Während die PdL bei der letzten Bundestagswahl an der 5-Prozent-Hürde kratzte, kann Wagenknecht laut einer Umfrage ein Wähler:innenpotenzial von 19% verzeichnen. Aus den jetzigen Wähler:innen der Linkspartei kann sich die Hälfte vorstellen, sie zu wählen. Der Verlust des Fraktionsrechts, mehrerer Abgeordneter und vieler Stimmen würde vermutlich das Ende der Partei bedeuten, die ihren Schwerpunkt in Parlamenten und Wahlkampf hat.
Wenn es um den Verlust des Fraktionsrechts geht, kommt auch immer das Thema Rosa-Luxemburg-Stiftung (in Bayern Kurt Eisner Verein) auf. Diese ist die parteinahe Stiftung der Linkspartei und finanziert linke Bildungsarbeit sowie Projekte. Sie selbst wird dabei aus Mitgliedsbeiträgen, Spenden und insbesondere staatlichen Zuschüssen finanziert.
An dieser Stelle muss gesagt werden, dass die Finanzierung der parteinahen Stiftungen nicht davon abhängt, ob die Partei eine Fraktion stellt. Voraussetzung für staatliche Zuschüsse ist, dass eine Partei mindestens zum zweiten Mal in Folge im Bundestag vertreten ist. Selbst ein Ausscheiden der Linkspartei bei der Bundestagswahl 2025 würde erstmal nicht das finanzielle Ende für die Rosa-Luxemburg-Stiftung bedeuten. Falls eine Partei ausscheidet, wird die ihr nahestehende Stiftung für die Legislaturperiode weiter finanziert, diese Übergangsregelung nahm beispielsweise die „Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit“ 2013-2017 in Anspruch, deren Partei FDP 2013 nicht den Wiedereinzug in den Bundestag schaffte.
Revolutionäre Perspektive statt Trauer um eine sozialdemokratische Fraktion
Das Ende der Fraktion der Linken bedeutet also keineswegs ein Ende für die Rosa-Luxemburg-Stiftung und den von ihr finanzierten Projekten. Dieses Argument kann wieder aufkommen, sollte die Linke nach einer Spaltung nicht den Einzug in den Bundestag schaffen. Wichtig ist, uns nicht auf eine sozialdemokratische Partei zu verlassen und nach ihrem Wohlwollen Projekte finanzieren zu lassen. Eine finanzielle Abhängigkeit von linken Projekten von Partei- und Staatsgeldern schafft auch eine politische Abhängigkeit. Obwohl der Weg der finanziellen Unabhängigkeit sicherlich schwieriger zu stemmen ist, ist es damit leichter möglich, eine politische Unabhängigkeit von reformistischen Kräften und Ideen zu bewahren und so eine Anpassung oder gar Aufgabe revolutionärer Ideale vorzubeugen.
In dieser Hinsicht stellen wir als Klasse Gegen Klasse keine Finanzanträge für unsere Arbeit oder machen uns von Staatsgeldern abhängig, sondern finanzieren unsere politische Arbeit durch Spenden und Mitgliedsbeiträge. All die, die ebenfalls den Kampf für eine sozialistische Gesellschaft nicht von Parlamentsplätzen und Staatsgeldern abhängig machen wollen, laden wir herzlich ein zu unserem revolutionären Sommercamp. Hier besteht die Möglichkeit, in Workshops und Freizeit die Perspektiven für unsere Klasse zu diskutieren. Wir möchten eine revolutionäre Alternative aufbauen, die in den Unis, den Betrieben und auf der Straße für die Selbstorganisation der Arbeiter:innenklasse, Schulter an Schulter mit den Unterdrückten, kämpft.